EuropaBei „grünen Finanzen“ kündigt sich ein fauler Kompromiss an

Europa / Bei „grünen Finanzen“ kündigt sich ein fauler Kompromiss an
EU-Kommissarin Mairead McGuinness mit Finanzminister Pierre Gramegna  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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In seiner wohl letzten Pressekonferenz als Finanzminister trat Pierre Gramegna am Montag mit EU-Kommissarin Mairead McGuinness vor Journalisten. Thema waren unter anderem die neuen EU-Regeln zu „grünen Finanzen“. Hier scheint sich ein fauler Kompromiss anzukündigen.

Die aus Irland stammende Mairead McGuinness ist seit Ende 2020 EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion. Derzeit ist sie auf Rundreise in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, um sich die Sicht der einzelnen Länder zu laufenden Projekten anzuhören. Es sei wichtig, auch physisch Präsenz zu zeigen, um zu hören, was den Menschen Sorgen bereitet und in welchen Punkten man von einzelnen Ländern lernen könne, sagt sie.

Für Luxemburg, und besonders für den Finanzplatz, hat sie viele wichtige Dossiers in ihrem Portfolio. Das geht von Regeln für Banken über die Kapitalmarkt-Union, Regeln für Fintech und Versicherungen bis hin zu Geldwäsche-Regelungen.

Luxemburgs Noch-Finanzminister Pierre Gramegna erinnerte in der Pressekonferenz an den seit Jahren erfolgreichen Sektor der Investmentfonds und hob hervor, dass man das Rad (beim Sammeln von Geldern für Finanzierungen) nicht neu erfinden müsse. Das Instrument der Fonds habe sich bewährt. „Wir brauchen da keine Revolution.“ Der Sektor, sowie sein weltweiter Erfolg, basiert auf EU-Regelungen.

Für gute Beziehungen mit London

Weiter pochte der Minister auf den grenzüberschreitenden Charakter des Finanzplatzes. Es sei wichtig, sich nicht vor dem Rest der Welt einzuschließen, warnt der ehemalige Diplomat. Vor allem in Bezug auf die künftigen Beziehungen mit der City of London plädierte er für „gute Beziehungen“. Immerhin habe man (noch) fast die gleichen Regeln. Man solle auf die Interessen beider Seiten aufbauen, so Gramegna. „Das ist im Interesse beider Seiten.“ Ohne Offenheit seitens der EU werde London wegdriften, sagte er. Und das sei nicht gut für den europäischen Staatenbund.

Pierre Gramegna gab sich aber zuversichtlich, dass sich die Regelungen für die Kapitalmarktunion insgesamt in eine gute Richtung entwickeln. Die aktuell vorgeschlagene Version sei gut. Man müsse nun aber noch abwarten und sehen, was sich noch verändern wird.

Mairead McGuinness gab zu verstehen, dass sie die Überlegungen und Bedenken des Luxemburger Ministers verstehe und teile. „Wir werden einen Weg vorwärts finden“, versicherte sie beispielsweise zu den Gesprächen mit Großbritannien. Des Weiteren lobte sie das Großherzogtum für seine „bahnbrechenden und tiefgreifenden“ Anstrengungen im Bereich „grüne Finanzen“.

Aktuell jedoch nehme Europas Finanzwesen die Risiken durch den Klimawandel noch nicht genug in seine Rechnungen mit auf. Der Weg gehe aber in die richtige Richtung, so die EU-Kommissarin. Das Bewusstsein für das Problem sei vorhanden. Nun gelte es jedoch noch, diese Faktoren in die offizielle Berichterstattung des Sektors aufzunehmen, unterstreicht sie. „Wir sind in einer Übergangsphase.“ Weiter hob sie hervor, dass die EU mit ihrer Taxonomie (offizielle Liste von Investitionen, die als „grün“ gelten) den weltweiten „Gold-Standard“ für Investitionen in eine nachhaltigere Zukunft setzen wolle.

Unstimmig bei Gas und Atomkraft

Schwammig wurden die Antworten jedoch bei der Frage, wie der fossile Energieträger Gas und die risikobehaftete Atomkraft von der EU-Taxonomie behandelt werden. Es handle sich um „ein sehr dickes Buch“ und um „weiterlaufende Arbeiten“, so Mairead McGuinness. In der Liste, die bald vorgestellt wird, seien sie nicht enthalten. Aber es handle sich um eine „riesige Aufgabe“, die noch nicht abgeschlossen ist, und um eine „gemeinsame Anstrengung“, erklärte sie. So oder so müssten Firmen im Endeffekt transparent werden und angeben, in welchen Bereichen sie ihre Investitionen tätigen. „Transparenz ist wichtig. Und die Zeit ist knapp.“

Pierre Gramegna seinerseits erinnerte am Montag an die offizielle Luxemburger Position. „Diese Formen der Energieerzeugung sind nicht nachhaltig“, sagte er deutlich. Und er warnte, dass es gelte „Greenwashing“ zu vermeiden. „Wir müssen glaubwürdige Regeln aufstellen. Wenn wir uns selber, und den Planeten, belügen, dann sind die Regeln sinnlos.“ Er zeigte jedoch Verständnis dafür, dass für einen strukturellen Wandel Zeit benötigt wird.

Zwischen den Zeilen hörte es sich, mit anderen Worten, so an: In dem offiziellen Papier, das bald veröffentlicht wird, werden die Energieträger Gas und Atomkraft wohl nicht vorkommen. Mit dem Papier will man Umweltschützern und Atomgegnern somit einen Sieg zugestehen. Doch auf das erste Papier wird wohl ein zweites Papier folgen. In diesem dürfte dann festgehalten werden, dass sowohl Gas als auch Atomkraft in den kommenden Jahren in Europa als „grün und nachhaltig“ bezeichnet werden. Die zwei umstrittenen Energieträger könnten dann wohl die gleichen günstigen Bedingungen wie Solar- oder Windenergie bei Finanzierungen erhalten.

In einer gemeinsamen Erklärung hatten sich vor einem Monat, am Rande der Weltklimakonferenz in Glasgow, die Umwelt- und Klimaminister aus fünf EU-Staaten (Luxemburg, Deutschland, Portugal, Dänemark und Österreich) „für eine nuklear-freie EU-Taxonomie“ ausgesprochen. Dem gegenüber stehen allerdings acht EU-Staaten, allen voran Frankreich, Tschechien, Ungarn und Polen, die das anders sehen.

Zum Schluss der Pressekonferenz erklärte der Finanzminister, mit etwas Traurigkeit im Blick, dass dies, nach acht Jahren im Amt, wohl seine letzte Pressekonferenz gewesen sei. Die EU-Kommissarin fand spontan lobende Worte für ihn: Er sei in den Diskussionen auf EU-Ebene nicht nur ein guter Vertreter für sein Land, sondern ebenfalls auch für die europäische Idee gewesen, so Mairead McGuinness. „Wenn Sie reden, dann hören die Vertreter der anderen Länder auch zu. (…) Ich wollte, dass Sie das wissen.“ Sich den Fragen der Presse zu stellen, bezeichnen beide als absolut wesentlichen Bestandteil einer Demokratie, auch wenn das Beantworten von Fragen manchmal schwieriger sei als das Stellen von Fragen.