VerfassungIm Fokus des CSV-Dissenses – Michel Wolter und die Referendums-Initiative

Verfassung / Im Fokus des CSV-Dissenses – Michel Wolter und die Referendums-Initiative
Martine Hansen, Gilles Roth und Michel Wolter äußern sich zum neuen CSV-Vorstoß Foto: Editpress/Julien Garroy

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Mit der Ankündigung, im Falle von 25.000 Unterschriften ein Verfassungsreferendum zu unterstützen, hat die CSV am Mittwoch die Mehrheitsparteien DP,  LSAP und „déi gréng“ überrascht. Woher der plötzliche Sinneswandel kam, will aber niemand bei den Christsozialen preisgeben. Besonders ein Name wird jedoch immer wieder genannt: Michel Wolter. Dieser weist den Vorwurf von sich und verweist auf die Relevanz der zur Wahl stehenden Kapitel.

Die Revision der Luxemburger Verfassung scheint dazu verdammt zu sein, sich in politischen Ränkespielen zu verlieren. Nachdem die CSV 2018 nach den verlorenen Wahlen den bisherigen Verfassungskonsens auf den Kopf gestellt hatte, gerät das Projekt zur Modernisierung der Verfassung erneut unter Beschuss – und auch dieses Mal ist die CSV federführend beteiligt. Mit der Ankündigung, das Bestreben nach einem Referendum im Falle von 25.000 Unterschriften von volljährigen Unterzeichnern bei einer derzeit laufenden Petition doch noch unterstützen zu wollen, hat keiner gerechnet – am allerwenigsten die Mehrheitsparteien LSAP, DP und „déi gréng“, die sich eigentlich mit der CSV auf einen Fahrplan ohne Referendum geeinigt hatten – und von der Ankündigung von CSV-Präsident Claude Wiseler am Mittwoch im Plenum sichtlich überrascht wurden.

„Wir stehen zu den Rechten der Bürger und wir unterstützen die Petenten, die eine Debatte zum Referendum in der Chamber wünschen“, sagt der Präsident der Verfassungskommission, Mars Di Bartolomeo (LSAP), am Donnerstagnachmittag im Gespräch mit dem Tageblatt. „Und es wird zu einer Debatte im Parlament kommen.“ Die LSAP würde ihre Meinung aber nicht dauernd ändern. Bedenken äußerte Di Bartolomeo vor allem zum Vorschlag der CSV, dass nur die Unterschriften der volljährigen Unterzeichner gezählt werden sollen. „Aber das funktioniert so nicht. Für eine Petition ist das Personenregister die Basis, die jeder eingetragenen Person über 15 Jahren das Recht gibt, über eine Petition abzustimmen.“ Nun einzelne Personen nach Alter oder Staatsbürgerschaft herauszufiltern, sei nicht mehr möglich. „Dieses Manöver hat gezeigt, dass weder die Fraktionspräsidenten noch der Parteipräsident, sondern Michel Wolter die Partei gerade anführt.“

Der CSV-Politiker Michel Wolter steht also im Fokus des Dissenses innerhalb der CSV-Fraktion und wurde dem Tageblatt mehrfach genannt. Wolter befürchtet, dass der jetzige Kurs der CSV am Ende der ADR nütze, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Die Christsozialen ließen sich von Wolter und der ADR vor sich hertreiben. Tatsächlich soll sich Michel Wolter schon im Zuge der Ratifizierung der europäischen Verfassung im Jahr 2005 gegen keinen Geringeren als den damaligen Premierminister Jean-Claude Juncker durchgesetzt und eine Volksabstimmung erzwungen haben.

Wolter reagiert: „Wen interessiert das?“

Michel Wolter reagiert im Tageblatt-Gespräch auf den Vorwurf, dass er hinter dem Vorschlag der CSV stehe. „Wen interessiert das?“, fragt Wolter. „Der Vorschlag kam nicht von mir und diese Entscheidung ist auch nicht erst gestern gefallen.“ Die Sachlage sei deutlich komplexer. Mit der ersten Abstimmung sei eine legale Prozedur angestoßen worden. Die Abgeordnete hätten jetzt 60 Tage Zeit, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen. „In diese 60 Tage fällt jetzt die Deadline der Petition, die es der Partei ermöglicht zu evaluieren, ob der Wille nach einer Volksabstimmung vorhanden ist.“ Wenn sich dieser Wille bemerkbar mache, würde die CSV die entsprechende Prozedur anstoßen.

