Minderjährige FlüchtlingeCaritas fordert mehr Schutz für unbegleitete Kinder

Minderjährige Flüchtlinge / Caritas fordert mehr Schutz für unbegleitete Kinder
Nicht wenige unbegleitete Minderjährige müssten in Luxemburg zuerst viele Wochen und Monate zusammen mit Erwachsenen in den Einrichtungen von „Primo-Accueil“ bleiben. Das sind für Caritas Luxemburg keine geeigneten Strukturen für Kinder. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Am Dienstag stellte Caritas Luxemburg einige Forderungen und Vorschläge vor, die die Aufnahme und die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen, die nach Luxemburg kommen, verbessern sollen. Auch hat die Organisation eine neue Einrichtung für Kinder und Jugendliche eröffnet.

Die Ankunft von unbegleiteten Minderjährigen, „Mineurs non accompagnés“ (MNA), nehme von Jahr zu Jahr zu, sagte Marie-Josée Jacobs, Präsidentin von Caritas Luxemburg, auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Insbesondere im vergangenen Jahr. Sie verwies auf die Pressekonferenz des Ombudsmanns für Kinder und Jugendliche (OKaJu) vergangene Woche. Charel Schmit habe dort gesagt, dass Luxemburg nicht genug Platz habe, um alle Kinder in Empfang zu nehmen. Dieser Aussage schließe sich Caritas Luxemburg an. Hier müsse man in den nächsten Jahren Platz schaffen, dies wisse auch Außenminister Jean Asselborn.

Jacobs wies auf die positiven Erfahrungen der Struktur für unbegleitete Minderjährige in der „Maison Saint-Hubert“ in Munshausen hin. Dort konnte die Kapazität von 12 auf 18 Kinder und Jugendliche erhöht werden. Am 15. November habe die Caritas zudem eine weitere Struktur in Liefringen eröffnet. Dort sollen in einer ersten Phase zwölf, später insgesamt 24 und in einer dritten Phase 36 unbegleitete Minderjährige aufgenommen werden. Nicht immer habe die Caritas genug Platz in den Foyers, die nur für diese Minderjährigen konzipiert wurden. Oftmals müsse man diese auch an Einrichtungen übergeben, wo Erwachsene wohnen. „Das ist keine gute Situation“, sagte die Präsidentin.

Beide Foyers sind laut Jacobs dem „Office national de l’enfance“ (ONE) zugeordnet und nicht für die „Demandeurs de protection internationale“ (DPI) geeignet. Denn die in Luxemburg aufgenommenen unbegleitete Minderjährigen sollten in erster Linie als Kinder und Jugendliche und nicht nur als Flüchtlinge behandelt werden.

Kinder unter zehn Jahren

Carole Reckinger, Verantwortliche für die politische Arbeit von Caritas Luxemburg, betonte, dass teilweise Kinder unter zehn Jahren ohne Begleitung eines Erwachsenen nach Luxemburg kämen. Seit 2004 nimmt die Caritas unbegleitete Flüchtlinge auf. Im Durchschnitt seien dies 15 bis 20 pro Jahr gewesen. Im Jahr 2021 stieg diese Zahl auf 56 unbegleitete Minderjährige. Und von Januar bis August 2022 seien 132 Kinder und Jugendliche alleine in den Strukturen der Caritas angekommen, die eine „Demande de protection internationale“ beantragt hätten, so Reckinger.

Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, diese Kinder und Jugendlichen stattdessen direkt in eine spezialisierte Struktur unter der Obhut des ONE zu integrieren

Carole Reckinger, Verantwortliche für die politische Arbeit bei Caritas Luxemburg

Einiges müsse in Sachen Aufnahme von Minderjährigen verbessert werden, um ihre Rechte als Kinder zu garantieren, so die Verantwortliche für die politische Arbeit. Auf der Flucht hätten diese Kinder bereits viel Schlimmes erlebt und würden später riskieren, durchs soziale Netz zu fallen. Die Kapazitäten in den Einrichtungen sowie die Zahl der Betreuer sollten aufgestockt werden. Das sei bereits passiert.

