/ Champagner aus Norwegen? Das Klima verändert den Wein
Was wäre, wenn Bordeaux-Weine in 20 oder 30 Jahren aus Kent kämen, der Burgunder aus dem Mosel-Département und die Elsässer Weine wie auch der Champagner gegen Ende des Jahrhunderts aus Norwegen? Und was wäre, wenn der Luxemburger Wein wie Saar-Weine im Regen ertränkt würden? Diese Gedankenspiele sind nicht aus der Luft gegriffen. Die bereits spürbaren Klimaveränderungen werden auf den Weinanbau – wie übrigens auch in der Landwirtschaft – konkrete Auswirkungen haben.
Der Mai ließ nichts Böses ahnen an der Gironde-Mündung in Frankreich. Und dann kam es urplötzlich. 30 Minuten Gewitter, Sturm, Regen und Hagel zerstörten das Weinjahr 2018 links und rechts der Mündung der Garonne. Trauben werden in diesem Jahr auf 7.100 Hektar nicht mehr wachsen. Im Cognac-Gebiet sind 10.000 Hektar Anbaufläche zerstört. Die Zerstörung geht dieses Mal ins Mark der Winzer. Golfballgroße Hagelkörner zerschlugen auch die Rebstöcke.
Die Bordeaux-Region ist mit ihren 115.000 Hektar das größte zusammenhängende Weinbaugebiet in Frankreich. Die Wetterunbill aus dem Frühjahr 2018 ist nicht die erste, die die Region trifft.
Im Jahr 2013 gab es ein regnerisches Frühjahr, danach Hagel, die die Ernte und die Qualität verdarben. Trotz großer Entwicklungskunst der Önologen gilt der Jahrgang unter Weinkennern nicht als ein idealer. Im vergangenen Frühjahr verdarb Frost den Winzern die Hoffnung auf ein gutes Weinjahr. Die 6.600 Winzer, die es trotz erheblicher Strukturreformen immer noch gibt, müssen lernen, mit einer immer launischer werdenden Natur umzugehen.
Erträge gehen zuletzt deutlich zurück
Die Weinproduktion lag im vergangenen Jahr in Frankreich bei 250 Millionen Hektolitern. Das sind 23 Millionen Hektoliter oder 19 Prozent weniger als 2016. Weniger Wein hatte Frankreich – Nummer zwei weltweit in der Weinproduktion – zuletzt 1957 mit 173 Millionen Hektolitern produziert.
Der weltweit größte Weinproduzent Italien nahm einen Rückgang von 17 Prozent hin und auch der Drittplatzierte, Spanien, sah seine Produktion um 20 Prozent einbrechen, besagt die Statistik der Internationalen Organisation der Weinwirtschaft. Die Gründe waren in allen Fällen Wetterschwankungen, die, in ihrer Häufigkeit und Regelmäßigkeit, auf Klimaveränderungen schließen lassen.
Die Winzer im „Bordelais“ beginnen bereits, sich mit den Folgen des Klimawandels auseinanderzusetzen. Mitte Juli stellte der Önologe des Weinguts „Château Haut-Chaigneau“ in Paris einen bemerkenswerten Versuch vor. Er hatte die für Bordeaux-Weine typischen Rebsorten Merlot und Cabernet-Sauvignon gemischt und daraus einen Rotwein hergestellt.
Nur: Gewachsen waren die Trauben in Tunesien und im Languedoc. Warum? „In 32 Jahren werden wir bei einer Erderwärmung von zwei Grad an der Gironde Verhältnisse haben wie heute im spanischen Toledo“, erklärte er.
Ernüchterung bei der Verkostung
Er wollte wissen, was dann aus dem Bordeaux-Wein wird, wie man ihn heute kennt. Bei einer Blindverkostung gab es Ernüchterung. „Trinkbar, aber dem Wein fehlt es an Finesse. Er hat nicht den Geschmack des Bodens, ihm fehlt die Tiefe“, urteilten die Verkoster, die den Wein auch dem Languedoc zuordneten.
