Europäisches ParlamentDer Brexit ist endgültig besiegelt

Europäisches Parlament / Der Brexit ist endgültig besiegelt
Sie sagen sich nur auf Wiedersehen: Die EU-Parlamentarier singen nach der Abstimmung das alte schottische Abschiedslied „Auld Lang Syne“ Foto: AFP/Yves Herman

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Das Europäische Parlament hat gestern den Weg für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union freigemacht. Am morgigen Freitag um 24.00 Uhr Brüsseler Zeit endet nach etwas mehr als 47 Jahren die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs.

Es war gestern eine historische Debatte, und sicherlich auch die emotionalste, die je im Europäischen Parlament (EP) geführt wurde, mit der der Brexit endgültig besiegelt wurde. Denn in der anschließenden Abstimmung votierten 621 EP-Abgeordnete für den Austrittsvertrag, 49 dagegen, 13 enthielten sich. Am Ende, und auch das hat es noch nie im Plenarsaal gegeben, standen die meisten der 751 EU-Parlamentarier sich die Hände haltend da und sangen das alte schottische Abschiedslied „Auld Lang Syne“. Und nicht wenige konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Viele halten Schale mit der britischen und europäischen Fahne sowie dem Schriftzug „Always United“ hoch. 

„Ce n’est qu’un au revoir“ war denn auch eine Formel, die während der Debatte von vielen Rednern benutzt wurde. Hauptsächlich britische EP-Abgeordnete sagten, dass sie sich nicht geschlagen geben und für einen Wiedereintritt des Landes in die EU kämpfen würden. Abgeordnete aus Schottland, Wales und Nordirland erklärten, gegen das Brexit-Abkommen stimmen zu wollen, da ihre Wähler sich beim Referendum am 23. Juni 2016 für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hätten.

„Wenn wir den Brexit heute dadurch hätte stoppen können, indem wir Nein stimmen würden, wäre ich der Erste, der das empfehlen würde“, sagte der Liberale Guy Verhofstadt, der während der vergangenen drei Jahre die Austrittsverhandlungen für das EP begleitet hat. Doch es gehe nun einmal darum, einen harten Brexit zu verhindern und für einen ordentlichen Austritt zu stimmen, so der belgische Liberale. Wenn eine Lektion aus dem Ausscheiden Großbritanniens gezogen werden müsse, dann die, dass die EU „tiefgreifend reformiert“ werden müsse, so Verhofstadt, um sie für die Briten wieder so attraktiv zu machen, damit diese wieder in die Union zurückkehren.

„Ich will, dass die EU und das Vereinigte Königreich gute Partner bleiben“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die EU müsse nun sehen, wie sie mit Großbritannien als Drittstaat umgehe. Zugang zum EU-Binnenmarkt bedeute aber, dass Unternehmen in der EU nicht unfairem Wettbewerb ausgesetzt werden, warnte die Kommissionspräsidentin. Dies bedeute, dass dieser Zugang nur in dem Maße gewährt werden könne, inwieweit Sozialstandards der EU, Arbeitnehmerrechte sowie Umweltstandards eingehalten werden. Und sie schloss versöhnlich: „Wir werden euch immer lieben.“

Farage: „Werden niemals zurückkommen“

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, mahnte, die Einigkeit zwischen den 27 EU-Staaten weiter aufrechtzuerhalten. Die EU sei bereit für intensive Verhandlungen, wolle aber ein gutes Resultat. Iratxe García Perez ihrerseits versprach, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten darauf achten würden, dass die Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrechte in den künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nicht unterminiert werden. „Wenn die Briten zurückkommen wollen, werden wir sie mit offenen Armen empfangen“, versprach die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende.

Doch auch für Nigel Farage, den Vorsitzenden der Brexit-Partei, der während Jahren auf diesen Moment hingearbeitet hatte, war es die letzte Rede im Europäischen Parlament. „Einmal fort, werden wir niemals zurückkommen“, meinte er, und versprach, sich auch weiterhin für das Ende der EU einzusetzen. Denn: „Wir lieben Europa, wir hassen nur die EU“, so Farage. Mit ihm werden 73 britische Abgeordnete das Europäische Parlament verlassen. 27 Abgeordnete aus 14 EU-Staaten werden neu ins EP einziehen. Verlieren werden vor allem die Fraktionen der Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten. Die Rechtspopulisten werden den größten Zuwachs an Abgeordneten verzeichnen und zur viertstärksten Kraft im EP aufsteigen. 

Der Brexit-Vertrag, der heute noch vom Rat der EU-Mitgliedstaaten angenommen wird, sieht ab Samstag eine Übergangsphase bis zum Ende des Jahres vor. Während dieser Zeit wird sich Großbritannien noch an alle EU-Regeln halten müssen, ohne jedoch in den Institutionen und Gremien der Union vertreten zu sein. Im Juni muss sich die britische Regierung dann entscheiden, ob sie die Transitionsperiode um weitere zwei Jahre verlängern will oder nicht. Denn während dieser Zeit müssen ein neues Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sowie ein Abkommen über die künftigen Beziehungen etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik ausgehandelt werden. Der britische Premierminister hat jedoch wiederholt erklärt, dass er keine Verlängerung der Übergangsphase beantragen werde. Das bedeutet, dass es gegen Ende des Jahres durchaus noch zu einem harten Brexit kommen kann, sollte bis dahin keine Einigung zwischen den beiden Partnern gefunden worden sein.

Mit dem Austrittsvertrag werden lediglich die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien beziehungsweise der Briten in den übrigen EU-Staaten sowie der Umgang mit der inneririschen Grenze geregelt, solange kein neues Abkommen zwischen beiden gefunden ist. Zudem sind die finanziellen Verpflichtungen Londons gegenüber der EU im Abkommen geklärt.