Warum sich die CSV aufgrund ihrer Fraktionsstärke nicht direkt zu diesem Schluss entschieden habe? „Die Wahrscheinlichkeit, 25.000 Menschen mit der Petition zu mobilisieren, ist größer, als dass die gleichen Menschen sich viermal ins Gemeindehaus zur Unterschrift bewegen“, sagt Michel Wolter. Die Frage, warum die Christsozialen eine Kehrtwende vollzogen haben, wollte der CSV-Politiker nicht stehen lassen. „Wir haben keine Kehrtwende vollzogen, sondern einen neuen Weg aufgezeigt, der noch immer im Rahmen des Möglichen war“, sagt Wolter. Immer mehr Menschen würden sich auch durch die Covid-Krise nicht mehr durch die Politik repräsentiert fühlen. Eine vielschichtige Bewegung würde nun ein Referendum zu den „meiner Meinung nach vier wichtigsten Kapiteln der Verfassung“ fordern. „Wir folgen dem basisdemokratischen Reflex, diese Entscheidung nun in die Hände der Bevölkerung zu legen“, sagt Wolter. „Wir schauen jetzt, was bis zur Deadline der Petition am 8. November passiert und ob das nötige Quorum erreicht wird.“ Dann sei auch egal, wenn sich ein paar Minderjährige oder Ausländer unter den Petenten befinden würden. Es gehe der Partei um eine gewisse Größenordnung und nicht um genaue Zahlen.

„Nicht optimal“

Ob Wolter tatsächlich hinter dem Vorstoß der CSV steht, will der CSV-Co-Fraktionsvorsitzende Gilles Roth nicht weiter kommentieren. „Ich nenne keine Namen, aber ich kann bestätigen, dass es unterschiedliche Sichtweisen zum Verfassungsreferendum gab – was aber in einer Volkspartei ganz normal ist“, sagt der Co-Fraktionsvorsitzende gegenüber dem Tageblatt. „Der Vorschlag, den Claude Wiseler unterbreitet hat, ist der Versuch eines Konsenses, in dem sich jeder der 21 CSV-Abgeordneten – wenn auch nicht optimal – wiederfinden kann, und dieser wurde am Dienstagabend sogar von einem Nationalkomitee genehmigt.“ Es habe jedoch niemand den Gesetzentwurf infrage gestellt – insbesondere, da der CSV-Abgeordnete Léon Gloden Berichterstatter des Gesetzes sei. „Wenn eine größere Bewegung an Menschen existiert, können wir die nicht einfach ignorieren“, sagt Roth auf die Petition angesprochen. Man habe die Debatte nicht abwürgen wollen.

Dass Teile der CSV-Fraktion von Wolters Vorstoß in der Chamber überrascht wurden, streitet auch die Co-Vorsitzende Martine Hansen ab. „Wir wurden nicht überrumpelt“, sagt Hansen. „Wir haben schon immer gesagt, dass wir das unterstützen wollen, wenn wir spüren, dass viele Leute für ein Referendum sind.“  Den Sinneswandel der CSV versucht die Fraktionsvorsitzende mit dem parteiinternen Stellenwert der Verfassung zu erklären. „Die Verfassung ist uns extrem wichtig, sie liegt uns sehr am Herzen“, sagt sie. „Wir sind eine demokratische Partei, die so etwas demokratisch regelt.“ Man habe keine Angst vor einem Referendum – auch wenn man sich während der parlamentarischen Arbeit auf eine Überarbeitung in vier Kapiteln ohne Referendum mit den Mehrheitsparteien geeinigt habe.

Der parallel laufende „Frëndeskrees“-Prozess, bei dem Frank Engel einige Parteiinterna vor Gericht preisgegeben hat, gibt der plötzlichen Aufregung um den eigentlich klar geregelten Fahrplan zur Revision der Verfassung eine weitere Dimension. Ob der Vorschlag der CSV nur ein Ablenkungsmanöver sei? „Sicherlich nicht, das wäre ein ganz schwerer Vorwurf“, sagt Martine Hansen dem Tageblatt. Léon Gloden, Berichterstatter zum Gesetzestext, der das Justizkapitel der Verfassung überarbeiten sollte, war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Knouterpaetter
27. Oktober 2021 - 11.41

C'est rien que la Verite qui blesse! Quo vadis CSV????

uma
22. Oktober 2021 - 12.48

@migg "Déi ganz CSV Partei eekelt een sou lues un!" Eis huet se nach ëmmer ugeekelt.

alouise
22. Oktober 2021 - 12.47

Die heilige Martine zerstört die CSV, hätte nie gedacht, dass eine Frau das Ende einläutet.

