Bordeaux-Weine kämpfen mit dem Wetter

Bordeaux-Weine kämpfen mit dem Wetter

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Jahrgang 2018 aus den Bordeaux-Weinanbau-Gebieten fällt für viele Winzer aus: Hagel und Gewitter haben Tausende Hektar mit Rebstöcken bis zum Totalausfall beschädigt.

Es dauerte nur 30 Minuten. Dann hatten Gewitter und Hagelkörner Weinberge rechts und links der Gironde-Mündung an der französischen Atlantikküste zwischen Bordeaux und Cognac zerstört. Auf 7.100 Hektar wachsen keine Trauben mehr. Im Anbaugebiet Cognac sind 10.000 Hektar betroffen.

Weinanbau an der Atlantikküste ist seit Jahren mit Risiken verbunden. Der Klimawandel hat sich bisher dadurch bemerkbar gemacht, dass erhöhte Sonneneinstrahlung früher einsetzt. Das Weinforschungsinstitut der Region probiert seit Jahren neue Rebsorten aus, die mit den höheren Temperaturen besser reifen können. Immer aber hatten die Anbaugebiete der Bordeaux-Weine auch mit Frost, mit Regen, mit Hagel und Gewittern zu kämpfen. Im Jahre 2013 hatte ein regnerisches Frühjahr, verbunden mit Hagelschauern, den Winzern die Ernte und auch die Qualität verdorben. Gut 40 Prozent der Ernte mussten abgeschrieben werden. Trotz großer Aufbaukunst der Önologen gilt das Jahr 2013 nicht als ein gutes – um es vornehm auszudrücken.

Im vergangenen Jahr verdarb später Frost mitten in der Blütezeit das Weinjahr. Und nun Gewitter, sintflutartiger Regen und Hagel. Von dem Bordeaux-Anbaugebiet sind zwischen sechs und sieben Prozent der Gesamtanbaufläche von 115.000 Hektar betroffen. Getroffen hat es insbesondere die Anbaugebiete Côtes de Blaye, Côtes de Bourg, den Süden von Médoc und L’Entre-deux-Mers. „Unserer Erinnerung nach hat es solche Unwetter bisher nicht gegeben“, sagt Franck Jullion, Präsident des Anbaugebietes Blaye, Côtes de Bordeaux. Jullion hat seine komplette Ernte bei dem Hagelsturm verloren. Es seien Hagelkörner so groß wie Golfbälle vom Himmel gefallen. Die Blüten an den Rebstöcken seien abgeschlagen und Letztere selbst beschädigt worden. Der Verband der Winzer will den Schaden derzeit nicht genau beziffern, hält aber einen Millionenschaden für möglich.

Der Sturm zeigt die Empfindlichkeit des größten zusammenhängenden Weinanbaugebietes in Frankreich. Den Namen der Bordeaux-Weine stützen nur etwa 200 Weingüter, die großen Cru bourgeois oder Grand Cru classés. Jene Weine, die mehr als 20 bis mehrere hundert Euro kosten. Vom Hagelsturm betroffen waren zwei der großen Namen, Château la lagune und Château Cantemerle, die etwa die Hälfte der Weinernte abschreiben dürften. Beide Weingüter verfügen aber über mehrere hundert Hektar und dürften mit einem „blauen Auge“ davonkommen. Die großen Namen machen etwa drei Prozent der Fläche aus, aber stellen 25 Prozent der vier Milliarden Euro Umsatz, der mit Bordeaux-Weinen gemacht wird.

Für die große Masse der – trotz erheblicher Restrukturierungen des Anbaugebietes – immer noch 6.600 Winzer sieht die Situation völlig anders aus. Der Durchschnittspreis der im Handel verkauften Bordeaux-Weine liegt bei 5,70 Euro. Das ist nicht gerade einer, von dem die Winzer gut leben können. Auch die Bodenpreise stagnieren, gehen sogar zurück, beobachten regionale Experten. Der Hektarpreis liege derzeit unter dem von 1991.  Ausnahmen fänden sich nur in den Anbaugebieten Pauillac, Saint-Julien, Margaux, Saint-Estèphe, Pessac-Léognan, Pomerol. Dort sind die Bodenpreise gestiegen.

Das Bordeaux-Anbaugebiet hat in den vergangenen 20 Jahren eine grundlegende Strukturreform erfahren. Die 6.600 Winzer stellen gerade noch die Hälfte jener von vor 20 Jahren dar. Die Durchschnittsgröße der Betriebe liegt bei 17,3 Hektar, geht aus einem Wirtschaftsatlas hervor, den die interprofessionelle Vereinigung der Bordeaux-Weine im vergangenen Jahr erstellt hat. Die Restrukturierung sei aber immer noch nicht vergleichbar mit dem, was sich in der Milch- und Getreideproduktion getan habe.

Gleichzeitig lernen die Bordeaux-Winzer, mit ihrer Ernte vorsichtiger umzugehen. Sie kopieren ein System, das in der Champagne und in der Region Cognac bereits angewandt wird. Sie halten einen Teil ihrer Ernte zurück, um ihn in schlechten Jahren auf den Markt zu bringen. So wurden im vergangenen Jahr 40 Millionen Flaschen auf den Markt gebracht, die aus der Reserve stammten und den Ausfall durch Frost ausglichen. Aus welchem Jahr sie sind, bleibt das Geheimnis der Winzer.