Das letzte Geschäft seiner Art: „Stresemann“, schwarze Krawatten und Anzüge von 1850 bei Zwick

Das letzte Geschäft seiner Art: „Stresemann“, schwarze Krawatten und Anzüge von 1850 bei Zwick

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Über 3.000 Anzüge zieren die Kleiderstangen der Herrenboutique in der rue du Curé. Seit seiner Gründung vor mehr als 80 Jahren ist Zwick Synonym für Klasse, edle Schnitte und Stil. Das Haus mit Tradition hat schon so manche Männerfigur bekleidet und auch zur Trauerfeier von Großherzog Jean werden im Atelier die vom Protokoll verlangten „Tenuen“ zurechtgeschneidert.

Von Laura Tomassini (Text), Fabrizio Pizzolante (Fotos)

Es ist ein altehrwürdiges Geschäft, geändert hat sich hier in den letzten 50 Jahren außer dem Teppich nichts. Vor allem das dunkle Palisanderholz an der Decke erinnert an vergangene Tage, als die Inhaber des Ladens in der rue du Curé noch selbst die Kasse bedienten. Geblieben ist von der Familie Zwick niemand, nur die Unterschrift auf dem Papier und vereinzelte Anrufe sind Zeugen des Besitztums der Erben. Noch immer da ist allerdings Eugène Derr. Zusammen mit Béatrice Delorme leitet der 67-Jährige das zehnköpfige Team der Herrenboutique, welche als letzter Familienbetrieb seiner Art ein wahres Urgestein der Luxemburger Modebranche darstellt.

Gegründet wurde das Haus von Marcel Zwick im „Garer Quartier“, seit Februar 1968 bewohnen die rund 3.000 Anzüge der Boutique ihre aktuelle Adresse. „Herr Zwick hat damals im Beruf gearbeitet und sich irgendwann selbstständig gemacht. Zuerst hat er im Bahnhofsviertel gemietet, dann, nach fast 30 Jahren, als das Gebäude hier gebaut wurde, hat er es für sein Geschäft gekauft“, erinnert sich Eugène Derr.

Er selbst hat die Geschichte des Familienbetriebs von Anfang an miterlebt, zuerst als Lehrling, nun als Wiederkehrer aus der Rente. „Als die Inhaber anfingen, alt und gebrechlich zu werden, hat Zwicks ‚Tatta‘ angerufen und gefragt, ob ich nicht aushelfen kommen wolle“, so der Pensionär. Ein paar Tage die Woche verbringt Derr seine eigentlich freie Zeit nun wieder im Laden und berät die alteingesessene Kundschaft. Ein Comeback, das genau ins Bild des Hauses passt, wie der 67-Jährige verrät: „80 Prozent unserer Klientel sind Stammkunden, ohne sie wären wir längst nicht mehr da. Und wissen Sie, die älteren Herrschaften vertrauen keinem, sie müssen ein altes Gesicht sehen, dann sind sie zufrieden.“

Neben „Businessmen“ und Bänkern der Luxemburger „Wall Street“ sind vor allem Politiker regelmäßige Besucher bei Zwicks, denn für Anzüge ganz nach staatlichem Protokoll ist die Boutique mittlerweile die einzig gebliebene Anlaufstelle. „Von unserer Konkurrenz ist niemand mehr da, wir sind das letzte Geschäft in dem Stil hier in der Stadt“, sagt Derr. Ein Haus mit Tradition, nicht verwunderlich also, dass auch für das Begräbnis von Großherzog Jean rund 100 Männer unterschiedlichster Funktionen ihre offizielle „Tenue“ bei Zwicks haben fertigen lassen. „Wir hatten die letzten Wochen viel Arbeit, denn wir sind eines der wenigen Geschäfte, die noch Zeremoniestücke verkaufen“, so Derr.

Derselbe Schnitt für alle

Vermerkt ist im Protokoll anlässlich der Trauerfeier ein sogenannter „Morning Cut“, wie der Geschäftsführer erklärt: „Das Modell ist über 150 Jahre alt, vorgeschrieben sind ein dunkles Jackett, eine gestreifte Hose, ein schwarzes Gilet (Weste) sowie eine schwarze Krawatte.“ Kein Frack, sondern ein „Stresemann“ ist es also, der die Anteilnahme der Gäste heute in der Kathedrale stilistisch ausdrücken soll.

Auch Prinz Guillaume de Luxembourg und sein Sohn Paul-Louis de Nassau erschienen am Donnerstag zur Anprobe bei Zwicks, direkt im Eingangsbereich wartete ebenfalls das Jackett von Leopold de Nassau auf seinen Träger. Es sind Details, die den Kunden bei Zwicks ein Gefühl von Familiarität vermitteln. Seien es die Wasserschildkröten im Schaufenster, die eigentlich als Kunden-Lockvogel zur Eröffnung der Boutique gedacht waren und nun seit 1968 in ihrem Becken vor sich hin schlummern, oder die Tatsache, dass Eugène Derr und seine Kollegen die Rechnungen noch per Hand schreiben – das dreistöckige Haus an der Ecke hat einfach das gewisse Etwas.

Und ob einfacher Büroanzug oder 900-Euro-Scabal-Tenue, bei Zwicks wird (fast) jeder fündig. „Wir haben über 50 Größen auf Lager. Hier geht niemand raus, ohne seine Maße gefunden zu haben“, versichert Derr. Und auch wenn der Anlass heute definitiv kein freudiger ist, so ist es doch vielleicht wenigstens ein kleiner Trost, dass manche Dinge sich einfach nie verändern.