Bosnien-HerzegowinaDenkzettel für Bosniens Scharfmacher

Bosnien-Herzegowina / Denkzettel für Bosniens Scharfmacher
Der SDP-Kandidat Denis Becirovic wird den Sitz der Bosniaken im Staatspräsidium übernehmen Foto: AFP/Andrej Isakovic

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bei den Mammutwahlen in Bosnien und Herzegowina sind mit dem muslimischen SDA-Chef Bakir Izetbegovic und Serbenführer Milorad Dodik (SNSD) ausgerechnet zwei der größten Scharfmacher im Vielvölkerstaat ins Straucheln geraten. Wegen mutmaßlicher Manipulationen will die Opposition Dodiks Wahl anfechten.

Selbst in ihrem Heimatdorf Krajisnik wollte für die Oppositionskandidatin angeblich kein Wähler stimmen. „Die Leute rufen mich an und versichern mir, dass sie mich gewählt haben“, berichtete am Tag nach den Wahlen in Bosnien und Herzegowina Jelena Trivic (PNP) nach ihrer knappen Niederlage gegen Milorad Dodik (SNSD) beim Rennen um das Präsidentenamt im Teilstaat der Republika Srpska.

Über „Manipulationen und Stimmenraub“ und ein „betrügerisches Wunder“ in der Wahlnacht klagte angesichts der ungewöhnlich hohen Zahl von über 30.000 für ungültig erklärten Stimmen PDP-Chef Branislav Boronovic. Bis zur Auszählung von 72 Prozent der Stimmen habe Trivic geführt. Doch dann seien „unglaubliche Dinge“ passiert in Dörfern, in denen die PDP-Kandidatin angeblich keine einzige Stimme erhielt, und Städten, in denen Dodik mit 5.000 bis 10.000 Stimmen vorne lag: „Wir werden die Wahl anfechten. Es gibt genügend Grundlagen, sie für ungültig erklären zu lassen.“

Über ein „maximales Resultat“ freute sich in der Wahlnacht hingegen ihr zumindest vorläufig siegreicher Rivale Dodik. Er werde auch in Zukunft weiter mit Serbien, Russland und Ungarn kooperieren, versicherte der Putin- und Orban-Freund seinen Anhängern, bevor er seinen Lieblingshit anstimmte: „Uns kann niemand etwas anhaben. Wir sind stärker als das Schicksal!“

Große Verschiebungen im komplizierten Machtgefüge von Bosnien-Herzegowinas Politlabyrinth haben die Parlaments-, Präsidentschafts-, Teilstaats- und Kantonswahlen am Sonntag laut den vorläufigen Ergebnissen nicht gebracht. Doch neben dem in den Verdacht von Wahlmanipulationen geratenen Putin-Freund Dodik ist mit dem muslimischen Bosniaken Bakir Izetbegovic ein weiterer Scharfmacher unerwartet ins Straucheln geraten: Überraschend verlor der favorisierte SDA-Chef die Wahl um den bosniakischen Sitz im Staatspräsidium gegen den SDP-Kandidaten Denis Becirovic. Im Staatspräsidium sind die drei Volksgruppen – Bosniaken, Kroaten, Serben – mit jeweils einem Mitglied vertreten.

Symbolische Veränderungen

Für erneute Verstimmungen zwischen Sarajevo und Zagreb hat die erwartete Wiederwahl von Zeljko Komsic (DF) zum kroatischen Mitglied des Staatspräsidiums geführt. Obwohl kroatischstämmig wurde Komsic erneut fast ausschließlich von bosniakischen, aber kaum von kroatischen Wählern gewählt. Nicht nur die unterlegene Borjana Kristo (HDZ BiH) zeigte sich nach der Niederlage angesäuert. „Dies war das letzte Mal, dass wir mit diesen Regeln zur Wahl angetreten sind“, erklärte verärgert ihr Parteichef Dragan Covic. In Zagreb forderte die oppositionelle Most-Partei aufgebracht, Bosniens kroatisches Präsidiumsmitglied in Kroatien zur unerwünschten Person zu erklären.

Zwar kündigte der Hohe Gesandte der Internationalen Gemeinschaft (OHR), der frühere deutsche Verkehrsminister Christian Schmidt, in der Wahlnacht von ihm verfügte Änderungen des Wahlgesetzes an. Doch was die Machtverhältnisse angeht, bleibt im vertrackten Staatskonstrukt von Bosnien-Herzegowina auch nach den Wahlen vieles so wie es war.

Im Gegensatz zu Dodik gewann seine Vertraute Zeljka Cvijanovic (SNSD) die Wahl um den serbischen Sitz im Staatspräsidium ohne Mühe. Nach den Wahlen zeichnet sich im nationalen Parlament erneut eine Koalition um die sich ethnisch definierenden Großparteien der bosniakischen SDA, der serbischen SNSD und kroatischen HDZ/BiH ab. In der Republika Srpska hat Dodik zwar einen Denkzettel der Wähler erhalten, doch bleibt seine SNSD im Teilstaatsparlament die klar dominierende Kraft. Auch im Teilstaat der Föderation teilen weiter die SDA und die HDZ die Karten aus. „Die Wahlen haben symbolische Veränderungen, aber keine neue Macht gebracht“, fasst die kroatische Hina-Agentur zu Wochenbeginn deren Ausgang zusammen.

Serben-Führer und Putin-Freund Milorad Dodik bleibt weiterhin Präsident der serbischen Teilrepublik Srpska, seine Vertraute Zeljka Cvijanovic übernimmt den Sitz der Serben im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina
Serben-Führer und Putin-Freund Milorad Dodik bleibt weiterhin Präsident der serbischen Teilrepublik Srpska, seine Vertraute Zeljka Cvijanovic übernimmt den Sitz der Serben im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina Foto: AFP/Elvis Barukcic