Ukraine-Krieg„Das Risiko wächst jeden Tag“: Angst vor dem GAU in Europas größtem Atomkraftwerk

Ukraine-Krieg / „Das Risiko wächst jeden Tag“: Angst vor dem GAU in Europas größtem Atomkraftwerk
Russland hat das AKW bereits im März besetzt – inzwischen gerät es verstärkt unter Beschuss Foto: dpa

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Die Ukraine und Russland werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, Europas größtes Kernkraftwerk zu beschießen und damit eine atomare Katastrophe heraufzubeschwören. 42 Länder und die EU veröffentlichten eine Erklärung, in der sie den sofortigen Abzug der russischen Truppen von dem Kraftwerk forderten. Moskau macht einen anderen Vorschlag.

In der Nacht zum Sonntag verließen Tausende Bewohner in der russisch besetzten Kleinstadt Enerhodar ihre Häuser und flohen nach Südosten, etwas weg von der Frontlinie. Grund war der Beschuss des AKW Saporischschja am Samstag. Es war nicht der erste Beschuss – und es sollte nicht der letzte bleiben. Und auch diesmal machten sich beide Kriegsparteien dafür verantwortlich.

Den sofortigen Abzug russischer Truppen aus dem besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine haben indes 42 Staaten und die EU in einer Erklärung in Wien gefordert. „Die Stationierung von russischen Militärs und Waffen in der Atomanlage ist inakzeptabel“, hieß es in der Erklärung. Russland verletze die Sicherheitsprinzipien, auf die sich alle Mitgliedsländer der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) verpflichtet hätten. Die russischen Besatzer hingegen schlagen eine Feuerpause in dem umkämpften Gebiet vor. „Die Führung der Vereinten Nationen und der Chefdiplomat der EU sollten nicht über Entmilitarisierung sprechen, sondern über die Einführung einer Feuerpause“, sagte Wladimir Rogow, ein Vertreter der russischen Besatzungsbehörden, am Montag der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Die Situation droht, außer Kontrolle zu geraten

Rafael Grossi, Direktor der Internationalen Atomenergieagentur

Erst am Donnerstag hatte der ukrainische Besitzer „Energoatom“ des von russischen Truppen bereits Anfang März besetzten Kernkraftwerks vier Raketeneinschläge vermeldet. „Gras geriet in Brand, das blieb zum Glück ungefährlich“, hieß es in der Kiewer Zentrale. Die Schichtablösung der ukrainischen Belegschaft sei verzögert worden. Diese allerdings arbeitet unter enormem Druck, denn die Russen haben 500 Soldaten direkt im AKW stationiert. Mindestens ein Betriebsingenieur soll bereits erschossen worden sein. Auch am Sonntag sind erneut Artilleriegeschosse eingeschlagen. Das teilten russische wie ukrainische Quellen mit.

Das AKW liegt am linken Dnipro-Ufer und damit unmittelbar an der Frontlinie. Seit ein paar Tagen beschießt die russische Armee die ukrainischen Kleinstädte Nikopol und Marhanez auf der rechten Flussseite. Diese neuen Attacken dürften im Zusammenhang mit der ukrainischen Gegenoffensive in der Südukraine stehen. 40 Kilometer südwestlich von Enerhodar hat die ukrainische Armee mehrere von Russland besetzte Dörfer zurückerobert.

Europas größtes AKW in Enerhodar hält die Welt in Atem, seit Rafael Grossi, Direktor der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), vor Wochenfrist vor einem möglichen GAU gewarnt hat, falls die Kampfhandlungen in unmittelbarer Nähe weitergingen. „Die Situation droht, außer Kontrolle zu geraten“, sagte Grossi. In der Nacht zum Sonntag warnte auch Präsident Wolodymyr Selenskyj Europa vor einer wachsenden atomaren Gefahr. „Die radioaktive Bedrohung für Europa ist so erhöht, wie es sie nicht einmal in den Zeiten des Kalten Krieges gab“, warb Selenskyj für Sanktionen gegen die russische Atomindustrie. Selenskyj warf Russland Erpressung vor. Die Besatzer nutzten das AKW, um „auf extrem zynische Weise“ Angst zu verbreiten. Truppen würden sich hinter dem AKW „verstecken“, um die ukrainisch kontrollierten Städte Nikopol und Marhanez zu beschießen, sagte Selenskyj.

Die bisher in der Nähe des AKW eingesetzten Waffen stellen allerdings keine unmittelbare Gefahr für die sechs Reaktorblöcke dar, von denen nur zwei bis drei in Betrieb sind. Ein GAU wäre ein geplanter, direkter Angriff mit bunkerbrechenden Raketen oder der kontrollierte Absturz eines großen Düsenjets auf einen Reaktorblock. Dabei müssten jedoch drei Reaktorhüllen durchbrochen werden, denn das AKW läuft mit Druckwasserreaktoren. Dies gilt als wenig wahrscheinlich.

