Soziale Netzwerke„Bis auf den letzten Tropfen Blut“: Hass auf Covid-Maßnahmen nimmt zu

Soziale Netzwerke / „Bis auf den letzten Tropfen Blut“: Hass auf Covid-Maßnahmen nimmt zu
Für viele Anhänger von Verschwörungstheorien ist die Pandemie nur ein Hoax, die Impfung eine Biowaffe und Bill Gates der Teufel in Menschengestalt Foto: AFP

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In Krisenzeiten haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur: Bill Gates will die Weltherrschaft an sich reißen, Corona ist eine Biowaffe und die Regierung macht mit der Pharmaindustrie gemeinsame Sache. Diese Narrative sind auch in Luxemburg im Umlauf – gekoppelt mit entsprechenden Reaktionen ihrer Anhänger. Diese reichen von Frust bis hin zu offenen Drohungen und Hasstiraden.

„Morgen wird ein spannender Tag!“, beginnt eine Tonnachricht, die am Sonntagabend unter Luxemburger Impfgegnern geteilt wird. „Dann kommt nämlich mein Brief an“, kündigt der Urheber in einem beschwörenden, fast flüsternden Ton an. Ein „gefährlicher Brief“, der „die Abgeordneten“ mit „ihren Lügen und Halbwahrheiten“ konfrontiere.

Er selbst rechne mit Folgen. Mit einer Klage etwa, oder gar mit Schlimmerem: „Vläit probéieren se och, mech z’iwwerrennen oder soss eng Sauerei ze maachen“, mutmaßt der Urheber. Er sei jedoch ersetzbar, schließlich sei man zu 37. „Das Programm geht weiter. Jede Revolution erfordert Opfer“, so sein Fazit. „Der Brief hat es wirklich in sich. Ein totaler Angriff!“

Fast acht Minuten hat die Sprachnachricht, die der Urheber seinen Mitstreitern zukommen lässt. Acht Minuten, die einen tiefen Einblick gewähren in eine Welt, die für Argumente und Fakten nicht mehr empfänglich ist. Es ist die Welt der Impfgegner und Covid-Leugner, die sich fest an Verschwörungstheorien klammern und sich fragwürdiger Aussagen bedienen, von denen viele aus dem Zusammenhang gerissen wurden und mit einer schnellen Internetrecherche rasch widerlegt werden können.

Dies gilt auch für den Inhalt des Briefes, der dem Tageblatt vorliegt. Zwar erregt der Verfasser in seiner Sprachnachricht den Anschein, als handele es sich um brandgefährliche Enthüllungen, die ihn den Hals kosten könnten, jedoch bleibt es weitgehend bei den in Verschwörungskreisen bekannten „Dokumentationen“ und Verweisen auf Wissenschaftler, deren Aussagen längst widerlegt oder relativiert werden konnten.

Der Verfasser nennt den Inhalt eine „Zusammenfassung“ jener Elemente, die „hier“ zusammengetragen wurden. „Hier“ sind die Kanäle der Luxemburger Impfgegner auf Telegram, jenem Nachrichtendienst, der vor allem bei Verschwörungstheoretikern, Rechtspopulisten und Covid-Leugnern hoch im Kurs steht. Im Gegensatz zu Facebook, Twitter, Youtube und Instagram werden fragwürdige Inhalte bei Telegram nicht relativiert oder gelöscht, so dass sich die Nutzer auf dieser Spielwiese unbehelligt austoben können.

Kriegsrhetorik und ähnliche Vergleiche

Rund 375 Teilnehmer hat einer der bekanntesten Impfgegner-Kanäle des Landes. Auf den ersten Blick eine Minderheit, die aber am Inhalt gemessen durchaus schwer wiegen könnte. „Es sind zum Teil total verzweifelte Menschen, die sich mit ihren Gewaltfantasien gegenseitig hochschaukeln“, stellt Twitter-User Claude Feltgen besorgt fest. „Gleichzeitig betonen sie immer öfter, dass man die Sache selbst in die Hand nehmen müsse, weil sonst niemand etwas tut.“

Der Student der Sozialwissenschaften hat sich die Aussagen vereinzelter Gruppenmitglieder in den letzten Wochen näher angesehen: „Es kommt mir so vor, als spiele die Thematik (Hassbotschaften, Drohungen und Gewaltaufrufe im Netz) in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Auch in der Politik nicht. Dabei muss man sich aber damit beschäftigen und überprüfen, was diese Leute so von sich geben“, so der erklärte Antifaschist.

