/ Das Geheimnis hinter dem sauberen Wasser: Neue Trinkwasseranlage in Eschdorf
Der landesweit größte Trinkwasserversorger Sebes („Syndicat des eaux du barrage d’Esch-sur-Sûre“) baut seit Mai 2017 in Eschdorf an einer neuen Anlage zur Aufbereitung von Oberflächenwasser. 2021 soll die erste der beiden Aufbereitungsstraßen erstmals in Betrieb genommen werden. Das Tageblatt hat sich vor Ort darüber erkundigt, wie die Anlage funktionieren wird und wie der Bau voranschreitet.
Text und Fotos von Steve Peffer
Wieso eine neue Anlage? 79 von 102 Gemeinden in Luxemburg werden mindestens teilweise durch das „Syndicat des eaux du barrage d’Esch-sur-Sûre“ mit Trinkwasser versorgt, welches überwiegend aus dem Obersauer-Stausee gewonnen wird. Die bestehende Aufbereitungsanlage in Esch/Sauer, die das Seewasser trinkfertig macht, kann pro Tag maximal 72 Millionen Liter Wasser bereitstellen. Zählt man die 38 Millionen Liter Grundwasser, das aus Reservebohrungen an vier Standorten gefördert werden kann, hinzu, kann Sebes insgesamt bis zu 110 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag an die angeschlossenen Gemeinden liefern.
Das hört sich erst einmal nach sehr viel an, bei wachsender Bevölkerung wird diese Grenze jedoch bald erreicht sein. So wurden im letzten Jahr an Spitzentagen fast 94 Millionen Liter Sebes-Wasser verbraucht. Da es zu riskant wäre, die laufende Anlage zu vergrößern, wurde 2011 beschlossen, in Eschdorf eine neue zu errichten. Am gleichen Standort befindet sich ohnehin der Haupttrinkwasserbehälter der Sebes, dessen Fassungsvermögen im Rahmen des Gesamtprojekts von 35 Millionen auf 50 Millionen Liter erweitert wird.
Doppelt genäht hält besser
Die neue Anlage soll auf ihren vier Stockwerken täglich bis zu 110 Millionen Liter Wasser aufbereiten können. Ihre bemerkenswerteste Eigenschaft ist jedoch die, dass es sich eigentlich um zwei eigenständige und voneinander getrennte Anlagen handelt. Auch das Leitungssystem von der Wasserentnahme bis zum Verteiler in „Schankengraecht“ rund acht Kilometer südlich von Eschdorf wird mit diesem Projekt verdoppelt. Auf diese Weise wird das Risiko eines Totalausfalls bei einem Brand oder Leitungsbruch minimiert.
Die neue Anlage arbeitet zudem effizienter. Aktuell dauert der Aufbereitungsprozess des Rohwassers etwa acht Stunden und soll auf unter drei Stunden reduziert werden, das bei 15 Prozent weniger Stromverbrauch. Hierbei muss erwähnt werden, dass Sebes seinen Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien bezieht.
Neues Pumpwerk und Verwaltungsgebäude
Neben der Wasseraufbereitungsanlage wird ein vierstöckiges Verwaltungsgebäude mit 25 Büros für die Angestellten, Sitzungssälen, einem Besucherzentrum und einem Labor errichtet. Ergänzt wird das Gelände durch eine Garage, mehrere Ateliers und zwei Lagerhallen. In Esch/Sauer, 500 Meter unterhalb der Staumauer, entsteht außerdem ein neues Pumpwerk, welches das geschöpfte Seewasser grob reinigt und nach Eschdorf hochpumpt.
Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 166 Millionen Euro, zusammengesetzt aus den Kosten für den Bau bzw. die Erweiterung der Gebäude und Leitungen sowie für den Abriss der alten Anlage, einem Sicherheitsfonds und diversen Nebenkosten. Auf eine Betriebsdauer von 30 Jahren hochgerechnet ist der Neubau trotzdem rund 50 Millionen Euro günstiger, als es der Umbau der bestehenden Anlage gewesen wäre.
Wussten Sie schon,
dass der Schlamm, der nach der Wasserreinigung zurückbleibt, in der Zementindustrie weiterverarbeitet wird? Die Menge der Trockenmasse beläuft sich auf etwa 200 Tonnen pro Jahr.
Zur Entstehung der Sebes
Mit der großherzoglichen Verordnung vom 31. Juli 1962 zum Bau einer nationalen Trinkwasser-Infrastruktur wurde der gesetzliche Rahmen für die Gründung des „Syndicat des eaux du barrage d’Esch-sur-Sûre“ im darauf folgenden Jahr geschaffen. Erster Präsident des Syndikats war Victor Feyder. Die aktuelle Anlage zur Aufbereitung des Seewassers sowie das Versorgungssystem wurden 1969 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Inszwischen kommt etwas mehr als die Hälfte des nationalen Trinkwassers von der Sebes.