Experten sehen eine viel größere Gefahr in der Beschädigung der insgesamt vier Hochspannungsleitungen des Werks. Dabei würde das AKW von der Stromzufuhr abgeschnitten, die dringend für die Reaktorkühlung notwendig ist. Zwar gibt es ein Notsystem aus Dieselgeneratoren, doch ist der Nachschub mit Diesel im Krieg unsicher. Würde es infolge länger unterbliebener Kühlung zur Kernschmelze in den Reaktoren kommen, könnte – ähnlich wie in Fukushima – hoch radioaktives Jod-131 und Strontium-90 freigesetzt werden. Je nach Windrichtung könnte die radioaktive Wolke nach Russland oder Westeuropa getrieben werden. Im Zuge der Erderwärmung sind die Winde unkalkulierbarer geworden, als sie noch 1986 zu Zeiten des GAU von Tschernobyl waren. Dort wurden die weit gefährlicheren Graphitreaktoren eingesetzt.

Das Risiko einer atomaren Katastrophe im größten Kernkraftwerk Europas „wächst jeden Tag“, hatte der Bürgermeister von Enerhodar, wo sich das AKW befindet, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP gesagt. Die russische Armee beschieße „die Infrastruktur, die den sicheren Betrieb des Kraftwerks sicherstellt“, fügte Dmytro Orlow hinzu.

Ein GAU würde riesige Gebiete verstrahlen

Eine vom ukrainischen Onlineportal „Trucha“ veröffentlichte Simulation geht davon aus, dass bei einem GAU im AKW Saporischschja die ganze Ukraine und ganz Moldawien sowie Südwest-Russland, die südliche Hälfte von Belarus, die östliche Hälfte Rumäniens und der Nordosten Bulgariens verstrahlt würden. Im Westen könnte die atomare Wolke demnach maximal bis zur ostpolnischen Stadt Stalowa Wola vordringen. Ein Gebiet, das die ukrainischen Städte Saporischschja, Dnipro, Kriwi Rih und Cherson umfasst, müsste nach dem Gau vollständig von Menschen geräumt werden.

Die strategische Lage des AKW macht die Anlage damit für die Russen zu einem idealen Schutzschild für die bisher eroberten Gebiete. Enerhodar liegt in der Mitte der rund 700 Kilometer langen Frontlinie zwischen Cherson und dem Nord-Donbass. Auf beiden Seiten der 50.000-Einwohnerstadt toben seit Wochen in rund 40 Kilometer Entfernung Kämpfe. Im Südwesten versuchen die Ukrainer, die russische Armee wieder aus der Oblast Cherson zu verdrängen und sich den Weg auf die Halbinsel Krim freizuschießen. Im Nordosten versucht die russische Armee den Vorstoß auf die knapp eine Million Einwohner zählende Millionenstadt Saporischschja und den Nord-Donbass.

Da die ukrainische Armee in den letzten Wochen Munitionslager in den russisch besetzten Gebieten angreifen und damit vernichten, vermuten Geheimdienste, Russland könnte Waffen in dem weiten AKW-Gelände sicher lagern. So haben die russischen Besatzungstruppen nach eigenen Angaben damit begonnen, Luftabwehrsysteme rund um die Anlage zu stationieren. Dies würde immerhin die Sicherheit des AKW etwas erhöhen.

Die Ukraine vermutet, Russland plane das besetzte AKW vom ukrainischen Netz zu nehmen und den Strom nur noch in die seit 2014 annektierte Halbinsel Krim und die seit März besetzte Südukraine zu liefern. Am Sonntag meldete der ukrainische Geheimdienst, Russland plane das AKW propagandawirksam mit ukrainischen Flaggen dekorierten Raketen zu beschießen. Auch diese Behauptung lässt sich nicht verifizieren. Die Lage bleibt auch so gefährlich. 

Gaspreise in Deutschland

Deutsche Gaskunden wissen nun, was ihnen blüht. Die Gaspreise werden infolge des Krieges bald noch mal kräftig zulegen. Die Höhe der Gasumlage wurde am Montag mit 2,419 Cent pro Kilowattstunde festgelegt, das bedeutet jährliche Mehrkosten für einen Haushalt mit Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden von rund 484 Euro. Mit der Umlage werden erhöhte Beschaffungskosten von Importeuren an die Kunden weitergegeben. Die Umlage gilt ab Anfang Oktober und wird wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen auftauchen.

Vladimirowitsch
16. August 2022 - 11.06

D'Russe schéisse jo net op hir eegen Zaldoten. Also können et nëmmen dem Komiker séng Gladiatore sin. Dee gett sech net bis et ze spéit ass!

JJ
16. August 2022 - 10.49

Die Dämlichkeit kennt keine Grenzen. Egal wer Schuld ist,danach könnt ihr auch A-Waffen einsetzen und dann macht die Menschheit eben Schluss. Wer weiß wozu es gut ist.

Jeff
16. August 2022 - 7.47

De Selenski huet zouginn dass Sie et beschoss hunn - also waat soll daat??