DeutschlandBewegung bei der Cannabis-Legalisierung

Deutschland / Bewegung bei der Cannabis-Legalisierung
Cannabisblüten zur medizinischen Behandlung oder zum privaten Konsum: Die Legalisierungsdebatte hat die EU-Ebene erreicht Foto: dpa/Boris Roessler

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Ampel-Koalition tut sich schwer damit, die im Koalitionsvertrag enthaltene Cannabis-Legalisierung auf den Weg zu bringen. Sie droht am EU-Recht zu scheitern. Doch aus Brüssel kommen nun bemerkenswerte Signale.

Bei den Koalitionsverhandlungen schien alles noch einfach. „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“, hielten SPD, Grüne und FDP fest. Doch spätestens seit der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger die Juristen des Bundestages fragte, ob das im Rahmen des EU-Rechtes und internationaler Verträge überhaupt möglich ist, stehen die Signale auf Dunkelgelb. Hinter den Kulissen versucht die Bundesregierung, mit der EU-Kommission zu klären, welche Gesetzesformulierungen so gerade eben noch möglich wären, um der Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland zu entgehen. Die Sache ist kompliziert. Aber eine Lösung scheint in Sicht zu kommen.

Nach der Lektüre der Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes stand für den CSU-Bundestagsabgeordneten Pilsinger ohne Zweifel fest: „Die Cannabislegalisierung zu Genusszwecken – so wie es die Ampelregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat – ist gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat.“ Denn ganz gleich, auf welcher Ebene die Bundestags-Juristen auch prüften, ob Völkerrecht, internationale Verträge oder Europarecht, stets war klar, woran auch Deutschland strikt gebunden ist. Es gehe darum, „alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, die zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln erforderlich“ seien, stellte dazu auch der Europäische Gerichtshof fest.

Auf den ersten Blick scheint damit eine Lösung einfach: Wenn der „unerlaubte Handel“ verfolgt werden muss, könnte man dann den erlaubten einfach über die schon bestehenden Ausnahmen für medizinische, wissenschaftliche und pädagogische Zwecke hinaus geringfügig ausweiten? Also auf kontrollierten Konsum durch Erwachsene in einem eng begrenzten Umfang? Tatsächlich enthält das EU-Recht den Hinweis darauf, dass Täter unbestraft bleiben können, wenn sie die Tat „für ihren persönlichen Konsum im Sinne des nationalen Rechts begangen“ haben.

Allerdings hält der Europäische Gerichtshof fest: „Da die Schädlichkeit von Betäubungsmitteln, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis, allgemein anerkannt ist, ist ihr Inverkehrbringen in allen Mitgliedsstaaten verboten.“ Es gehe in den internationalen Übereinkommen ausdrücklich um die Pflicht, „die Drogensucht zu verhüten und zu bekämpfen“.

Keine allgemeine Legalisierung

Das Urteil von Ende 2010 drehte sich um den Maastrichter Coffeeshop „Easy Going“, dessen Betreiber sich gegen eine vorübergehende Schließung wehrte, nachdem wiederholt auch Nicht-Niederländer den Shop betreten hatten. Ausdrücklich bescheinigten die Europa-Richter der Stadt das Recht, damit etwas gegen den Drogentourismus aus den Nachbarländern zu unternehmen. Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Unionsbürgern liege nicht vor, wenn damit unerlaubter Drogenhandel bekämpft werde.

Allerdings ließen die Europarichter den eigentlichen Trick der Niederländer unbeanstandet: Unter dem vorgeblichen Anspruch, die Drogenkriminalität wirksamer bekämpfen zu können, tolerierten sie den Verkauf und Konsum von Cannabis in kleinen Mengen. Freilich blieb der Ankauf im illegalen Bereich. Die Coffeeshops belebten somit den Drogenhandel, machten die Niederlande zu einem der wichtigsten und gefährlichsten Umschlagplätze. Das niederländische Modell wird daher auch in der Ampel nur mit spitzen Fingern angefasst.

In Brüssel wird darauf verwiesen, dass es bisher bei keiner Drogentolerierung in der EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegeben habe. Auch der für die Einhaltung der internationalen Verträge verantwortliche Suchtstoffkontrollrat habe bislang über die Legalisierung in Kanada hinweggesehen. Möglicherweise komme es auf einen Versuch der Deutschen an. Allerdings hatte zuvor auch schon Luxemburg die Ankündigung einer allgemeinen Legalisierung nicht mehr verfolgt, lediglich privaten Konsum und Anbau in bescheidenem Umfang toleriert.

Moderaten Konsum tolerieren

Als verlässlichste Lösung wird daher in Brüssel auf eine mögliche Änderung des EU-Rechtes verwiesen, um die Tür zum kontrollierten Freizeitkonsum einen Spalt zu öffnen. Sogar aus der CDU kommen nun entsprechende Signale. Er wisse als Arzt, dass „Cannabis keine harmlose Substanz“ sei und dass es richtig sei, „weiter vorsichtig zu sein“, unterstreicht der Gesundheitsexperte der EVP-Fraktion, Peter Liese. „Auf der anderen Seite erkenne ich an, dass eine Liberalisierung unter strengen Auflagen geprüft werden muss“, sagt Liese dem Tageblatt. Dies müsse jedoch „zwingend auf europäischer Ebene“ geschehen. „Ein deutscher Alleingang unter Dehnung oder gar Bruch des EU-Rechts hätte fatale Signale für die Einhaltung von EU-Regeln auch in anderen Bereichen“, macht der CDU-Europa-Abgeordnete klar.

Es sei anzuerkennen, dass es ein Ungleichgewicht bei der Regulierung von Alkohol und Cannabis gebe. Bei beiden gehe es um „dramatische Gesundheitsschäden“, hält Liese fest, um dann hinzuzufügen: „In beiden Fällen gibt es aber auch moderaten Konsum, den eine Gesellschaft wahrscheinlich tolerieren muss.“

rina
29. September 2022 - 21.58

"Ausdrücklich bescheinigten die Europa-Richter der Stadt das Recht, damit etwas gegen den Drogentourismus aus den Nachbarländern zu unternehmen. Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Unionsbürgern liege nicht vor, wenn damit unerlaubter Drogenhandel bekämpft werde." Nein. Eine STADT kann das tun, ein EU-LAND darf ausländische EU-Bürger nicht anders behandeln. Genau wie eine Stadt ihre Bürger gratis ein Musikschule besuchen lassen kann, während alle Nichtbürger zahlen müssen.