Welt-AlzheimertagDas langsame Vergessen: In Luxemburg leben 7.500 Demenzkranke

Welt-Alzheimertag / Das langsame Vergessen: In Luxemburg leben 7.500 Demenzkranke
Für 2050 wird es wohl weltweit 153 Millionen Demenzkranken geben (Symbolfoto) Foto: Pixabay

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Am 21. September ist Welt-Alzheimertag. Rund 50 Millionen Demenzkranke gibt es weltweit, in Luxemburg leben etwa 7.500 Betroffene.

Sein Leben lang war Norbert* begeisterter Kartenspieler. Gegen ihn zu gewinnen, war schwierig. Er hatte einen Trick: Er merkte sich alle Karten, die die Gegenspieler wegwarfen, und berechnete, davon ausgehend, die Wahrscheinlichkeit, diese oder jene Karte noch zu erhalten. Damit gewann er zwar nicht jedes Spiel, doch am Ende ging er meistens als Sieger vom Tisch.

Dann erkrankte er an Demenz. Seine Frau und er spielten noch Karten – oder versuchten es wenigstens. Als ihr Enkel sie einmal besuchte, erschreckte dieser; vor ihm saß nicht mehr der unschlagbare Kartenspieler, den er aus seiner Kindheit kannte. Vor ihm saß ein kleines Kind, im Körper eines 70-Jährigen, der kaum die Karten in der Hand halten konnte. Wenig später musste der Großvater ins Krankenhaus, wo er nur wenige Zeit später verstarb. Dass sein Großvater an Alzheimer, einer Form von Demenz gelitten hatte, sollte der Enkel erst später erfahren.

Demenz ist keine seltene Krankheit. Im Gegenteil: Weltweit waren 2018 rund 50 Millionen Menschen daran erkrankt, 2050 wird mit 153 Millionen Kranken gerechnet. In Luxemburg gab es 2019 den offiziellen Zahlen von „Alzheimer Europe“ zufolge („Dementia in Europe Yearbook 2019”) 7.539 Fälle, schreibt die luxemburgische Alzheimervereinigung (ALA) in einer Mitteilung. Das waren immerhin 1,25 Prozent der luxemburgischen Bevölkerung. Für 2050 werden rund 19.000 Demenzkranke für Luxemburg vorausgesagt, was natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die notwendigen Pflegeeinrichtungen bleibt. Zurzeit verfügt die ALA neben Beratungsstellen über sechs Einrichtungen für Tagesbetreuung. In Erpeldingen betreibt die Vereinigung seit 2007 zudem ein Wohn- und Pflegeheim mit Ganztagsbetreuung für 117 pflegebedürftige Demenzkranke, das momentan ausgebaut wird. Im Frühjahr 2023 sollen 23 Zimmer weitere bezugsfertig sein.

50 Formen von Demenz

Alzheimer ist wohl die in der Öffentlichkeit bekannteste Form von Demenz, was nicht verwundert, da rund die Hälfte der Betroffenen daran leidet. Es ist aber ist nur eine von 50 verschiedenen Erscheinungsformen der Demenz. Da mehr darüber geforscht wird, ist es nicht auszuschließen, dass in Zukunft noch mehr Formen unterschieden werden. Grundsätzlich werden die Demenzerkrankungen in zwei Kategorien aufgeteilt: primäre und sekundäre Formen. Die Symptome können sich zwar im Alltag verschiedentlich äußern, doch allen gemeinsam sind die Beeinträchtigung und der Verlust geistiger Fähigkeiten.

Primäre Demenzen entstehen durch Erkrankungen des Gehirns. Sie gelten als unheilbar. Zu ihnen zählen die sogenannten neurodegenerativen Formen, zu denen Alzheimer gehört. Biologisch betrachtet handelt es sich um Eiweißablagerungen zwischen den Nervenzellen des Gehirns, die Zellen sterben ab und das Gehirnvolumen nimmt ab. Durch Alzheimer vermindert sich die Sprachfähigkeit, das Gedächtnis wird schwächer und der Betroffene hat Probleme, Mitmenschen zu erkennen. Alzheimer tritt in der Regel nach dem 65. Lebensjahr auf. Die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, nimmt mit dem Alter zu.

Eine andere Art von primären Demenzen sind sogenannte vaskuläre Demenzen, bei denen die Nervenzellen durch Durchblutungsstörungen in den Hirngefäßen beschädigt werden, was zu irreversiblen Gehirnschäden führt. Bis heute können primäre Demenzerkrankungen nicht geheilt werden. Es gibt jedoch Behandlungen, die die Krankheit verzögern können und so die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen verbessern können. Dabei handelt es sich einerseits um Medikamente, andererseits um begleitende Maßnahmen wie z.B. Gedächtnistraining, Orientierungstraining oder Musik- und Kunsttherapie.

Die sekundären Formen stellen rund zehn Prozent der Demenzerkrankungen dar. Sie sind eine Folge anderer Erkrankungen und heilbar. Verursacht werden können sie u.a. durch Vergiftungen, Schilddrüsenunterfunktion, Depressionen und Hirntumore. Zu den sekundären Formen gehört das Korsakow-Syndrom, das ebenfalls die Gedächtnisleistung beeinträchtigt. Die Ursache hierfür ist meistens jahrelanger Alkoholmissbrauch.

Fast jeder Dritte der über 90-Jährigen in unseren Breitengraden sei heute bereits an einer Demenz erkrankt, schreibt die „Association Luxembourg Alzheimer“, was aber nicht heißt, dass junge Menschen immun dagegen sind. Laut dem Bericht „Dementia in Europe Yearbook 2019“ gab es 2018 in Luxemburg 340 Demenzkranke im Alter zwischen 30 und 59 Jahren. Der französische Film „Se souvenir des belles choses“ aus dem Jahr 2001 zeigt z.B. das Schicksal einer 32-Jährigen, die mit Alzheimer lebt.

Memory Walk

Im Rahmen des Welt-Alzheimertages findet am kommenden Samstag, dem 24. September, in Luxemburg-Stadt der Memory Walk statt, bei dem jeder seine Solidarität mit den Betroffenen und ihren Familien Ausdruck verleihen kann. Die verschiedenen Touren starten jeweils um 13.00, 14.30 und um 15.30 Uhr auf der place Clairefontaine. Jede Tour dauert zwischen 30 und 40 Minuten. Auch Personen mit eingeschränkter Mobilität können teilnehmen. Informationen gibt es auf www.alzheimer.lu.

Ebenfalls im Rahmen des Welttages findet am 27. September in der Abtei Neumünster die Konferenz „Le rire, l’humour et la démence“ statt, organisiert vom Info-Zenter Demenz. Beginn ist um 18.30 Uhr, Einschreibung obligatorisch bis zum 22. September per E-Mail an mail@i-zd.lu oder unter der Telefonnummer 26 47 00. Mehr Detail auf www.demenz.lu.

* Der Name wurde geändert