Rechtsstaats-Streit mit UngarnBrüssel will 13 Milliarden Euro einfrieren

Rechtsstaats-Streit mit Ungarn / Brüssel will 13 Milliarden Euro einfrieren
Laut EU-Budgetkommissar Johannes Hahn hat die ungarische Regierung noch nicht genug getan, um die Korruption im Land einzudämmen und damit EU-Steuergelder zu schützen Foto: Kenzo Tribouillard/AFP

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Ungarn hat versprochene rechtsstaatliche Reformen nicht vollständig umgesetzt, deshalb sollen rund 13 Milliarden Euro aus dem EU-Budget eingefroren werden. Dies empfahl die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel. Sie hatte bereits im September entschieden, 7,5 Milliarden aus dem EU-Budget zurückzuhalten. Nun kommen noch einmal 5,8 Milliarden aus dem Corona-Hilfsfonds hinzu.

Die spektakuläre Entscheidung, die auf dem neuen Rechtsstaats-Mechanismus zum Schutz des EU-Budgets beruht, ist allerdings nicht endgültig: Das letzte Wort haben die EU-Finanzminister. Sie müssen bis zum 19. Dezember mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Dafür sind 55 Prozent der 27 Länder nötig, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren.

Deutschland hat bereits Zustimmung signalisiert, doch andere EU-Länder zögern. Sie wollen sich nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen, wenn es in drei Wochen zum Schwur kommt. Einige Staaten fürchten auch, dass sie selbst einmal von Finanzsanktionen betroffen sein könnten. Zudem gibt es die Sorge, dass Ungarn bei Geldentzug wichtige EU-Entscheidungen blockieren könnte.

Schon jetzt steht die rechtsnationale Regierung in Budapest auf der Bremse. So blockiert sie die Auszahlung einer 18 Milliarden Euro schweren, schuldenfinanzierten neuen Finanzhilfe an die Ukraine. Auch ein seit Jahren geplantes globales Steuerabkommen liegt wegen des Vetos aus Budapest auf Eis. Regierungschef Viktor Orban versuche, die EU zu erpressen, heißt es in Brüssel.

Die große Frage ist nun, ob Orbans Kalkül aufgeht. Bisher hat er es immer wieder verstanden, die EU-Politiker gegeneinander auszuspielen. Auch diesmal ist es nur dem Druck des Europaparlaments zu verdanken, dass die EU-Kommission den Daumen gesenkt hat. Die Abgeordneten hatten Kommissionschefin Ursula von der Leyen vor einer Freigabe der Gelder gewarnt und sie teilweise sogar persönlich für Korruption in Ungarn verantwortlich gemacht.

Korruptionsbekämpfung nicht ausreichend

Daraufhin änderte die Brüsseler Behörde ihre zögerliche Haltung. 17 Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung seien nicht oder nur teilweise umgesetzt worden, sagte Budgetkommissar Johannes Hahn. Der Corona-Plan sei zwar annehmbar. Doch auch das dafür reservierte Geld könne erst dann ausgezahlt werden, wenn Ungarn 27 „Super-Meilensteine“ umsetzt, darunter die zuvor beschlossenen 17 Maßnahmen.

Sowohl die „Meilensteine“ als auch die „Super-Meilensteine“ sind neu – und umstritten. Sie sollen sicherstellen, dass Ungarn den Rechtsstaat achtet, die unter Orban verbreitete Vetternwirtschaft beendet und gegen Korruption vorgeht. Dafür ist die Einsetzung einer eigenen Taskforce geplant; außerdem soll die Regierung in Budapest die Vorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen ändern.

Es könne durchaus sein, dass Ungarn die umstrittenen Reformen in den nächsten Tagen doch noch vorantreibe, sagte Hahn. In diesem Fall müssten die Finanzminister die Lage neu bewerten. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. In Brüssel und Budapest hat ein bisher einmaliges Powerplay um die EU-Milliarden begonnen.