Bel-Val-Wasser: „Ein äußerst angenehmes Heilmittel“

Bel-Val-Wasser: „Ein äußerst angenehmes Heilmittel“

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Die „Société anonyme générale des eaux minérales de Bel-Val“ wurde 1937 aufgelöst. Ganz verschwunden war sie eigentlich nie, doch in Vergessenheit ist sie dennoch geraten. Die Rede ist von der Bel-Val-Quelle.

Von Jo-Anne Wagner 

Als Joseph Steichen im Jahre 1885 den Bauernhof Ernshof erbte, wusste er noch nicht, dass sich eine Wasser- und Geldquelle unter seinen Füßen befand. Erst als er einen Brunnen graben ließ, erahnte er, dass er etwas ganz Besonderes gefunden hatte.

Laboranalysen bestätigten diese Annahme: Das Mineralwasser, das aus der Quelle sprudelte, hatte nämlich bemerkenswerte Eigenschaften. Danach ging es eigentlich sehr schnell. 1893 begann die Kommerzialisierung und die ersten Wasserflaschen kamen auf den Markt. Doch nicht nur das: Das Wasser aus Belval genoss auf Anhieb nationales und internationales Renommee.

Joseph Steichen war ab sofort Besitzer einer Wasserfabrik – mit Erfolg. Die Zahlen sprachen für sich: 300.000 Liter Wasser wurden pro Tag geschöpft und 30.000 Flaschen im ersten Vertriebsjahr verkauft. Bel-Val wurde ebenfalls der offizielle Lieferant der großherzoglichen Familie. Im Zuge dessen wurde dann 1902 die „Société anonyme générale des eaux minérales de Bel-Val“ gegründet, die 1903 durch einen großherzoglichen Beschluss bestätigt wurde.

Kleine Flasche, großes Potenzial

Reich an Eisen, Kalzium und anderen Mineralsalzen wurde das Bel-Val-Wasser nicht nur als normales Tafelwasser benutzt, sondern auch als Heilwasser, u.a. gegen Gicht, Rheumatismus und Magenbeschwerden. Wegen seiner vielen Mineralsalze stellte man ebenfalls Eisen-und Kalziumtabletten damit her, die als Heilmittel gegen Tuberkulose und Anämie genutzt wurden.

Exporte in die ganze Welt. Insgesamt 38 Auszeichnungen. Unter den besten Wasserproduzenten weltweit. In der gleichen Liga wie Vittel, Evian und Contrex. Dass das Wasser eine außergewöhnliche Qualität hat, wurde schnell bekannt. Ob in Europa, Afrika, Nord- und Südamerika oder China – jeder wollte das Bel-Val-Wasser kaufen und trinken. Da die Nachfrage anstieg, entschied man sich dafür, ebenfalls Limonade herzustellen. Dies war jedoch eher ungewöhnlich, weil sich nur wenige Mineralwasserhersteller zum selben Schritt entschieden hatten. Das Ziel war Expansion und Umsatzsteigerung.

Das Ende einer Ära

Leider kam es aber anders als geplant. Im Jahr 1907 gab es einen Brand, der einen großen Teil der Produktions- und Verwaltungsgebäude zerstörte. Dennoch ließ man sich nicht entmutigen. Die Bauarbeiten und die Wiederaufnahme der Produktion fanden noch im selben Jahr statt. 1924/25 dann der Höhepunkt: Zwei Millionen Flaschen jährlich. Die Produktion lief auf Hochtouren.

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929, der Streitigkeiten mit der Arbed wegen der massiven Luftverschmutzung und wegen der steigenden Konkurrenz mit anderen Wasserherstellern wurde „Bel-Val“ hart auf die Probe gestellt. Die Nachfrage verringerte sich und den Betriebsleitern fehlte ledigliche Motivation, weiterzumachen. Sechs Jahre später kam es dann, wie es kommen musste: Die Produktion wurde eingestellt und die „Société anonyme générale des eaux minérales de Bel-Val“ aufgelöst. 1937 wurde das Grundstück an die Arbed verkauft und eine Ära ging zu Ende.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Fabrik dann zum Gefangenenlager für Zwangsarbeiter, vor allem aus Russland, Polen, Serbien und Kroatien. Diese mussten schwere Arbeiten in der „Schmelz“ verrichten. Danach nutzte man die Gebäude, um die sogenannten „Gielemännercher“ – die luxemburgischen Kollaborateure – einzusperren.

Das traurige Schicksal der Quelle

In den kommenden Jahren verfielen die veralteten Gebäude immer mehr. 1958 kam dann das Urteil: Abriss. Sie mussten Platz machen für die neuen Anlagen des Hüttenwerks Esch/Belval und gerieten endgültig in Vergessenheit. Nur wenige kennen die Wasserquelle Bel-Val noch und denken heute an die Blütezeit zurück. Eine Ausnahme bildet Arthur Hoffmann: „Ich erinnere mich noch gut und oft daran, wie ich als kleiner Junge im nahegelegenen Park der Bel-Val-Quelle gespielt habe“, sagt der Hobby-Historiker, der sich gerne in seiner Freizeit dem Kultur- und Geschichtshaus „A Gadder“ widmet. „Jeden Morgen lag eine zwei Zentimeter dicke rote Staubschicht, die von der hundert Meter entfernten Schmelz kam, vor unserer Haustür. Das konnte nicht gut ausgehen“, erzählt Hoffmann, Jahrgang 1937, weiter.

Man könnte ihm stundenlang zuhören, wenn er voller Sehnsucht mit glühenden Augen in der Vergangenheit schwelgt. „Das Bel-Val-Wasser hatte nicht nur eine außergewöhnliche Qualität, sondern war auch ein äußerst angenehmes Heilmittel.“ Das mit dem „äußerst angenehmen Heilmittel“ war denn auch damals ein gängiger Werbe-Slogan.

Heute ist die Wasserquelle Bel-Val in Vergessenheit geraten. Vor 20 Jahren stellte man bei erneuten Untersuchungen fest, dass sich die Qualität des Wassers trotz der langjährigen Tätigkeiten der „Schmelz“ nicht verschlechtert hatte. Die Zukunft der einst weltbekannten Quelle bleibt dennoch ungewiss. Konkrete Pläne bleiben bis heute aus. Nur im Kultur- und Geschichtshaus „A Gadder“ lebt die Erinnerung an die einst bekannte Quelle weiter. Und auch in der Erinnerung von Arthur Hoffmann.