Präsident Trump hat versucht, und versucht vielleicht weiterhin, auszuloten, was er auf der internationalen Bühne ausrichten, wie er geopolitische und geoökonomische Gleichgewichte zugunsten seines Landes verschieben kann. Wer gibt klein bei, wer widersteht? Seine Methode besteht darin, Drastisches anzukündigen, aber auch, da er ein gewiefter Geschäftsmann ist, schnell bereit zu sein, seinen Kurs zu ändern, ohne sich lange zu grämen oder gar zu schämen. Eine Art Fechten mit stumpfen Klingen sozusagen.
Doch der amerikanische Präsident hat sich offensichtlich in mancher Hinsicht verspekuliert, hat zu hoch gepokert. Die recht schmerzhafte Lektion für die USA lautet: Die USA sind nicht mehr das Maß aller Dinge, nicht mehr die Macht, die überall nach Gutdünken handeln kann, China ist nicht mehr das Land, das stark angewiesen ist auf das Wohlwollen anderer Großmächte. Vielmehr gilt: Man hat es nunmehr zu tun mit einem China, das es sich leisten kann, Nein zu sagen. Dies mag die wichtigste Erkenntnis aus dem oft waghalsigen Vorpreschen des amerikanischen Präsidenten sein.
Wenn der Staub, den Donald Trump vor allem mit seinen drakonischen Strafzöllen aufgewirbelt hat, sich gelegt haben wird, mögen die Umrisse des kommenden weltpolitischen Gefüges deutlicher sichtbar werden, eines Gefüges, das sich zuungunsten der USA geändert hat. China ist nicht mehr Nummer zwei der Weltpolitik, sondern „second to none“ und zumindest auf dem Feld der Wirtschaft „primus inter pares“. Dabei treffen zwei ganz verschiedene Stile aufeinander – auf der einen Seite das Amerika D. Trumps und dessen Poltern, Prahlen, Drohen, auf der anderen China, die eher zurückhaltende, gelassene, geduldige neue Supermacht, die beharrlich voranschreitet.
Der strategische Fehler Europas ist es, sich nicht nur Russland, sondern auch, zumindest politisch, China entfremdet zu haben. Die Optionen Europas vor dem Krieg um die Ukraine bestanden darin, sich entweder mit Russland verstehen zu wollen gegen China oder aber mit China gegen Russland oder vielleicht sogar mit beiden als einer eurasiatischen Achse. Europa hat sich diese Optionen verscherzt, weil es nicht strategisch, langfristig, realpolitisch, pragmatisch agiert, sondern impulsiv, ideologisch, emotional und oftmals erratisch. Die einzige nennenswerte strategische Überlegung ist die von Emmanuel Macron über die Schaffung einer strategischen Autonomie Europas. Doch dieser Ansatz ist unausgegoren, beruht mehr auf Wunschdenken als auf rationalem, realistischem Kalkül und klarem politischen Willen.
Europa allein zu Hause
Europa hat sich selbst machtpolitisch emaskuliert, isoliert, geschwächt. Man kann wohl kaum erwarten, dass aus der Europäischen Kommission ein weitsichtiger, sorgfältig austarierter strategischer Entwurf kommt. Die Kommission ist dazu nicht fähig und auch nicht geeignet – weder politisch noch institutionell oder materiell.
So fiel ihr in der Krise um die Ukraine genauso wenig ein wie den einzelnen Mitgliedstaaten: Sanktionen gegen Russland, Waffenlieferungen und andere materielle Hilfe für die Ukraine, doch nicht der geringste mutige weitsichtige Ansatz zu einer Lösung der Krise und Beendigung des menschlich, militärisch, politisch, psychologisch immer kostspieligeren Krieges.
Reisen nach Kiew, wie wohlgemeint auch immer, und warmherzige, großspurige Rhetorik ersetzen nicht strategisches Denken. Und so wurden die verkündeten Ziele immer bescheidener – von vollmundigen Beteuerungen eines unvermeidlichen ukrainischen Siegs bzw. einer ebenso gewissen russischen Niederlage über einen notwendigen Rückzug Russlands aus den besetzten Gebieten zu einem Einfrieren des Konflikts, einem Waffenstillstand, einer vorläufigen Status-quo-Lösung.