Diese Beobachterrolle nimmt Feltgen nicht erst seit Bekanntgabe der Morddrohungen gegenüber Premierminister Xavier Bettel ein. Seit Wochen schon hält der Student Aussagen fest, in denen User offen mit Gewalt und Terrorismus kokettieren, um gegebenenfalls die Behörden einzuschalten. Dabei habe er festgestellt, dass der Frust bei den Betroffenen wächst – und mit ihm die Gefahr einer möglichen Verzweiflungstat.

Ihm sei die Kriegsrhetorik aufgefallen, auf die manche Nutzer in den Gesprächen zurückgreifen. „Ständig reden sie von Krieg und gebrauchen ähnliche Vergleiche“, so der Student. Gekoppelt mit der Feststellung, dass man mit Protesten und Briefen nichts erreiche, berge diese Rhetorik eine gewisse Gefahr: „Ich habe Angst, dass irgendwann ein Beteiligter diese Nachrichten liest und sich dazu berufen fühlt, zur Tat zu schreiten“, stellt Feltgen fest. Wie in Idar-Oberstein (D) etwa, wo am 18. September ein junger Tankstellenmitarbeiter von einem Maskengegner niedergeschossen wurde, nachdem er ihn mehrfach auf die Corona-bedingte Maskenpflicht aufmerksam gemacht hatte.

„Hoffentlich knallt es bald“

Dass diese Sorgen nicht ganz unbegründet sind, zeigt ein Blick in besagte Telegram-Gruppe: „Time for fucking war“, schreibt etwa ein User. „Ich bin bereit, alles zu opfern, bevor ich mich impfen oder testen lasse. Es steht viel auf dem Spiel. Hoffentlich knallt es bald“, heißt es in einem weiteren Kommentar, während ein Dritter sogar offen mit einer Wiederkehr der paramilitärischen Widerstandsorganisation „Stay Behind“ und der „Roten Armee Fraktion 2.0“ (RAF) kokettiert.

Eine Nutzerin spricht von einem Freiheitskampf „bis auf den letzten Tropfen Blut“. „Uns fertig machen, Angst machen, bis wir nervlich am Ende sind“, das sei die Absicht der Regierung, die die Betroffene „Terroristen im Auftrag von Oligarchen“ nennt. Schließlich stünden Kinderleben auf dem Spiel, die „mit einer Giftspritze eliminiert“ werden sollen. Ihre Lösung: „Wir müssen jetzt über uns hinauswachsen und uns diesem Kampf mit Mut und gebündelter Kraft stellen.“

Vor dem Hintergrund der jüngsten Morddrohungen gegenüber Staatsminister Xavier Bettel lässt ein bestimmter Nachrichtenthread besonders erschaudern: „So ein Satz ist Grund genug, (Bettel) kaltzustellen. Wo befinden wir uns überhaupt? In einem Nazi-Regime?“, antwortet eine Nutzerin auf eine Nachricht, in der es um Aussagen des Premierministers geht. „Dee misst och öffentlech gelyncht gin (sic)!“, stimmt die Urheberin des Threads zu.

Zumindest die RAF-Botschaft hat Feltgen per Screenshot den Behörden zukommen lassen. „Das geht jetzt zu weit“, so sein Fazit. Eine erste Reaktion der Polizei fiel aber ernüchternd aus: Natürlich sei es nicht in Ordnung, öffentlich eine Wiederkehr der RAF zu fordern, jedoch sei es durchaus berechtigt, die Impfung in Frage zu stellen, heißt es in der Antwort eines Polizeibeamten.

„Da musste ich doch schon schlucken“, entgegnet Feltgen. „Damit signalisiert der Verfasser, dass es mehr oder weniger in Ordnung ist, was manche Menschen da von sich geben.“ Es sei noch nachvollziehbar, dass man Zweifel hege – auch Polizisten oder Staatsbeamte. Dass diese aber auch auf Verschwörungstheorien reinfallen könnten, bereite ihm Kopfzerbrechen.

Polizei distanziert sich

In der Zwischenzeit hat sich die Polizei von der Antwort des Beamten distanziert. Diese sei von der Hierarchie nicht abgesegnet worden. Feltgen könne sich mit seinen Screenshots weiterhin an die Behörden richten, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme auf Twitter.

Die ursprüngliche Nachricht stamme zwar von einem Beamten, jedoch entspreche der Inhalt nicht den Kriterien der Neutralität, erklärt Frank Stoltz. „Der Verfasser hat seine Kompetenzen deutlich überschritten, ohne dies mit der Hierarchie abzuklären“, so der Polizeisprecher im Gespräch mit dem Tageblatt. Die ursprüngliche Antwort spiegele keinesfalls die Sicht der Polizei wider.

