FußballAuf den Punkt mit Marcus Weiss (Trainer Jeunesse Esch)

Fußball / Auf den Punkt mit Marcus Weiss (Trainer Jeunesse Esch)
Marcus Weiss Foto: Editpress/Alain Rischard

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In unserer Rubrik „Auf den Punkt mit …“ fühlen wir Akteuren aus der BGL Ligue auf etwas andere Art auf den Zahn. In dieser Woche erzählt uns Jeunesse-Trainer Marcus Weiss, welche griechischen und polnischen Einflüsse es auf der „Grenz“ tatsächlich gibt und warum man in einer Maison-relais abschalten kann.

Tageblatt: Weiss Marcus wirklich alles?

Marcus Weiss: (lacht) Ja, er weiß alles. Es wird aber auch bei meinem Arbeitgeber viel über Wortwitze gelacht. Ich arbeite bei Arcus, da heißt es immer „der Marcus von Arcus“. In meiner Jugend haben mich einige „Whity“ genannt. Aber viele Gags gab es eigentlich nicht.  

Als Sie sich für die Jeunesse entschieden haben, waren die griechischen Investoren noch nicht da. Wie viel Ouzo, Sirtaki und Feta gab es denn bisher auf der „Grenz“? 

Bislang leider noch gar nichts. Außer unseren beiden Spielern haben wir noch nichts aus Griechenland bekommen. Es würde echt mal Zeit, dass sie uns auf ein paar Spezialitäten einladen würden. Wir warten jedenfalls drauf – oder auf ein Trainingslager auf Kreta. Der Vizepräsident ist sehr präsent und fast bei jedem Training vor Ort. Der Präsident war auch schon drei- oder viermal da. Wir stehen im telefonischen Dauerkontakt. Sie sind sehr involviert. Es ist ein positives Zeichen. Ich habe ehrlich gesagt gar nichts erwartet, da wir ja alle nicht wussten, was passieren würde. Die Gespräche sind auf Vorstandsebene gelaufen und wir, der sportliche Bereich, wurden im Prinzip genauso vor vollendete Tatsachen gestellt wie beispielsweise die Zuschauer.

Ihren Trainerstab komplettieren mit Christoph Schesniak (Torwarttrainer) und Dariusz Brzyski (Co-Trainer) zwei Assistenten aus Polen. Gibt es irgendein Klischee über Polen, das tatsächlich zutrifft?

Also es gibt eins – aber ob man das schreiben darf … Jedes zweite Wort ist „kurwa“ … Ansonsten muss man sagen, dass die für mich eher Deutsch-Polen sind. Beide sind extrem akribisch. Wenn ich auf das Trainingsgelände komme – und ich komme als Deutscher ja relativ früh – sind beide meistens schon da. Der Brzyski hört das jetzt vielleicht nicht gerne, aber der ist mittlerweile sehr verdeutscht. 

Ihr ehemaliger Präsident Paul Ragot (Mertert/Wasserbillig) erzählte uns, dass Sie eher die kollegiale Schiene fahren würden – und nie den Chef raushängen lassen. Gab es deshalb bereits Autoritätsprobleme? 

Dieses kumpelhafte Verhalten wird mir nachgesagt. Ich bin der Meinung, dass ich mir kein arrogantes Auftreten erlauben kann. Mein Opa hat mir immer gesagt: „Wer die Nase zu weit oben trägt, tritt oft unten in Scheiße.“ Es ist für die Spieler klar, wer der Chef ist und die Aufstellungen macht. Die Spieler sind manchmal überrascht, dass es in vielen Dingen sehr sachlich abläuft. Ich bin nur ein Mensch und setze mich nicht künstlich über die Mannschaft. Auf den ersten Moment gibt es wahrscheinlich niemanden, der bei mir sagen würde, dass er mich unsympathisch findet … aber nach einer gewissen Zeit vielleicht schon.

Mit Mertert/Wasserbillig ging Ihr Teambuilding-Ausflug nach Dublin. Wohin soll die Reise mit der Jeunesse gehen?

Kreta steht ganz oben auf der Liste, sobald wir wieder reisen dürfen. Damals in Mertert/Wasserbillig wurde der Ausflug in eine Länderspielpause verschoben, weil wir uns für das Halbfinale der Coupe de Luxembourg qualifiziert hatten. Diese Reise hat der Mannschaft sicher nicht geschadet, jedenfalls nicht vom Teamgeist her. Ein Team braucht auch Erlebnisse neben dem Platz. Diese sind aufgrund von Corona und des Zeitplans bisher kurz gekommen. Die Mannschaft versteht sich aktuell schon sehr gut. Wir waren einmal gemeinsam in den Kletterpark, aber hatten kaum Zeit für gemeinsame Teamaktionen. 

Haben Sie das Thema „Europapokal“ bewusst bei diesen Reisen ausgeklammert?

