Historisches Ereignis für KaribikinselBarbados feiert den Übergang zur Republik

Historisches Ereignis für Karibikinsel / Barbados feiert den Übergang zur Republik
Sanfter Wechsel: Statt wie bisher als Generalgouverneurin Ihrer Majestät amtiert Sandra Mason, 72, seit Dienstag als Präsidentin Foto: AFP/Randy Brooks

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Barbados ist jetzt eine Republik. Für die Einwohner der Karibikinsel ändert sich nicht viel. Zur Feier war extra Prinz Charles angereist. Dem stahl aber Popsängerin Rihanna die Show. 

Knapp 400 Jahre nach der Ankunft der ersten englischen Siedler war in der Nacht zum Dienstag der britische Thronfolger Charles Zeuge eines historischen Ereignisses: Am 55. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Großbritannien erklärte sich die kleine Karibikinsel Barbados zur Republik. Damit schrumpfte die Zahl der unabhängigen Staaten, denen Charles’ Mutter Elizabeth II als Staatsoberhaupt dient, auf 15. „Unser Staatsschiff hat seine Jungfernfahrt begonnen“, sagte die neue Präsidentin Sandra Mason in der Hauptstadt Bridgetown.

Mit der Einladung an den Prinzen hatte die Regierung von Premierministerin Mia Mottley die gute Beziehung ihrer oft als „Little England“ bezeichneten Insel zur alten Kolonialmacht dokumentieren wollen. Dass Charles auch tatsächlich an der feierlichen Zeremonie in der Hitze einer karibischen Nacht teilnahm, sorgte bei Monarchisten in der Heimat für Aufsehen: Bisher galt die Teilnahme von Royals an ähnlichen Feiern für unüblich.

Freilich sind sie auch seit der Welle der Unabhängigkeitserklärungen im vergangenen Jahrhundert zur Seltenheit geworden; als bis dahin letzte Ex-Kolonie hatte 1992 Mauritius seine verfassungsmäßigen Bindungen zur Monarchie gekappt. Im 54 Mitglieder starken Commonwealth, dem Club britischer Ex-Kolonien, will Barbados bleiben.

Die Debatte über ein heimisches Staatsoberhaupt geht mehrere Jahrzehnte zurück. Bei der jüngsten Parlamentswahl 2018 gelang Mottleys Labour Party ein Erdrutschsieg; zu den Wahlversprechen gehörte die Entkriminalisierung von Cannabis ebenso wie der Übergang zur Republik, wobei ersteres Thema in der Öffentlichkeit deutlich kontroverser diskutiert wurde. Im vergangenen Jahr nutzte Mottley die „Black Lives Matter“-Bewegung dazu, den Termin für die Abnabelung von der fernen Monarchin festzulegen.

Rihanna bekommt den Titel „Nationalheldin“

Die Leichtigkeit, mit der die Ablösung von der Krone gelang, deutet darauf hin, wie wenig sich für die knapp 300.000 Inselbewohner ändert. Die Flagge, das Staatswappen und die Nationalhymne bleiben gleich, aus „Ländern der Krone“ werden „staatliche Grundstücke“. Auch das neue Staatsoberhaupt sieht dem alten verdächtig ähnlich. Statt wie bisher als Generalgouverneurin Ihrer Majestät amtiert Sandra Mason, 72, seit Dienstag als Präsidentin. Die neue, inoffizielle Königin dürfte ohnehin eine Popsängerin sein: Rihanna, 33, erhielt am Rande der Unabhängigkeitsfeier den offiziellen Titel einer „Nationalheldin“.

Prinz Charles gratuliert Rihanna zu ihrem neuen Titel: Die Sängerin ist die mittlerweile elfte „Nationalheldin“ von Barbados
Prinz Charles gratuliert Rihanna zu ihrem neuen Titel: Die Sängerin ist die mittlerweile elfte „Nationalheldin“ von Barbados Foto: AFP

In seiner Abschiedsansprache sprach Thronfolger Charles in ungewöhnlich klaren Worten vom kolonialen Erbe der Sklaverei, „die auf immer unsere Geschichte beschmutzt“. Tatsächlich wurden die Inseln in der Karibik von Kuba bis Barbados in der frühen Neuzeit zum Schauplatz eines millionenfachen Verbrechens – „ein Pfand europäischer Machtpolitik, das Cockpit von Europa, Austragungsort heißer wie kalter Kriege“, wie der Historiker und spätere Premierminister von Trinidad&Tobago, Eric Williams, schrieb.

Schätzungen sprechen von elf Millionen Schwarzafrikanern, die aus ihrer Heimat verschleppt und als Entrechtete über den Ozean gebracht wurden; viele weitere Millionen wurden schon in Afrika oder auf der Reise getötet. Das kaum vorstellbare Unrecht, Fundament des Reichtums der europäischen Kolonialreiche, dauerte bis weit ins 19. Jahrhundert hinein.

Brutale Kolonialgeschichte

Vom frühen 17. Jahrhundert an spielte für die aufstrebende Seemacht England und später Großbritannien der Zuckerrohr-Produzent Barbados eine besondere Rolle. „Zucker und Sklaverei passten genau zueinander“, konstatiert der englische Autor Matthew Parker („Sugar Barons“). Über Nacht wurde Barbados Londons bei weitem wichtigste Kolonie, rasch wurde auf 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Zucker angebaut. Um die Gier des Mutterlands auf die süßen Kristalle zu befriedigen, brutalisierte sich das karibische Paradies mit rasender Geschwindigkeit. 1643 zählte man auf der kleinen Insel 37.000 Weiße und 6.000 afrikanische Sklaven; nur 17 Jahre später lag die Zahl der Schwarzen bei mehr als 50.000.

Unter Premierministerin Mottley verfolgt die neue Republik, gemeinsam mit 14 anderen Ländern der karibischen Gemeinschaft (Caricom), Milliarden-Ansprüche gegen die früheren Kolonialmächte, darunter auch Großbritannien. Die Rede ist von Schuldenerlass, mehr Entwicklungshilfe sowie Ausbilder für Lehrer und Ärzte.

In Charles’ Gegenwart wurde das Thema diplomatisch ausgespart. Dass sich der mittlerweile 73-Jährige seit vielen Jahrzehnten für die Rassengleichheit einsetzt, machten seine Vertrauten zu Wochenbeginn zum Thema. Ein neues Buch beschuldigt den Thronfolger nämlich mindestens einer Taktlosigkeit, wenn nicht des offenen Rassismus: Anlässlich der Verlobung seines jüngeren Sohnes Harry mit der afroamerikanischen Schauspielerin Meghan Markle habe Charles über die Hautfarbe zukünftiger Kinder spekuliert. „Reine Fiktion“, ließ der Palast verlauten. Das Paar lebt mittlerweile mit seinem 2019 geborenen Sohn Archie in Kalifornien; als Begründung für die Entfremdung vom Königshaus hatte Meghan in einem TV-Interview unter anderem die umstrittene Anekdote ins Feld geführt.

JJ
1. Dezember 2021 - 10.20

Pomp and Circumstance. Dass die "everlasting" Queen noch miterleben muss wie ihr Reich zerbröckelt....aber was ist schon für die Ewigkeit?!