DeutschlandBodo Ramelows trickreicher Schachzug gegen die Trickser

Deutschland / Bodo Ramelows trickreicher Schachzug gegen die Trickser
Mit seinem Vorschlag, CDU-Politikerin Christine Lieberknecht eine Übergangsregierung bilden zu lassen, hat Bodo Ramelow (Linke) alle überrascht Foto: dpa/Martin Schutt

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Der überraschende Vorschlag des früheren Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke), bis zu Neuwahlen eine Übergangsregierung unter seiner CDU-Vorgängerin Christine Lieberknecht zu bilden, hat die Landes-CDU in Bedrängnis gebracht – und sogar mehr als das.

Es gibt keine Geschenke, in der Politik so wenig wie im Fußball. Wer den Elfer bekommt, schießt ihn, auch wenn ihn der Gegner unabsichtlich verursachte. Und wem CDU und FDP so eine Vorlage geben, wie in Erfurt, der nutzt sie. Will man Bodo Ramelow etwa vorwerfen, dass er freiwillig auf das Ministerpräsidentenamt verzichten möchte? „Trickreich“ verzichtet, wie eine argumentativ ausgeknockte Anti-Ramelow-Zeitung schon schrieb?

Der Schachzug ist genial. Ramelows Linkskoalition wählt für den Übergang Christine Lieberknecht (CDU) als Ministerpräsidentin mit, um Neuwahlen zu bekommen. Die die CDU bundesweit für Thüringen selbst fordert, nur im Freistaat nicht, weil sie dort halbiert werden wird. Die Erfurter CDU kann das Angebot, eine der ihren, noch dazu eine Erfahrene, zur Übergangs-Ministerpräsidentin zu wählen, kaum ablehnen. Sonst verliert sie ihre Glaubwürdigkeit komplett. Nebenbei kitzelt Ramelow die Christdemokraten noch an einer besonders unangenehmen Stelle: ihrem Kooperationsverbot mit den Linken.

Gratulation an Thomas Kemmerich (FDP) und seinen CDU-Bruder im Geiste Mike Mohring. Statt Ramelow mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die vorletzte Woche durch diese beiden Obertaktierer im Verein mit der AfD zum Preis eines bundesweiten Skandals verhindert wurde, bekommt Thüringen im Fall einer Neuwahl wahrscheinlich, Umfragestand heute, Ramelow mit einer rot-rot-grünen Mehrheitsregierung. Bestimmt gibt es irgendeinen Spruch von Laotse, wonach derjenige gewinnt, der die negative Energie anderer aufnimmt und für sich verwendet. Chapeau, Bodo.

Das Spiel ist noch nicht zu Ende

Ramelow kann sich jetzt sogar noch als Retter des Vaterlandes ausgeben, als einer, der den unerträglichen Zustand des Patts im Parlament aus Gemeinwohlinteresse heraus auflöst und dafür uneigennützig eigene Ansprüche zurückstellt. Was zusätzliche Stimmen bringt, obwohl beides nicht stimmt. Denn auch bei einem neuen Wahlgang im bestehenden Parlament wäre der Linke nicht Ministerpräsident geworden, jedenfalls nicht ohne AfD-Stimmen, die er nicht will, und nicht ohne CDU- oder FDP-Stimmen, die er nicht bekommt. Der Fuchs verzichtet auf die Trauben, die im Moment noch zu hoch hängen. Und sagt: Ich tue es für die Natur. Schlauer Fuchs.

Für Christine Lieberknecht stellt sich die Frage „Staatspolitische Verantwortung versus Parteiinteresse“ nun ganz persönlich. Man darf annehmen, dass ihr das Landeswohl wichtiger ist. Würde sie wider Erwarten auf eine Kandidatur verzichten, gäbe es noch einmal eine Komplikation. Dann käme Ramelow von seiner aktuellen Ankündigung nämlich nicht mehr herunter und müsste auch einen anderen nichtlinken Politiker für eine Übergangszeit mitwählen. Zur Not auch, wie von FDP-Chef Christian Lindner vorgeschlagen, einen unabhängigen Experten. Das wäre dann die nächste Variante. Das Spiel ist eben erst zu Ende, wenn der Schiedsrichter gepfiffen hat. Dass es Richtung Neuwahlen läuft, ist aber jetzt immer wahrscheinlicher – und bei dieser Art von Spiel wohl auch besser. Die Erfurter CDU sollte nicht auf Verzögerung setzen.