Paul Moutschen
22. Oktober 2021 - 12.30

Gudden Mëtten, @ Good old times: Secherlech hudd Dir Recht. Mee wat wëll een elo geint deen maachen deen d'Gesetzer schreift oder stëmmt? Deen decideiert wei heisch seng Pei ass? Deen decideiert ween wou schaft an deen decideiert ween wou Geld verdingt? Majo gur an glad neischt! Mir sinn deenen ausgeliewert! Dach et geif eng Meiglechkeet ginn. Et mist eng Partei - oder op manzt een Politiker - sech dohin stellen an soen mir maan et elo richteg. Ech denken awer net dass et deen gëtt oder dass deen geschwënn opdaucht. Eisen politeschen System wei en elo ass ass um Ënn. Mee gëtt et een besseren? Mat frëndlechen Gréiss Paul Moutschen

MarcL
22. Oktober 2021 - 12.04

Die CSV fällt ihren eigenen Leuten - welche massgeblich am Verfassungstext gearbeitet haben - der Reihe nach in den Rücken, zuerst Paul-Henri Meyers, jetzt Léon Gloden. Diese Partei ist der reinste Schlangenkorb. Pfui Teufel!

Good Old Times
22. Oktober 2021 - 11.53

@Moutschen: Nennt mir weg. eng Partei hei am Land déi den Wiehler sain Vertrauen schenken, eppes gleewen kann, déi den Bezuch zur Realitéit net verluer huet an wees wou den Bierger den Schong dréckt. Ech gesinn se nemmen all an engem Boot setzen fir um Enn vum Mount hir Pei anzestiechen an op laang Siicht sech nach en Verwaltungsposten ze secheren.Esoulaang den Politiker net verantwortlech fir sain falsch Handelen, d’Steiergelder ze verpolveren gemeet get, zielt just d’Muecht.

migg
22. Oktober 2021 - 11.23

Déi ganz CSV Partei eekelt een sou lues un! Déi sollen hiir Goussklappen sou lues ganz zouhaalen....................

Paul Moutschen
22. Oktober 2021 - 9.36

Gudden Moien, d'CSV ass dann domadder gestuewen. Ween 2 Joer virun den Wahlen net wees wei een sech gutt verkeeft deen huet och an 2 Joer neischt an enger Regierung verluer. Zick Zack ass heikstens am Sport oder am Bitzen gutt. CSV hunn keng Jonk dei prett sinn an dei aktuell Fraktioun huet sech mam Putsch geint den Engel selwer ofgeschoss. Iwerhapt sinn sie derbei sech schon zouzescheppen, d'Lach ass lang ferdeg. Dat mam Engel ass och nach ent ausgestaanen an do ginn nach interessant Saachen gesot. Dem Engel seng Affekotin huet jo schon d'Wuert Putsch an den Mont geholl. Do sinn ech gespaant wei mies sech d'Hansen do rem aus der Situatioun rausrieden wärt. Fir Hansen an Roth gëtt et iwerhapt ganz ganz enk. Ech mengen sie können sech rem no engem normalen Beruff ëmkucken. Den Réckzuch an den Frëndeskrees hunn sie sech jo selwer verschass an wann se dach d'Onverschämtheet opbrengen geifen dann geheieren se wirklech zum miesesten wat et esou an der Politik gëtt. Aktuell ass wirklech der CSV hier Approche mat engem blöden Internet Witz gutt zesummen gefaast: Fro: Wei blöd kann een sech staatsmännech behuelen? CSV: Jo Wahrscheinlech ass den Michi Wolter mat sengem Virstous beit ADR nach den schlausten vun allen. Dann sief hei awer nach erwähnt dass d'Joffer Oberweis durch hieren openen Bréif hei och Dei Lenk an engem schlechten Licht stoen leist. Dat war jo dann och totalen Schwachsinn deen ze schreiwen fir dann net dergeit ze sinn. Och Piraten hunn do net geglänzt. Dem Clement hat ech mei zougetraut. Mat frëndleche Gréiss Paul Moutschen

Klitz
21. Oktober 2021 - 22.13

Die einst nach ihrem Selbstverständnis „staatstragende“ Partei gibt mit ihrem Zickzackkurs das Image eines aufgescheuchten Hühnerstalls ab. Wirklich konstruktive und ernst zu nehmende Oppositionspolitik sieht anders aus. Und die Affäre um den Feindeskreis zieht sie noch weiter runter.