Die Bitte nach weiteren Screenshots sei hingegen als Aufruf an die Öffentlichkeit zu verstehen, fragwürdige Inhalte in den sozialen Medien sofort den Behörden zu melden. Sei es gleich der Polizei oder über die Dienste von BeeSecure. Gleichzeitig sollte man die Inhalte nicht öffentlich mit den eigenen Kontakten teilen. Das trage nämlich zur weiteren Verbreitung fragwürdiger Botschaften bei.

Die Frage, wie die Polizei mit den Hassbotschaften und Drohungen im Netz umgehe, wollte Stoltz nicht weiter vertiefen: „Wir äußern uns prinzipiell nicht zu Ermittlungen, sei es in diesem Bereich oder in anderen. Natürlich werden solche Botschaften aber durchaus ernst genommen. In Rücksprache mit den zuständigen Justizbehörden erhalten die Mitteilungen die Aufmerksamkeit, die ihnen gebührt“, so der Sprecher.

Victor
23. Oktober 2021 - 13.33

@Romain "Wenn einer sich nicht impfen will und später erkrankt oder sogar stirbt, hält sich mein Bedauern in grenzen" Einfacher können wir den Durchschnitts-IQ nicht heben.

Garce
23. Oktober 2021 - 13.31

@Observer "Bezos wird sicher bald die Welt beherrschen!" Ein Privatier? Wohl kaum.

Romain
22. Oktober 2021 - 11.55

Bitte den Artikel lesen; Lettland im lockdown Wenn einer sich nicht impfen will und später erkrankt oder sogar stirbt, hält sich mein Bedauern in grenzen

HTK
22. Oktober 2021 - 9.53

Was ist denn ein Corona-Anhänger? Die Impfung schützt nicht? Die auf dem Foto wollten auch ihr Leben genießen? Die Presse soll den Spinnern keine Plattform geben? Also persönlich kenne ich niemanden der ein Anhänger des Virus' ist.Dass die Impfung nicht schützt ist ein Novum das auch einer Plattform bedarf damit alle es mitkriegen! Allerdings kenne ich Leute die Viren leugnen und glauben dass Bernsteinanhänger gegen Kopfschmerzen helfen, und welche die behaupten dass Bill Gates mit sogenannten Chemtrails die Weltbevölkerung kontrollieren will,dass die Amis nie auf dem Mond waren und dass Dabbeljuh das WTC selbst in die Luft gesprengt hat. Verrückte Welt.

Paul
22. Oktober 2021 - 9.03

Dat ass zwar schons eng ganz seltsam Photo fir den Artikel.

Markus Heinz
22. Oktober 2021 - 8.16

Spinner gibt es leider überall, bei Corona-Anhängern und bei Corona-Skeptikern. Man kann aber nicht die Fakten ignorieren. Corona kann Menschen gefährlich werden, wie viele andere Krankheiten auch, die Impfung schützt mich nicht und auch nicht andere vor einer Ansteckung/Erkrankung. Kommt alle zurück auf den Boden und zurück zur Normalität, haltet zusammen und genießt euer Leben wieder. Leben und leben lassen...schönen Tag zusammen...

Good Old Times
22. Oktober 2021 - 5.27

Et soll een esou Aussoen net iwwerbewerten, se politesch ausnotzen fir sech Reklamm ze maachen an esou och nach zousäetzlech Ueleg op d’Feier ze géissen.Wat een des Borschten méi Opmiersamkeet ,hinnen eng Theaterbühn get wat se méi kieng gin.Als jong Spunten wossten mir genee, wéi an mat wat mer een steppelen konnten, hien aus dem Haischen sprangen deet. Also Schwamm driwwer an et verleewt am Sand.Wier desen Artikel net gewierscht, ech häett emol net gewosst et esou en Netzwierk get.Esou eng Noriicht mecht fierwetzeg, et mecht een sech selwer en Bild driwwer an dat ass geféierlech.Eng besser ,gratis Reklamm mam Risiko méi Adepten fir esou Theorien ze begeeschteren kann eng Zeitung net maachen.

Pinocchio
21. Oktober 2021 - 20.49

Die Wahrheit tut weh , aber besser die die bittere Wahrheit als ein Leben in Lüge , oder ?

Observer
21. Oktober 2021 - 19.15

Bezos wird sicher bald die Welt beherrschen!

Erdinger
21. Oktober 2021 - 17.58

Die Pappnasen sind ja alle unter ihrem Echtnahmen in den sozialen Medien unterwegs, da kann die Polizei sie ja ganz einfach zu hause abholen.