EditorialBoris Johnson muss den Mehrwert der neuen Freiheit vorweisen

Editorial / Boris Johnson muss den Mehrwert der neuen Freiheit vorweisen
Premierminister Boris Johnson während seiner Neujahrsansprache in Downing Street Foto: dpa/PA Media/Number 10 Downing Street

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Seit dem ersten Glockenschlag von Big Ben in der Nacht zum 1. Januar haben die Briten ihre „Freiheit“ wieder, wie es Boris Johnson formulierte. Es obliegt nun dem britischen Premierminister, zu zeigen, welchen Gewinn er daraus für sein Land schlagen wird. Dass sich in den kommenden Wochen und Monaten weder die Vor- noch Nachteile der Scheidung von der kontinentalen Union zeigen werden, ist klar. Dennoch werden die Brexiteers eines nicht allzu fernen Tages den Mehrwert ihres vermeintlichen Freiheitsdrangs zeigen müssen.

Vorerst aber dürfen nun Tausende britische Unternehmen diese neu gewonnene Freiheit etwa dazu nutzen, um wieder Zollformulare für Im- und Exporte im Warenverkehr mit der EU auszufüllen. Damit der Handel zwischen beiden weiterlaufen kann, müssten laut Angaben des britischen Handelsverbands „Road Haulage Association“ von jetzt an 220 Millionen Formulare ausgefüllt werden. Täglich. Sieht so der Fortschritt aus?

Ohnehin wird den Brexiteers nachgesagt, sie würden mit ihren Vorstellungen über Großbritannien weiterhin in längst vergangenen Zeiten verharren. Oder dass sie zumindest dahin zurückwollten. Das „Global Britain“, mit dem Boris Johnson nun wirbt, könnte das nicht besser umschreiben. Mit der britischen Variante zu Trumps „Make America great again“ will der Premierminister suggerieren, dass das Land wieder an jene Zeiten anknüpfen kann, in denen das Vereinigte Königreich eine unumgängliche Wirtschaftsmacht war und seine Stimme über die Maßen in der Welt Gehör fand. Dahinter steckt jedoch viel Wunschdenken, das in der politischen Vermarktung verlockend klingen mag. Es dürfte sich kaum in die Realität umsetzen lassen. Sicher, Großbritannien kann jetzt in Eigenregie mit der ganzen Welt Handelsabkommen abschließen. Doch wird die Regierung in London mit einem potenziellen Markt von rund 67 Millionen Einwohnern sicher andere Bedingungen stellen und auch akzeptieren müssen, als es Brüssel mit einem mindestens achtmal größeren Markt in Handelsgesprächen tun kann. Und die Briten werden nicht umhinkommen, dabei immer auch den großen Markt vor ihrer Haustür im Auge zu behalten. Die Freiheit wird nicht nur angesichts dessen zu einer eher relativen Angelegenheit. Zwänge und Abhängigkeiten sind in einer zunehmend globalisierten Welt nicht zu vermeiden. Das hat uns auch die Corona-Krise wieder vor Augen geführt, als es etwa um bestimmte medizinische Produkte ging. Es ist daher besser, möglichst eng im Verbund mit anderen zusammenzuarbeiten.

Diese Einsicht dürfte im schottischen und nordirischen Teil des Vereinigten Königreichs mit der nun beginnenden Erfahrung, nicht mehr der EU anzugehören, im Laufe der Zeit weiter an Popularität gewinnen. Vor allem, wenn die Regierung Johnsons in naher Zukunft keinen Mehrwert vorweisen kann, der belegt, dass der EU-Austritt die richtige Wahl war. Denn der Brexit wurde unmissverständlich mit dem Versprechen einer besseren und prosperierenderen wirtschaftlichen Zukunft verbunden. Bleibt diese aber aus, wird die bereits starke Absetzbewegung zumindest in Schottland an Zulauf gewinnen. Die in diesem Jahr dort stattfindenden Wahlen und die damit verbundene Kampagne werden einen idealen Rahmen für entsprechende politische Botschaften bieten. Doch auch die Nordiren werden sich bei einem ungünstigen Verlauf vermehrt die Frage stellen, ob für sie eine Wiederangliederung an die Republik Irland, und damit an die EU, im Gegensatz zu der von den Engländern versprochenen Freiheit nicht doch die bessere Option ist.

J.C.Kemp
8. Januar 2021 - 20.26

Ob er es fertigbringt, da kommen schon Zweifel auf. Wenn man heute bei der BBC liest, dass verschiedene, besonders kleinere Firmen die Lieferungen in die EU eingestellt haben, weil sie sich den Mehraufwand im Papierkram nicht leisten können. Und dass Betriebe, die mit verderblichen Waren handeln, das Zeitfenster für den Export von frischen Waren nicht einhalten können. MUKGA klappt irgendwie nicht.

Observer
2. Januar 2021 - 13.38

Vielleicht träumt der Boris davon in naher Zukunft die Europäische Union in das Vereinigte Königreich aufzunehmen. Make Britain great again!