Wie aus Stauseewasser Trinkwasser wird
Analysen zufolge sind im Wasser des Obersauer-Stausees weder schädliche Schwermetalle noch krebserregende Stoffe enthalten. Trinken kann man es im natürlichen Zustand trotzdem nicht, da Bakterien, Viren, Tierkot, Algen und weitere ungenießbare Stoffe enthalten sind. Schließlich ist der See ein Lebensraum vieler Organismen. Doch wie wird das Seewasser nun trinkbar? Sebes-Direktor Georges Kraus fasst den Aufbereitungsprozess in sechs Etappen zusammen:
1. Vorfiltrierung
Bevor das Rohwasser in die Aufbereitungsanlage geleitet wird, werden in der Pumpstation alle Feststoffe mit einer Größe von über 0,1 Millimetern entfernt. Mit winzigen Rillen versehene, tellerförmige Elemente werden aufeinandergepresst und lassen das Wasser durchlaufen, während der grobe Schmutz zurückbleibt.
2. Flockung und Ultrafiltrierung
Um auch die kleineren Schmutzpartikel loszuwerden, wird dem Wasser Eisen zugesetzt, auf welchem sich ein Großteil dieser Stoffe absetzt. Anschließend wird das Wasser in tausende Trinkhalm-ähnliche Rohre geleitet, dessen Membranen mit mikroskopischen Löchern versehen sind. Das Wasser wird mit Hochdruck durch diese Löcher gepresst. Bei einer Größe von 20 nm sind sie sogar kleiner als Viren, sodass alle Mikroorganismen und Eisenpartikel mechanisch zurückgehalten werden.
3. Mineralzusatz
Das Seewasser ist von Natur aus sehr mineralarm, wodurch es aggressiver ist und Leitungen durch Korrosion schädigen kann. Das gefilterte Wasser wird mit Kohlendioxid und Kalziumkarbonat angereichert, um es „aufzuhärten“. So lässt es sich auch besser mit dem Grundwasser vermischen.
4. Pestizid-Entfernung
Dem Wasser wird Ozon (O3) in einer Menge von 1,6-4 mg/l beigemischt. Eventuelle Rückstände von Pestiziden und Medikamenten werden zerstört, indem die instabilen Ozonmoleküle sich aufspalten und die Fremdstoffe oxidieren lassen.
5. Biofiltrierung
Im Wasser gelöste organische Materie wird mit einer zweifachen Filtrierung durch Kohle entfernt. Im zweiten Durchgang wird Aktivkohle verwendet, die eine starke adsorbierende Wirkung hat.
6. Desinfizierung
In der letzten Etappe wird das Wasser durch UV-Licht komplett desinfiziert. Dieses ist geschmacks- und geruchsneutral und garantiert, dass das Wasser tatsächlich keimfrei an den Verbraucher geliefert wird.
Der Obersauer-Stausee
Mit einer Fläche von 3,8 km2 und einer maximalen Tiefe von 43 Metern ist der Obersauer- Stausee das größte Gewässer Luxemburgs. In seiner aktuellen Form existiert er allerdings erst seit 1959. Bis dahin wurde die nationale Trinkwasserversorgung fast ausschließlich durch das Grundwasserreservoir des Sandsteingebiets im Gutland gewährleistet, das sich auf etwa 12 Prozent der Landesfläche erstreckt.
Das galoppierende Wachstum der Bevölkerung, deren Wasserverbrauch bei verbessertem Lebensstandard ebenso in die Höhe schoss, alarmierten einst den Staatsgeologen Dr. Michel Lucius. Er forderte die Behörden dazu auf, ergänzende Trinkwasserreserven zu schaffen. So wurde zwischen 1953 und 1958 schließlich die Esch/Sauer-Talsperre nach den Plänen des französischen Ingenieurs André Coyne gebaut.
Sie ist 47 Meter hoch und an ihrer Basis 4,50 Meter dick. Bereits sechs Jahre nach seiner Füllung wurde der Stausee das erste Mal entleert, um eine feste Rohwasser-Entnahmeleitung zu installieren. 1991 erfolgte die zweite Entleerung aufgrund dringend notwendiger Reparaturen an der Staumauer. Außerdem wurde bei dieser Gelegenheit der sogenannte Provar errichtet, ein 22 Meter hoher Saugarm, der in variabler Höhe 1.200 Liter Rohwasser pro Sekunde abschöpft. Dieser erlaubt es, je nach Saison das Wasser aus der Tiefe zu entnehmen, in der das Algenvorkommen am geringsten ist.
Der Stausee ist neben seiner Rolle als Trinkwasserreserve unter Badegästen sehr beliebt, zudem wird er zur Stromproduktion genutzt. Diese ermöglichen zwei große Turbinen mit einer Leistung von 5.500 kW an der Basis der Talsperre sowie sieben kleinere, die auf vier Wehre im Flussabschnitt unterhalb der Mauer verteilt sind.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos