Prozess um Gaston Vogels BriefDarüber, was man noch sagen darf

Prozess um Gaston Vogels Brief / Darüber, was man noch sagen darf
Me Gaston Vogel und sein Verteidiger Me François Prüm bei Prozessbeginn vor zwei Wochen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Ein sechs Jahre alter Brief über Bettler beschäftigt das Gericht. Am 12. November fällt das Urteil. Gegen den Anwalt Gaston Vogel als Verfasser sowie gegen Journal und RTL, weil die Medienhäuser das Schreiben als Leserbrief veröffentlicht haben. Hetze oder Wachrütteln, das ist die Frage. Schwarz oder Weiß reicht als Antwort nur bedingt. Über allem schwebt auch die Frage, was man denn eigentlich noch sagen darf.

Was darf man sagen, was darf man schreiben und veröffentlichen? So lässt sich schnell zusammenfassen, worum es am Freitag vor einer Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg ging.

Hintergrund ist ein offener Brief von Gaston Vogel aus dem Jahr 2015. In diesem Brief wendet sich der bekannte Anwalt an die Bürgermeisterin der Hauptstadt und regt sich mit kräftigen Worten über die Situation eines gewissen Bettlertums auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg auf. Vor Gericht muss er sich deshalb nun wegen Aufruhr zu Hass und zu Gewalt verantworten. Das Journal, damals noch Papierzeitung, und RTL veröffentlichen dieses Schreiben in ihren jeweiligen Leserbriefrubriken. Beim Prozess sitzen sie nun mit auf der Anklagebank.

„Eine Zumutung“

Kafkaesk, also irgendwie absurd und bedrohlich, nennt Gaston Vogel den Prozess gleich zu Beginn der Sitzung. Nein, er habe nichts gegen Bettler, er habe auch nichts gegen das Volk der Roma, aber innerhalb der Bettler gebe es welche, die aus Rumänien kommen und ein eher aggressives und wenig soziales Verhalten an den Tag legen und mit einer, so haben wir es jedenfalls verstanden, gewissen kriminellen Energie ein „gewerbemäßiges Betteln“ betreiben würden. Diese Leute, so lassen sich die Aussagen von Gaston Vogel verstehen, würden vor seiner Haustür lungern und ihm das Leben schwer machen. „Eine Zumutung.“ Und die habe er nicht länger ertragen wollen.

Sein Brief sei kein Aufruf zu Hass oder Gewalt gewesen, aber ein Aufruf an die Politik und sonstige Autoritäten, endlich etwas gegen diese Situation zu unternehmen, so der Beschuldigte. Ja, er habe harte Worte genutzt, einzig und alleine aber, um auf eine seit Jahren währende Schieflage hinzuweisen. Dass es eine solche Situation gibt und sie auch heute noch nicht besser ist, haben übrigens Bürgermeisterin Lydie Polfer und der hauptstädtische Schöffe Laurent Mosar am ersten Prozesstag bestätigt. „Ihm sei der Kragen geplatzt, weil niemand jemals etwas Konkretes unternommen habe“, sagt Gaston Vogel vor Gericht. 

Für die Verteidigung von Gaston Vogel ist klar: Ein Rassist sei er nicht, zum Hass oder Gewalt aufrufen würde er auch nicht. Sein Brief sollte aufrütteln, vor allem, weil er ergebnislos versucht habe, auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Ein solcher Brief, obendrein aus der Feder von einem bekannten Anwalt und eine Situation beschreibend, die viele kennen und nicht mögen, habe die Medien unter anderem veranlasst, das Schreiben in der Rubrik Leserbrief zu veröffentlichen. So kann man die Anwälte der mitangeklagten Medien CLT-UFA (RTL) und Journal verstehen.

Bei der Frage, ob Gastons Vogels Worte eher Hetze oder Situationsbeschreibung sind und ob es rechtens war oder ist, sie in den Medien zu publizieren, gehen die Meinungen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft wie erwartet weit auseinander.

Hetze oder Wachrütteln?

Die Auseinandersetzung ist interessant, aber nicht neu. Auch der Hintergrund, das Betteln, ist bekannt, wenn auch beunruhigend, besonders in seiner aggressiveren Form. Bekannt ist auch der Autor des Briefes, ein stimm- und wortgewaltiger Anwalt. Wegen seiner Wortwahl musste er sich allerdings noch nie selbst vor Gericht verantworten.

Rassismus liege nicht in den Genen des Schreibers, so seine Verteidiger, Me Lydie Lorang und Me François Prüm. Er habe nicht zu Hass und Gewalt aufgerufen, sondern beschrieben, was Sache ist und warum ihn das Ganze störe. Das sieht auch der Anwalt von RTL, Me Pol Urbany, so. Dass die Presse den Leserbrief veröffentlicht, sieht er als Beitrag zu einer Diskussion, derer sich eine Gesellschaft stellen müsse, wenn sie nicht eine Meinung unterdrücken wolle, was zu einer Art Radikalisierung führen könnte.

Genau eine solche Radikalisierung könnte der Brief von Gaston Vogel aber provozieren, so Staatsanwalt Georges Oswald. Die Wortwahl sei diskriminierend, entwürdigend und würde ein Klima von Feindseligkeit fördern, das vielleicht einige dazu ermuntern könne, einen Schritt weiterzugehen. 

Wie der Brief letztendlich zu werten und zu be- oder verurteilen ist, darüber müssen nun die Richter entscheiden. Am 12. November geben sie ihr Urteil bekannt. 

Grof Georges
17. Oktober 2021 - 19.17

@ Catherine Gaeng: La conclusion est juste, ce n'était pas un homme de gauche. Et l'honorable maître Vogel a fait une erreur. Il aurait du faire ses doléances en forme de rap, comme le petit rappeur, fort de taille, qui a pu insulter impunément le Grand Duc.

Nomi
17. Oktober 2021 - 13.44

D'Politik, d'Police an d'Justiz provozei'eren, durch hir Ontaetegkeet, so'u Entgleisungen !

Catherine Gaeng
16. Oktober 2021 - 19.38

Nice 2013, au cours d’une conférence de presse, un monsieur évoque les « quelques centaines de Roms qui ont dans la ville une présence urticante et disons odorante. » La Ligue des droits de l’homme s’en est émue, la justice aussi. Poursuivi pour provocation à la haine et à la discrimination, le monsieur a assuré : « La haine est un sentiment qui m’est parfaitement étranger. » Ce à quoi l’avocat général a répondu qu’il ne savait pas si la haine est un sentiment présent chez ce monsieur, mais que ce n’était pas ce qu’on lui reprochait : « Ce qu'on lui reproche, ce sont des propos qui sont de nature à jeter l'opprobre sur cette communauté. » Et le monsieur a été condamné à 5000 euros d’amende. Il est vrai que ce n’est pas un homme de gauche. Il s’appelle Jean-Marie Le Pen.

Observer
16. Oktober 2021 - 15.16

Kein Kommentar! Zu riskant.

monopol scholer
16. Oktober 2021 - 13.35

Man, Vogel, kann auch auf eine bestehende Problematik aufmerksam machen, ohne ausfällig zu werden, sogar wenn er im Recht ist. @ Patrick W., Sie haben vollkommen recht: die Schwächsten schreien am lautesten. Wären sie wirklich stark, bräuchten sie keinen starken Vertreter, der schreiend und polternd zeigt wie schwach er tatsächlich ist. Ein reifer , intelligenter Bürger braucht keinen Leithammel. " Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiss! ".

Laird Glenmore
16. Oktober 2021 - 13.24

Wo ist denn hier die Meinungs - und Redefreiheit wenn die Justice es so hinstellt wie sie es gerne hätte und einem das Wort im Mund verdreht nur um einen Menschen der die Wahrheit spricht an den Pranger Stellt, wir sind doch nicht mehr im Mittelalter wo wir als Leibeigne zu kuschen haben. Ich persönlich gebe G. Vogel recht, hier in Esch sur Alzette spielt sich das gleiche ab, abe schon beobachtet wie ältere Frauen richtig bedräng worden und wenn sie nichts gaben sogar beschimpft worden sind, wenn mir das passieren würde hätte die Person aber echte Probleme mit mir, aber dafür haben wir ja unsere Polizei die lieber im Büro sitzt oder mit dem Wagen über die Füßgängerzone fährt statt Patrouille zu laufen.

Jacques Zeyen
16. Oktober 2021 - 11.38

" Wohltätigkeit ist das Ersaufen des Rechts im Mistloch der Gnade" so ein bekannter Satz des Sozialreformers Pestalozzi. Statt die Hintergründe für die Bettelei zu untersuchen und etwas gegen das Elend zu tun,beruhigen wir unser Gewissen und spenden milde Gaben.Als würde das die Leute aus ihrer Situation herausholen. Dem würde Me Vogel sicher auch zustimmen.Wenn wir aber durch kriminelle Organisationen,wie es hier der Fall ist, im eigenen Land belästigt werden,dann ist das eine neue Dimension und das hat mit Respekt gegenüber diesen Leuten nichts mehr zu tun. Stattdessen wird der Spieß umgedreht und ein Kritiker mit etwas Restcourage bekommt ein Verfahren an den Hals um ihn mundtot zu machen. Heuchelei vom Feinsten.

Wieder Mann
16. Oktober 2021 - 11.34

Die „Political Correctness „ vertreibt die Freiheit für die sie einsteht und wird zum Lobbyisten für die Zensur.

Patrick W.
16. Oktober 2021 - 11.05

Op Däitsch seet een: "Die gemeinsten Sprüche sind die beste Promotion". Schlëmm genuch deen rassisteschen Ausrutscher ! En ass ukomm bei de Leit. Meeschtens rifft e "schwaacht Vollek" no engem "staarken Mann". Dat gesinn mer an der Politik an och hei, all déi Unhänger/innen déi do "mat-schwärmen" mam Held. Hoffen dat d'Urteel trotzdeem keng Belounung wäert sinn.

Vogel friss.....
16. Oktober 2021 - 10.56

Wenn ein Vogel getestet und geimpft ,also gezähmt freiwillig die Zirkusmanege betritt dürfte von Hass keine Rede sein,oder ? Das was in Frankreich als Wahrheit gilt «  un oiseau qui vole sait de quoi il parle  » wird ja heute in Luxembourg als Hass bestraft !

Leila
16. Oktober 2021 - 10.34

Kann mich noch bestens daran erinnern, als "Betteln und Hausieren" verboten war...