Ciao Chef: Unerreichbar sein im Feierabend

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Die öffentliche Petition Nummer 1057, die seit Dienstag online ist, fordert, das Recht auf Abschalten im Arbeitsrecht zu verankern. Es ergebe keinen Sinn, dass Arbeitnehmer jederzeit E-Mails und Nachrichten lesen und beantworten müssen, alleine deswegen, weil es technisch möglich sei, erklärt der Petitionssteller Mohamed Shiha. Er möchte Arbeitszeit und Privatleben endlich wieder voneinander trennen können.

Wer kennt es nicht? Gerade freut man sich auf den wohlverdienten Feierabend, schon meldet sich der Chef per SMS oder Messenger auf dem Smartphone. Man solle noch schnell dies und das erledigen oder sich auf dieses und jenes für den nächsten Tag vorbereiten. In manchen Fällen kann das Senden solcher Nachrichten sogar die Form von Belästigung oder Stalking annehmen. Etwa wenn der Chef Dutzende von Nachrichten hintereinander sendet. Oder wenn er im Urlaub oder mitten in der Nacht anruft, weil ihm gerade etwas eingefallen ist und er meint, nicht bis zum nächsten Tag oder zur nächsten Woche damit warten zu können.

Um diese Praxis künftig zu unterbinden oder zumindest auf ein Minimum zu reduzieren, hat der gebürtige Ägypter Mohamed Shiha vor etwas mehr als einem Monat eine öffentliche Petition eingereicht, die das Ziel verfolgt, das Recht auf Abschalten gesetzlich zu verankern. Eine Forderung, die auch der OGBL bereits gestellt hat. Mohamed Shiha arbeitet seit 14 Jahren für ein multinationales Telekommunikationsunternehmen. Er weiß demnach, wovon er spricht. 2012 hat er eine Stelle in Luxemburg angenommen und ist mit seiner Frau und seinen drei Kindern hierhergezogen.

„Als Anfang der 1990er Jahre die flächendeckenden Mobilfunknetze und die ersten Mobiltelefone auf den Markt kamen, hatten die Menschen plötzlich ständig Zugang zu ihrem Telefon und konnten überall Nachrichten schreiben“, erklärt Mohamed Shiha. Am Anfang sei das Mobiltelefon jedoch nur für Notfälle benutzt worden. Mit der Einführung der ersten Blackberrys Ende der 1990er Jahre sei dann ein Paradigmenwechsel eingetreten. „Vor allem Geschäftsleute hatten nun rund um die Uhr Zugriff auf ihre E-Mails. Das hat die Art und Weise, wie wir leben, dramatisch verändert“, erklärt der gelernte Ingenieur. In vielen Fällen sei es heute nicht mehr notwendig, physisch im Büro anwesend zu sein, um seine Arbeit zu erledigen.

Entschädigung für Arbeitnehmer

Die Smartphones würden unser Leben aber nicht nur erleichtern, sondern brächten auch viele Unannehmlichkeiten mit sich. Shiha verweist auf die zahlreichen Verkehrsunfälle, die wegen des Mobiltelefons zustande kommen. Eine andere Unannehmlichkeit sei, dass die Menschen nun 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche erreichbar seien. Dadurch komme die Freizeit häufig zu kurz, sagt Mohamed Shiha. Eine weitere Nebenwirkung dieser ständigen Erreichbarkeit seien erhöhter Stress und ein Ansteigen des Burn-out-Risikos. Diese Phänomene hätten nicht nur negative Konsequenzen für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber, weil sie die Zahl der Krankheitsfälle erhöhen und damit die Produktivität senken.

Deshalb fordert der Petitionssteller, das Recht auf Abschalten im Arbeitsrecht zu verankern. In Frankreich gebe es bereits solche gesetzliche Bestimmungen und auch die luxemburgische Arbeitnehmerkammer CSL habe in einer Untersuchung festgestellt, dass Angestellte, die in einer digitalen Umgebung beschäftigt seien, eine geringere Lebensqualität aufweisen. Deshalb fordert Mohamed Shiha, dass das Arbeitsgesetz klar regeln sollte, wann Unternehmen berufliche E-Mails an ihre Angestellten senden dürfen, und verlangt eine finanzielle Entschädigung für die Arbeitnehmer, wenn die Firmen sich nicht daran halten. Angestellte, die außerhalb der Arbeitszeit nicht auf Nachrichten antworten, dürften keinesfalls finanziell benachteiligt oder deswegen entlassen werden, fordert Shiha.

Hohe Strafen bei Verstößen

Arbeitgeber, die sich nicht an diese gesetzlichen Regeln halten, sollten mit hohen Strafen belegt werden. Natürlich hat Mohamed Shiha Verständnis dafür, dass es Berufe gibt, in denen Ausnahmeregelungen gelten müssen. Ärzte beispielsweise oder Polizisten. Doch auch sie sollten für ihren Bereitschaftsdienst angemessen entschädigt werden.
Und auch in anderen Berufsfeldern könne es manchmal nützlich sein, wenn die Angestellten erreichbar sind. „Wenn es wirklich ein Notfall ist, habe ich kein Problem damit. Es ergibt aber keinen Sinn, dass ich E-Mails jederzeit lesen und beantworten muss, nur weil es technisch möglich ist“, sagt Mohamed Shiha. Er möchte in seiner Freizeit endlich wieder mehr Zeit für seine Familie haben.

Die öffentliche Petition Nummer 1057 kann noch bis zum 4. September auf der Internetseite des Parlaments (www.chd.lu) unterzeichnet werden.