Mangel an strategischer Weitsicht
Statt die einst proklamierten Ziele zu erreichen, heißt es nun für die Europäer, ohne dies zuzugeben, sich ins Unvermeidliche fügen, die russische militärische Dynamik bremsen, nachrüsten, Atem schöpfen. Wieso hätte Russland, nüchtern, objektiv betrachtet, auf europäische Maximalforderungen eingehen sollen, da das Land nicht nur bei der Entschärfung der Sanktionen, beim militärischen Vorgehen ziemlich erfolgreich ist, sondern auch beim Schmieden neuer politischer und ökonomischer Bündnisse und Partnerschaften?
Während Brics1), der „globale Süden“ immer stärker werden, erweisen sich die westlichen Zusammenschlüsse und Bündnisse als zunehmend anfällig, porös, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Die USA beginnen zu begreifen, dass sie sich einen großen Showdown mit den Brics-Mächten nicht leisten können.
Die neue Bipolarität
Trump und seine Berater mögen allmählich erkennen, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrieren sollten, was zugleich heißt, sich damit abzufinden, nicht mehr alleiniger globaler Hegemon zu sein. Ein unipolares amerikanisches Moment wird es nicht mehr geben, eine wirkliche multipolare Welt ebenso wenig, sondern viel eher eine neue Bipolarität China-USA oder gar eine Art Tripolarität, je nachdem, wie sich die Lage Russlands in den kommenden Jahren entwickelt.
Europa wird auf der weltpolitischen Karte zukünftig oder, sollte man sagen, weiterhin nicht viel mehr als ein geostrategisches Anhängsel sein, ein weicher und trotz der ökonomischen Integration, trotz der mannigfaltigen Kooperationsstrukturen und -mechanismen eher amorpher Raum, ein volatiles Gebilde, gekennzeichnet von latenter Müdigkeit, strategischer Unschlüssigkeit, wabernden Illusionen.
Dieses Europa, das kein Modell mehr sein kann, sollte sich bemühen, sofern es nicht ganz an den Rand der kommenden Weltgeschichte gedrängt werden will, einen minimalen politischen und sozialen Zusammenhalt zu sichern, das Wohlbefinden seiner Bürger zu garantieren, ohne großartige Prätentionen zu hegen, wie etwa die, es könne im Konzert der neuen und alten Großen mitmischen. Es ist dies sicherlich kein erhabenes Ziel, aber immerhin ein nicht unerreichbares.
Was das zukünftige Verhältnis zwischen China und den USA anbelangt, so mag man sich fragen, ob die beiden Supermächte tatsächlich in der sog. Thukydides2)-Falle stecken, wie es der Harvard-Politologe Graham Allison nach dem Beispiel von Sparta und Athen nennt, dass es also unweigerlich zu einem großen, auch bewaffneten Konflikt zwischen dem bisherigen Hegemon – einst Sparta und jetzt eben den USA – und der aufstrebenden Macht – damals Athen, heute China – kommen muss, sogar dann, wenn keiner der beiden dies bewusst anstreben würde?3) Oder kann, wenn nicht die Vernunft, so doch der Besitz von Nuklearwaffen eine für beide Seiten, ja vielleicht für die ganze Welt verheerende Auseinandersetzung verhindern?
* Der Autor ist unter anderem Politologe.
1) Brics ist ein Akronym für Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika; der Vereinigung haben sich inzwischen andere Länder wie Ägypten, Iran, Äthiopien, die Vereinigten Arabischen Staaten und Indonesien angeschlossen mit fast vier Milliarden Einwohnern.
2) Thukydides ist ein griechischer Geschichtsschreiber, der über den Peloponnesischen Krieg schrieb, an dem er 424 v. Chr. als athenischer Flottenkommandant teilnahm.
3) Graham Allison: „Destined for war“ (2017).
De Maart
Wer spricht denn da noch von einer EU, deren Führungsleute sich überall überrumpeln und an der Nase herumführen lassen.
Die zeit der domination Europas ueber die welt ist spaetestens 1945 abgelaufen und kommt auch nie wieder.
Dass recht kleine staaten wie GB,Frankreich und sogar Portugal und Belgien grosse uebersee territorien kontrollieren und ausbeuten koennten....diese zeit ist vorbei.
Dafuer sorgen nicht nur China Indien und Russland sondern auch der freund in Washington...siehe Groenland.