Sonntag7. Dezember 2025

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KommentarAustraliens Social-Media-Verbot – ein überfälliger Schritt

Kommentar / Australiens Social-Media-Verbot – ein überfälliger Schritt
14-jähriger Junge nutzt Handy in Gosford, Australien, vor Verbot von Instagram und Social Media ab 10. Dezember Foto: AFP/David Gray

Wenn ab 10. Dezember in Australien Jugendliche unter 16 Jahren von Facebook, Instagram, TikTok und Co. ausgesperrt werden, wird die Welt genau hinsehen. Nicht weil Australien ein digitaler Vorreiter wäre, sondern weil es den Mut aufbringt, dort zu regulieren, wo andere nur warnen.

„Nanny State“ – Überwachungsstaat – nennen Kritiker Australien gerne. Ein Land, das seinen Bürgerinnen und Bürgern vorschreibt, wie sie zu leben haben. Doch dieser Vorwurf greift zu kurz. Tatsächlich hat sich Australien als Testlabor für strenge Regulierung etabliert: von Rauchergesetzen über Pandemie-Maßnahmen bis hin zu diesem weltweit ersten Social-Media-Verbot. Und vielleicht funktioniert die multikulturelle Gesellschaft gerade deshalb so gut. Die Akzeptanz von Regeln ist hoch, das Vertrauen in die Regierung deutlich größer als in vielen europäischen Ländern. Umfragen zeigen eine Zustimmung zwischen 60 und 80 Prozent für das Verbot.

Wenn Selbstregulierung versagt

Professor Terry Flew von der Universität Sydney bringt den Kern des Problems auf den Punkt: „Es gab einen Zusammenbruch des Vertrauens in die Selbstregulierung der Industrie.“ Plattformen wie Facebook und Instagram haben seit jeher eine Altersgrenze von 13 Jahren in ihren Nutzungsbedingungen verankert. „Hätte es ernsthafte Bemühungen gegeben, ihre eigenen Regeln durchzusetzen, würden wir diese Gespräche heute vielleicht nicht führen“, so der Medienexperte. Stattdessen wurden Geldstrafen zum bloßen Geschäftsmodell, als kalkulierbare Kosten des Profits verbucht.

Besonders entlarvend ist die Doppelmoral, auf die Flew hinweist: Die Kinder von Tech-Unternehmern im Silicon Valley besuchen Elite-Schulen, in denen Handys strikt verboten sind. Jene, die von der Aufmerksamkeitsökonomie profitieren, schützen den eigenen Nachwuchs vor genau den Produkten, die sie anderen verkaufen.

Ursula von der Leyen formulierte die Problematik im September treffend: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Eltern und nicht Algorithmen unsere Kinder erziehen sollten.“ Die EU-Kommissionspräsidentin, selbst Mutter von sieben Kindern, verfolgt Australiens Vorstoß aufmerksam, „um zu sehen, welche nächsten Schritte wir hier in Europa unternehmen können“.

Die Realität überforderter Familien

Denn die Wirklichkeit vieler Eltern hat mit der romantisierten Vorstellung von kontrollierten Bildschirmzeiten wenig gemein. Australien ist teuer, viele Eltern arbeiten Vollzeit. Sich nebenbei noch um den Medienkonsum zu kümmern, überfordert schlicht. Das Verbot nimmt diesen Druck von den Familien und legt die Verantwortung dorthin, wo sie hingehört: zu den Plattformen selbst. Diese müssen bei Verstößen künftig mit Strafen bis zu 50 Millionen Dollar – fast 30 Millionen Euro – rechnen.

Überraschenderweise offenbaren Gespräche mit Jugendlichen ein nuanciertes Bild: Zwar kommentieren viele, das Verbot ließe sich leicht per VPN oder mit dem Gesicht eines älteren Mitschülers umgehen. Zugleich aber empfinden nicht wenige Erleichterung. Endlich Zeit für anderes, Schöneres, ohne den ständigen Druck, online präsent sein zu müssen. Was Teenager wirklich suchen, sind nicht mehr Swipes, Likes und Filter – es sind echte Verbundenheit, Freundschaft, Zugehörigkeit. Genau das haben Snapchat, TikTok und Instagram nie wirklich geboten.

Dass Teilnehmer einer internen Meta-Studie von weniger psychischen Problemen berichteten, wenn sie auf Facebook und Instagram verzichteten, überrascht in diesem Kontext kaum. Ebenso wenig, dass der Mutterkonzern das Forschungsprojekt daraufhin abrupt beendete.

Zeit für Alternativen

Natürlich gibt es berechtigte Bedenken: Kinder auf dem Land ohne Zugang zu physischen Gemeinschaften, LGBTQ-Jugendliche, die online Halt und Zugehörigkeit finden. Diese Minderheiten dürfen nicht vergessen werden. Doch das Verbot ist kein absolutes „Nein“, sondern ein „Noch nicht“. Es schafft Zeit – für Schulen und Eltern, digitale Kompetenz zu vermitteln; für die Gesellschaft, Alternativen aufzubauen; für die Plattformen, endlich Verantwortung zu übernehmen.

Die Frage ist einfach: Wenn wir als Gesellschaft unseren Kindern beigebracht haben, dass sie bis zu einem bestimmten Alter nicht rauchen oder trinken dürfen, warum sollte dasselbe nicht für Social Media gelten? Australien wagt den ersten Schritt. Die Welt sollte folgen.

Luxmann
7. Dezember 2025 - 13.56

Trink oder rauchverbote fuer minderjaehrige werden von vielen leicht umgangen..hier wird es nicht anders sein

Montenegro Italo
7. Dezember 2025 - 11.59

Das ist völlig falsch, Freiheit ist mit niemandem verhandelbar... außer mit dem Staat...

Montenegro Italo
7. Dezember 2025 - 11.58

Muy mal…la libertad no es negociable…