Digitaler Kunsttempel„Bassins de Lumières“ in Bordeaux – Kunstwerke fluten alten Nazi-Bunker

Digitaler Kunsttempel / „Bassins de Lumières“ in Bordeaux – Kunstwerke fluten alten Nazi-Bunker
Marc Chagall, dessen Kirchenfenster in der Kathedrale von Metz zu bewundern sind, ist einer der „Stars“ des digitalen Kunsttempels in Bordeaux. Die Multimediashow dürfte niemanden kaltlassen. Foto: Francesca Goetz

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Eine ehemalige U-Boot-Basis in Bordeaux ist zu einem gigantischen Zentrum für digitale Kunst umgebaut worden. Wasser, Licht, Ton und riesige Betonflächen sind die Hauptelemente der „Bassins de Lumières“. Die wechselnden Ausstellungen lassen die Besucher in die 360° projizierten Kunstwerke eintauchen, ganz wie in den „Carrières de Lumières“ in Les Baux-de-Provence und im „Atelier des Lumières“ in Paris. Es ist ein Spektakel für die Sinne und eine faszinierende Begegnung mit der Welt der Kunst. Kalt lässt sie niemanden.

Überraschung geglückt. Erica und Francesca sind begeistert, fast schon wie verzaubert. Die Welt der Kunst hat sie in ihren Bann gezogen oder vielmehr deren Aufbereitung. Passiert ist es in Bordeaux, in einer U-Boot-Basis aus dem Zweiten Weltkrieg. Die gigantische von den Deutschen erbaute Bunkeranlage wurde in ein Zentrum für digitale Kunst verwandelt. Eröffnung war im Juni 2020.

Für „Culturespaces digital“ ist es das dritte Projekt dieser Art und das bisher größte. Es ist dreimal so groß wie die „Carrières de Lumières“ in Les Baux-de-Provence und fünfmal größer als die „Ateliers de Lumières“ in Paris. An allen drei Standorten werden die Bilder auf riesige Flächen projiziert, selbst auf den Boden und an die Decke. In der Provence ist es ein ehemaliger unterirdischer Steinbruch, in Paris eine Art Künstleratelier und in Bordeaux der raue Beton des U-Boot-Bunkers.

Eintauchen in die Kunst

Die wechselnden Ausstellungen sind den großen Künstlern der Kunstgeschichte und der zeitgenössischen Kunst gewidmet. Dank der 360°-Multimediashow taucht man regelrecht in die Kunstwerke ein. Die Show ist so konzipiert, dass man zum Beispiel bei der Entstehung des Bildaufbaus verschiedener Werke von Renoir dabei ist, man erkennt einem bis dato unbekannte Details bei Chagall, weil der Bildausschnitt x-fach vergrößert wird, oder man spürt eine ganz eigene Dynamik bei Dalí, weil die Bilder animiert sind und man zusehen kann, wie die Zeit zerläuft.

In Bordeaux verstärkt das Wasser den Eindruck des Eintauchens in die Kunstwerke. In den Becken, in denen einst die U-Boote anlegten, spiegeln sich die Bilder oder werden gar auf die Wasserfläche projiziert, was zusätzliche Effekte erlaubt.

Im Abendprogramm der „Bassins de Lumières“ stehen bis zum 2. Januar 2022 Klimt und Klee im Mittelpunkt. Das Tagesprogramm ist eine Einladung in „Das unendliche Blau“ von Yves Klein sowie zu einer Reise ans Mittelmeer. Der Weg führt vom Impressionismus über den Pointillismus bis hin zum Fauvismus und der klassischen Moderne. Zu sehen sind Werke von etwa zwanzig Künstlern wie Renoir, Monet, Pissarro, Signac, Derain, Vlaminck, Dufy und Chagall. Die Ausstellung will vor allem hervorheben, wie die unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten im Kontakt mit diesen maritimen Landschaften zum Vorschein kommen und wie das Mittelmeer ihre Entwicklung beeinflusst hat.

Das rund 40-minütige Programm, das man sich übrigens so oft anschauen kann, wie man Lust dazu verspürt, erlaubt Einblicke in den Stil eines jeden Malers. Mehr als 500 Werke, die heute über die ganze Welt verstreut sind, sind digital aufbereitet in den „Bassins de Lumières“ versammelt. Dort überfluten sie die schaurige Weltkriegs-Vergangenheit mit ihren leuchtenden Farben und enthüllen die Kreativität dieser großen Künstler.

Anziehende Kunst

Puristen mögen einwenden, dass nichts über den Besuch eines Museums gehe. Natürlich hat es etwas, in einem der großen Kunsttempel vor einem Kunstwerk zu stehen, es in Originalgröße zu betrachten und zu wissen, diesen Pinselstrich hat des Meisters Hand vor vielen Jahren gemacht.

Meister ihres Fachs sind aber auch die Leute von „Culturespaces digital“. Sie schaffen neue Tempel und machen mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit Kunst einem breiten Publikum im wahrsten Sinne des Wortes zugänglich, Menschen, die vielleicht nie ein Museum betreten würden, weil sie sich nicht angesprochen fühlen. In Bordeaux, Paris und in der Provence werden sie es. Vielleicht werden sie, aus neu erwachsener Neugierde, später ja mal im Louvre, Prado oder Eremitage vorbeischauen.

Wie auch immer man die Sache sieht, etwas ist ganz sicher: Die Art und Weise, wie in Bordeaux ein U-Boot-Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zweckentfremdet wurde, ist ein schöner Triumph der Kunst über die dummdreiste Ideologie der Nazis.

Praktisches

Unter anderem die Öffnungszeiten, Preise und natürlich die jeweils genauen Programme finden sich auf www.carrieres-lumieres.com
www.atelier-lumieres.com
www.bassins-lumieres.com
Weil Fotos die Atmosphäre der Multimediashow nicht wirklich wiedergeben, empfehlen sich Videos als Appetitmacher. Solche befinden sich zum Beispiel auch auf YouTube.