Aber auch bei dieser Zuordnung fiel der Wein durch. Önologe Pascal Chatonnet zieht daraus eine Erkenntnis: „Wenn wir unter den klimatischen Bedingungen von 2050 noch einen guten Wein produzieren wollen, dann können wir das nicht mehr mit den heutigen Rebsorten.“
Wein ist im traditionell schwachen Exportland Frankreich das zweitwichtigste Exportgut nach der Luftfahrt. Die französische Regierung hat daher vor Jahren bereits eine Arbeitsgruppe (GIEC) eingerichtet, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Weinwirtschaft auseinandersetzen soll. Die Arbeitsgruppe geht von einer Erderwärmung von 1,5 Grad in den kommenden 35 Jahren aus und kommt zwischen dem schlimmsten und dem besten Ergebnis zu der Schlussfolgerung, dass sich nicht viel ändern wird. Das ist weit entfernt von dem – nicht repräsentativen – Versuch des Önologen Chatonnet.
Auch Greenpeace kommt zu anderen Ergebnissen. Die Umweltorganisation nimmt nicht einen Zeitraum von 30 bis 35 Jahren für ihre Arbeit an. Sie geht 82 Jahre in die Zukunft. Selbst das ist noch greifbar. Kinder, die heutzutage geboren werden, würden dann 82 Jahre alt sein, eine realistische Lebenserwartung.
Bordeaux-Weine aus Großbritannien
Nach Ansicht der Organisation ist bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer Erwärmung nicht von zwei, sondern von fünf Gard zu rechnen.
Unter dieser Bedingung käme der Bordeaux – die Mischung aus Merlot und Cabernet-Sauvignon, Sauvignon und Cabernet Franc – dann aus Großbritannien. Die Ostsee würde die Weinbau-Bedeutung des Mittelmeeres erhalten. Der Champagner und die elsässischen Weine würden aus Norwegen kommen.
Die reinen Cépage-Weine, wie sie heute im Languedoc angebaut werden, würden dann entlang der Gironde ihre Heimat finden. Da Wein aber nie nur die Traube ist, sondern seinen Geschmack immer auch aus dem Boden zieht, würde nach dieser Langzeitprognose dann, wenn unsere Kinder ihren Lebensabend genießen, kein Wein mehr so schmecken, wie er das heute tut.
Das kann man anzweifeln, als Spinnerei oder Fantastereien abtun. Sicher aber ist, dass die Weinwirtschaft sich in Frankreich mit solchen Gedanken ernsthaft beschäftigt. So fragt sich eine Studie des interprofessionellen Weininstituts in Burgund, ob der traditionelle französische Burgunder tatsächlich noch in Burgund hergestellt werden kann, weil die Klimabedingungen sich verändert haben. Wo der Wein dann angebaut wird, sei nicht sicher. Er wird heutzutage auf einem Boden angebaut, bei dem seit 2100 Jahren die einzelnen Parzellen ausgetestet werden. Daraus zieht er seinen Geschmack.
Die Regionen wandeln sich – wie der Geschmack
Die Studien beruhen alle auf Projektionen des französischen meteorologischen Instituts und berechnen die Auswirkungen dieser Projektionen. Für Burgund ist man eindeutig: Das Klima in Burgund von vor 45 Jahren gibt es heute 100 Kilometer weiter nördlich, schreibt die französische Tageszeitung Le Figaro, die der Weinwirtschaft traditionell breiten Raum gibt.
Ähnliche klimatische Studien gibt es in Deutschland auch für die geografische Region von Saar und Mosel. Sie wird als regenreich eingestuft. Die Zukunft der Weinwirtschaft ist Gegenstand der Forschungen des weinwirtschaftlichen Instituts in Bordeaux. Hier werden Rebsorten aus der ganzen Welt angebaut und darauf getestet, welche Rebsorte die der Zukunft sein wird.
Sicher ist bei den Forschern derzeit nur eins: Der Wein wird in 82 Jahren einen anderen Geschmack haben als der von heute. Allerdings: Unser Wein von heute wäre für die Römer von vor 2100 Jahren wohl auch eine geschmackliche Überraschung.
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Ja, was wäre dann?
Was wäre, es hätte Farnwälder in Luxemburg?
Dann wäre das einfach eine Wiederholung von schonmaldagewesenem.