Viele unbegleitete Minderjährige müssten zuerst viele Wochen und Monate in den Strukturen für „Primo-Accueil“, zusammen mit den Erwachsenen, bleiben. „Das sind keine Strukturen für Kinder“, so Reckinger. Nachts seien die jungen Menschen alleine, ohne Möglichkeit auf Betreuung. Die Kinderrechte könnten in diesen Fällen nicht garantiert werden. Laut Reckinger seien im Oktober 20 Kinder unter 16 Jahren und zehn über 16 Jahren in einem „Primo-Accueil“ untergebracht worden. „Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, diese Kinder und Jugendlichen stattdessen direkt in eine spezialisierte Struktur unter der Obhut des ONE zu integrieren.“

Rechtlicher Status für Minderjährige gewünscht

Ein weiteres Problem sei, dass aktuell viele Minderjährige ab dem Alter von 16,5 Jahren automatisch in einer Struktur für Erwachsene untergebracht werden. Damit sollte verhindert werden, dass die jungen Menschen immer wieder umziehen müssen. Diese Sichtweise habe sich allerdings geändert. Nun werde versucht, Menschen bis zum Alter von 18 Jahren in Einrichtungen für Minderjährige unterzubringen. Caritas-Generaldirektor Marc Crochet wies darauf hin, dass das ONE auch für junge Menschen bis 27 Jahre zuständig sei. Ein 17-Jähriger, der nach Luxemburg komme, könnte demnach durchaus vom ONE betreut werden und müsste nicht mit 18 Jahren in eine Erwachsenen-Struktur umziehen.

Um die Rechte der Kinder zu gewährleisten, forderte Carole Reckinger, einen speziellen rechtlichen Status für unbegleitete Minderjährige in Luxemburg einzuführen. Momentan hätten diese jungen Menschen bei ihrer Ankunft hierzulande keine anderen Möglichkeiten, als internationalen Schutz zu beantragen. „Tun sie dies nicht, riskieren sie, nicht alle ihre Rechte als Kinder anerkannt zu bekommen“, erklärte Reckinger. Was bei der Ankunft besonders ins Gewicht falle, sei das erste Interview mit der Einwanderungsbehörde. Was dort besprochen werde, habe teils unumkehrbare Folgen für die weitere Situation dieser Person. Erwachsene würden hierfür einen Anwalt mitbringen. Kinder seien meist nicht genug darüber informiert, was ihre Rechte angeht, präzisierte Marie-Josée Jacobs.

Es ist wichtig, dass die unbegleiteten Minderjährigen in Luxemburg zuerst vom ONE in Empfang genommen werden

Carole Reckinger, Verantwortliche für die politische Arbeit bei Caritas Luxemburg

In Deutschland beispielsweise würde der unbegleitete Jugendliche zuerst vom Jugendamt in Empfang genommen, bevor er bei der Einwanderungsbehörde vorstellig wird. Reckinger erinnerte daran, dass das Prinzip des „besten Interesses des Kindes“ stets Vorrang haben muss gegenüber sämtlichen Bestimmungen des nationalen und internationalen Rechts. „Es ist wichtig, dass die unbegleiteten Minderjährigen in Luxemburg zuerst vom ONE in Empfang genommen werden“, schlussfolgerte Carole Reckinger. Wie schon der Ombudsmann in seinem letzten Bericht festgestellt hatte, sei nicht immer eine „Demande de protection internationale“ oder jene des „Regroupement familial“ die beste Lösung. Den Minderjährigen sollte durch die Einführung dieses speziellen rechtlichen Status ein „Administrateur ad-hoc“ in der Person eines Anwalts und ein „Administrateur public“, wie beispielsweise die Caritas, zur Verfügung stehen.

Es muss jetzt gehandelt werden

Marc Crochet, Generaldirektor von Caritas Luxemburg, präzisierte, dass die Problematik der unbegleiteten Minderjährigen unbestritten sei, und verwies auf die Aussagen des OKaJu vergangene Woche. Auch der Außenminister habe darauf reagiert und gesagt, dass es in Luxemburg ein Problem der Empfangsstrukturen gebe. Das Problem bestehe nicht nur für die MNA. „Dieses Bewusstsein muss man nun in Handlung umsetzen“, sagte Crochet. Dies komme insbesondere dem Schutz der Minderjährigen zugute.

Dieses Bewusstsein muss man nun in Handlung umsetzen

Marc Crochet, Generaldirektor Caritas Luxemburg

Neben der Caritas Luxemburg kümmern sich das Rote Kreuz, Elisabeth und die „Fondation Maison de la Porte Ouverte“ in einer Zusammenarbeit mit dem ONE um die unbegleiteten Minderjährigen in Luxemburg. Erst seit ein paar Jahren gibt es spezifische Strukturen für MNA.