Debakel der FPÖ in Österreich: Kurz und Grüne strahlende Sieger

Debakel der FPÖ in Österreich: Kurz und Grüne strahlende Sieger

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Die konservative ÖVP hat unter Sebastian Kurz ihren Höhenflug fortgesetzt. Die Partei triumphiert bei der Parlamentswahl am Sonntag. Für die rechte FPÖ wird der Abend zum Debakel. Schmiedet der 33-jährige Kurz nun ein Bündnis mit den Grünen?

Stunden vor Schließung der Wahllokale ahnt die ÖVP schon ihr Glück: „Die Menschen wollen ihren Kanzler zurück“, umreißt ÖVP-Wahlkampfmoderator Peter Eppinger nachmittags die Stimmung in Österreich. Mit den ersten Hochrechnungen wird dann klar, dass der 33-jährige Altkanzler Sebastian Kurz tatsächlich wieder triumphiert. Während die deutsche CDU unter Wählerschwund leidet, legt die Schwesterpartei ÖVP bei der Nationalratswahl um 5,6 Prozentpunkte auf 37,1 Prozent zu (ORF-Hochrechnung Stand ca. 18.20 Uhr).

Seitdem der strikt migrationskritische Kurz vor gut zwei Jahren die Partei übernahm, hat sie zum Höhenflug angesetzt. Und das auf Kosten der rechten FPÖ. Die FPÖ ist im Vergleich zum Zuspruch der vergangenen Jahre dramatisch auf rund 16 Prozent abgestürzt. Das Minus von zehn Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2017 ist auch Folge der jüngsten Affäre um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache.

Strache wird ein üppiger Lebensstil auf Kosten der Partei vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue. Auch wenn der 50-Jährige die Vorwürfe wortreich auf Facebook bestreitet, ist der politische Schaden für die Rechtspopulisten über die Wahl hinaus erheblich. Es ist möglich, dass Strache in den nächsten Tagen aus der FPÖ ausgeschlossen wird. Die FPÖ selbst nahm sich noch am Abend weitgehend aus dem Koalitions-Spiel und kündigte einen „Neustart“ an, voraussichtlich in der Opposition.

Ein neues Bündnis

Damit rückt ein mögliches Bündnis in den Mittelpunkt, das vor wenigen Monaten noch als fast ausgeschlossen galt: Schwarz-Grün. Denn die 2017 noch an der Vier-Prozent-Hürde gescheiterte Umweltpartei hat wie erwartet ihr Rekordergebnis von 2013 mit 13,9 Prozent fast wieder eingestellt. Auf Landesebene hat sich eine schwarz-grüne Partnerschaft wie zum Beispiel in Tirol bereits bewährt. Der 57-jährige grüne Parteichef Werner Kogler, der manchmal eher wie ein etwas zerstreuter Gelehrter wirkt als wie ein scharfzüngiger Umweltaktivist, gilt als durchaus aufgeschlossen. Allerdings hat er im Wahlkampf die Wahrscheinlichkeit eines schwarz-grünen Bündnisses mit nur fünf Prozent bezeichnet. „Wir brauchen Zeichen der Umkehr“, sagte Kogler – und meint eine nötige Kursänderung in der Umweltpolitik. Auch Teile der Grünen in Wien gelten als äußerst skeptisch und können mit Kurz gar nichts anfangen.

Eine Koalition der ÖVP mit den Sozialdemokraten, die auch rechnerisch möglich ist, gilt angesichts des tiefen Misstrauens zwischen den beiden Volksparteien als besonders schwierig. Die SPÖ müsste auch aus einer Position der Schwäche heraus verhandeln. Sie verbuchte 21,8 Prozent (minus 5 Prozentpunkte). Das ist ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl. Die 48-jährige Ärztin Pamela Rendi-Wagner, Parteichefin seit knapp einem Jahr, hatte zwar höchst engagiert gekämpft, war dem versierten Kurz aber auch bei den TV-Duellen unterlegen. Die zuletzt demonstrierte Geschlossenheit der oft zerstrittenen Sozialdemokraten hatte nicht verfangen. Trotzdem schloss SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda am Wahlabend personelle Konsequenzen aus. Auch Rendi-Wagner gab sich entschlossen und sagte: „Ich freue mich, mit euch diesen Weg weiterzugehen.“

Grenzenloser Jubel

Die ÖVP feiert den Sieg umso mehr, weil er den bisher größten Abstand zum Zweitplatzierten bedeutet. Der Jubel der Anhänger bei der Wahlparty kannte keine Grenzen. „Ich bin überwältigt und fast schon sprachlos“, meinte ein strahlender Sieger Kurz. Es seien nach seinem Sturz schwere vier Monate gewesen. „Aber heute hat uns die Bevölkerung zurückgewählt.“

Kurz war in Folge der Ibiza-Affäre von Ex-Vizekanzler Strache vom Nationalrat mit einem Misstrauensvotum gestürzt worden. Dieser von der SPÖ lancierte Schritt bescherte den Sozialdemokraten ein neues Tief in den Umfragen. Die liberalen Neos hatten den Misstrauenanstrag nicht unterstützt. Sie kamen auf ihr bisher bestes Ergebnis mit 7,8 Prozent (plus 2,5 Prozentpunkte).

Welche Aufgaben eine neue Regierung bewältigen muss, machten die Bürger bei Befragungen am Wahltag klar. Auf Platz eins liegt die Sorge ums Geld („Steuern senken, mehr Nettolohn garantieren“), fast gleichrangig gefolgt von den Themen wie „leistbare Mieten sicherstellen“, „Gesundheitssystem reformieren und verbessern“ und den „Klimaschutz forcieren“. Der einstige Wahlkampfschlager „Zuwanderung stoppen“, der wesentlich zum Erfolg von ÖVP und FPÖ 2017 beigetragen hat, rangiert nicht mehr ganz vorne.