Ja. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir noch keine Topmannschaft sind. Auch wenn wir einen guten Saisonstart hingelegt haben, müssen wir wirklich bescheiden bleiben. Bei dem einen oder andern ist das sehr schnell umgeschwungen und es wurde geglaubt, wir würden jeden Gegner abschießen. Aber das wird definitiv nicht passieren. Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen und aus jeder Begegnung lernen. In den letzten beiden Spielen gab es ein Eigentor und eins vom gegnerischen Torhüter. Das spricht für sich. Wir sind talentiert, aber noch nicht konstant. 

Diesmal sind Sie selbst in den neuen Verein gekommen – gab es denn für Sie als Coach auch ein Willkommensritual?

Klar, ich musste auch singen. Den Songtitel behalte ich für mich. Scheinbar gibt es in Esch immer „Poulet“ für die Spieler. Jeder musste singen und ich kann behaupten: gesangstechnisch könnten wir auf jeden Fall „europäisch“ spielen. Das war bei einigen extrem gut. Die Griechen waren super. Markus Einsiedler ist ein bisschen abgefallen mit seiner bayrischen Nummer. 

Was hat Ihnen bei den Plänen, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen, tatsächlich einen Strich durch die Rechnung gemacht? 

Ich hatte bereits eine Einigung mit einem Vermieter gefunden, als das Wirtschaftsministerium die Rahmenbedingungen für das Gewerbegebiet geändert hat. Es ist keine witzige Geschichte. Ich habe dann in der „Maison-relais“ in Niederanven angefangen, weil ich auch nicht mehr bei meinem alten Arbeitgeber so weitermachen wollte. Die Arbeitszeiten arrangieren sich halt sehr gut mit Fußball. Es ist eine Teilzeitstelle und durch die Mittagsschicht passt das. Mit Fitness wäre das nicht möglich, weil man arbeitet, wenn alle andern Freizeit haben. 

Werden Sie den Schritt in die Selbstständigkeit noch mal versuchen?

Eine Mannschaft auf dem Niveau zu führen, ist eigentlich auch wie in einem Unternehmen. Eine gute Sache hat der Klinsmann mal gesagt: Der moderne Trainer ist ein Dienstleister für die Spieler. Er sorgt dafür, dass sie gut performen können. Im Prinzip sind sie Kunden. Zudem hast du nebenher Marketing und PR, weshalb sich ein Trainerjob im Großen und Ganzen nach Selbstständigkeit anfühlt. 

Was ist schlimmer: Kinder, die in der Mittagspause überdrehen, oder Gegentore kassieren?

Gegentore auf jeden Fall. Die Kinder gehen seit der Rentrée zwar auch richtig ab, aber das kann man wegschmunzeln. Das kann ich bei Gegentoren nicht. Nicht mal ein Torhütertor. Wenn ich mit den Kindern draußen kicke, fragen sie mich verwundert, ob ich auch Fußball spiele. Sie bejubeln ihre Treffer übrigens immer mit dem Torjingle aus Hostert. Ich habe Psychologie studiert, wurde als Bewegungsexperte eingestellt und muss auch mal eine Pampers wechseln – aber es geht hauptsächlich um Bewegung. Es wird viel getobt, ist alles sehr lebhaft und liebevoll. Mein Ziel war es immer, meinen ganzen Tag im Sportbereich tätig zu sein. Das hier ist ganz angenehm und perfekt zum Abschalten. Wenn ich jetzt acht Stunden in der Praxis sitzen würde und müsste dann abends zum Training, würde meine Birne explodieren. Mit den Kindern ist das was ganz anderes, was sich extrem gut ergänzt.

Ich bin nur ein Mensch und setze mich nicht künstlich über die Mannschaft

Marcus Weiss, Jeunesse-Trainer


2 Fragen zum Wochenende

Wie schwer ist das Unentschieden vom Mittwoch wegzustecken?

Fußballerisch war es bis zum gegnerischen Sechzehner unser bestes Spiel. Eins von den Zielen haben wir erreicht. Es war klar, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen würden. Dass es jetzt in Ettelbrück passiert – und es dann ausgerechnet der erste Torschuss ist, der auch noch vom Keeper kommt … Der nimmt den Ball an wie Messi und knallt ihn rein wie Ronaldo. Wahnsinn! Ich war noch nie im Stadion, wenn ein Keeper getroffen hat. Meine Stürmer haben an diesem Tag nicht annähernd sowas vollbracht. Wir hatten zweimal Schlussphasen gut überstanden. Diesmal war ich mir am sichersten, und es hat nicht gereicht. 

Das zweite kampfbetonte Spiel der Woche steht am Sonntag gegen Hostert an. Was erwartet die Jeunesse?

Kampfbetont wird es auf jeden Fall. Dariusz Brzyski sprach sogar von Rugby. Wir müssen voll dagegenhalten und fußballerisch überzeugen. Die haben einen Trainer auf der Bank, der mehr Saisons auf dem Kerbholz hat als ich Jahre. Der stellt die gut ein und macht denen bestimmt mächtig Feuer unterm Hintern.