UnpluggedPunkrock-Legende Campino in Düdelingen – ein Hauch Tote Hosen weht durch Luxemburg

Unplugged / Punkrock-Legende Campino in Düdelingen – ein Hauch Tote Hosen weht durch Luxemburg
Im Mittelpunkt stehen natürlich Liverpool und die Reds. Sehr zur Freude der Fans tragen Campino und Kuddel aber auch Songs der Toten Hosen vor. Foto: Den Atelier

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Über seinem Lesepult prangt der Fanschal, auf dem wie in Stein gemeißelt folgende Losung steht: „LIVERPOOL. Proud to be a Red. Born a Red, live a Red, die a Red.“ Damit macht Campino den rund 400 Fans, die angereist sind und hier im Hof des CNA maximal zugelassen sind, von Beginn an klar, dass es an diesem Abend weniger um Die Toten Hosen geht als um den von ihm heiß geliebten nordenglischen Verein und die Anfield Road.

Um Punkt 20 Uhr erscheinen sie vor dem Publikum, das es sich in Campingstühlen hinter kleinen Abstelltischen für ihre Getränke gemütlich gemacht hat: Kuddel, der Gitarrist der Toten Hosen, mit der Akustikgitarre in der Hand, gefolgt von Campino, der sich erst mal bei seinen treuen luxemburgischen Fans bedankt, ehe beide – passend zum Thema des Abends – mit „Long, long way from Liverpool“ und „Hope Street“ loslegen.

Dann nimmt Campino Platz hinter seinem Pult, schenkt sich aus einem Weinkrug ein, nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht und meint: „Ich kriege ja immer die örtlichen Weinschorlen verpasst, und ich muss sagen: Ihr macht schlimme Zeiten durch!“ Später werde ich mich bei den Verantwortlichen nach dem Gebräu erkundigen und erfahre, dass der Wein auf Wunsch des Sängers und aus Angst vor einem möglichen Schluckauf mit stillem Wasser gepanscht wurde. Also, wer „Vin Vichy“ bestellt, ist wohl selbst schuld an seinen Leiden.

Es folgt eine erste Leseprobe aus „Hope Street. Wie ich einmal englischer Meister wurde.“ Campino gibt die köstliche Passage zum Besten, in der er in der Container-Garderobe des Rocco-del-Schlacko-Festivals verzweifelt versucht, die Übertragung des Spiels Liverpool gegen Norwich City mithilfe seines Pay-TV-Abos abzurufen, jedoch grandios scheitert und sein Roadie mit den Worten „WAS GEDENKST DU JETZT ZU TUN?“ zusammengestaucht wird. Die Pointe, die für viele Lacher sorgt, soll hier nicht verraten werden.

Bill Shankly und Kuddels Stimmapparat

Dann geht’s wieder weiter mit Liverpool-Songs. Campino erklärt die historischen Hintergründe der Fangesänge und Traditionals wie „The Bill Shankly Kopites“ oder „Poor Scouser Tommy“, die im Liverpool-Slang vorgetragen werden. Doch sehr zur Freude seiner Fans werden auch einige Hosen-Stücke gespielt. Besonders gelungen sind die Unplugged-Versionen von „Liebeslied“ und „Steh auf“, während „Reisefieber“ ziemlich in die Hose geht. Campino pfeift zuerst in der falschen Tonart und singt dann anschließend in dieser sonderbaren Tonart neben Kuddel her, doch das tut der insgesamt guten Stimmung keinen Abbruch. Längst springen die Fans während der Lieder auf und singen lauthals mit. Auch die Coverversion von „You’re no good“ von ihrem Album „Mersey Beat – The Sound of Liverpool“, bei der Kuddel zu seiner Telecaster greift, ist euphorisierend.

Sehr schön auch Campinos Kommentar zum ständigen Gitarre-Stimmen seines Kumpels. Er erklärt, dass es ihm ein gutes, beruhigendes Gefühl vermittle. Außerdem sei es ja so, dass manchmal eine einzelne verstimmte Saite ausreiche, dass das Ganze beschissen klinge. „Manchmal reicht auch ein einziger Vollidiot im Publikum, dass der ganze Abend auseinanderfällt“, so der Sänger weiter. „Danke, dass keine Vollidioten da sind!“

Niemals zu den Bayern

Nach „Tage wie diese“ und – na klar – „You’ll never walk alone“ gehen die beiden nach zwei Stunden von der Bühne und versprechen, beim nächsten Mal wieder gehörigen Krach zu schlagen. Schade nur, dass sie ihr Bayern-Lied nicht gespielt haben und Campino auch die entsprechende Buch-Passage für diese Auftritte gestrichen hat. Vielleicht möchte er die Bayern-München-Fans nicht weiter vergraulen. Zu gerne hätten manche Zuhörer das folgende göttliche Uli-Hoeneß-Zitat aus Campinos Mund gehört: „Die Toten Hosen? Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft mal ersticken wird.“ Als Entschädigung kriegen wir die Anekdote, als der Sänger von Bad Religion einmal mit Rentnern aneinandergeriet und im Flugzeug weinte.

Nach der Show signieren die beiden sympathischen Musiker noch anderthalb Stunden lang in sehr lockerer Atmosphäre Campinos Buch und andere Devotionalien ihrer Fans. Nun bedauere ich doch, meine Vinyl-Ausgabe der John Peel Session von 1984 nicht mitgebracht zu haben.

Fazit: Dieses Auswärtsspiel wurde klar gewonnen. Darauf eine Weinschorle!

Die Passagen aus Campinos Schriftwerk „Hope Street“ sorgen für viele Lacher
Die Passagen aus Campinos Schriftwerk „Hope Street“ sorgen für viele Lacher Foto: Den Atelier