Anwalt aus Überzeugung: Gilles Boileau erzählt über Studium, Praktikum und Praxis

Anwalt aus Überzeugung: Gilles Boileau erzählt über Studium, Praktikum und Praxis

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Eher spät, erst nach dem Studium der Rechtswissenschaften, hat Gilles Boileau sich entschieden, Anwalt statt Diplomat zu werden. Bereuen tut er es nicht. Vielseitig nennt er den Beruf, mit dem er etwas bewegen und seinen Mandanten zu ihrem Recht und somit zu Gerechtigkeit verhelfen kann. Einen Teil seiner Freizeit verbringt der heutige Strafverteidiger gerne im Skaterpark bei der Petruss. 

Wie funktioniert die Welt, wie ticken die Menschen? An Antworten auf diese Fragen ist Gilles Boileau als Schüler besonders interessiert. Philosophie reizt ihn, Psychologie und die Humanwissenschaften im Allgemeinen. Anwalt zu werden, gehört noch nicht zu seiner Lebensplanung.

Nach dem Abitur studiert er Rechtswissenschaften in Montpellier und in Lyon. In den ersten Tagen des Studiums hält der Dekan eine Rede. An einen Satz erinnert Gilles Boileau sich bis heute: „Le droit mène à tout, il suffit d’en sortir.” Dies  sei eine gute Beschreibung des Studiums, sagt er, denn Juristen und ihr fundiertes Rechtswissen sind in vielen Bereichen gefragt. Daher wird nicht jeder, der Recht studiert, später auch Anwalt. Auch für Gilles Boileau ist dieser Berufsweg damals nicht erste Wahl.

Lieber Anwalt statt Diplomat

Das Rechtsstudium aber gefällt ihm. Es sei sehr vielseitig gewesen, erinnert er sich: Soziologie, Geschichte, Philosophie, Politik, viel Allgemeinwissen. „Wer denkt, ein Rechtsstudium ist trocken und besteht nur aus Auswendiglernen, der irrt.“

Nach seinem Abschluss interessiert sich Gilles Boileau für internationale Beziehungen. Bei der UNO in Wien macht er ein Praktikum. Als Diplomat in einer unserer Botschaften zu arbeiten, das könnte etwas sein, habe er damals gedacht. Doch nach einigen Monaten lässt die Begeisterung nach. Er beschließt, nach Luxemburg zurückzukehren und ein Praktikum in einer Anwaltskanzlei zu machen.

Zwei Wochen später ist er überzeugt: „Das ist mein Ding.“ Es begeistert ihn, dass man als Anwalt etwas bewegen kann und Resultate oft sofort zu erkennen sind. Um seinen Berufswunsch in die Tat umzusetzen, muss er allerdings zuerst noch die CCDL („Cours complémentaires en droit luxembourgeois“) absolvieren. „Man schwitzt schon manchmal“, sagt er, da es ein großes Pensum sei, vor allem habe er sich mit Fächern befassen müssen, die er während des Studiums etwas vernachlässigt habe. Trotzdem habe die Uni das nötige Fachwissen vermittelt, um die etlichen Examen am Ende  zu bestehen.

Ob Bürodress, Anwaltsrobe oder lässige Kleidung – Gilles Boileau fühlt sowohl im Job als auch im Skatepark wohl (Foto: Editpress/Alain Rischard)

Ins kalte Wasser geworfen

Im Alter von 26 Jahren wird Gilles Boileau 2013 als „Avocat stagiaire“ vereidigt. Anschließend beginnt sein zweijähriges Praktikum in einer Kanzlei. „Da wurde ich ins kalte Wasser geworfen“, sagt er. Um als Anwalt an allen Luxemburger Gerichten zugelassen zu werden, muss man am Ende des Praktikums den „Avoué“ machen – ein Examen, das aus zwei Teilen besteht: allgemeines Recht und eine Spezialisation nach Wahl.

Er wählt Strafrecht. Mit bestandenem Examen wird man „Avocat à la cour“. Damit kann je nachdem auch der Verdienst ändern, der während des Praktikums eher bescheiden ist. Um es jedoch als selbstständiger Anwalt zu etwas zu bringen, „muss man selbst fischen“ gehen.

Soziale Ader

Rund 2.800 Anwälte sind in Luxemburg eingeschrieben. Wobei grob zu unterscheiden ist zwischen dem Anwalt, der im Gerichtsaal ein leidenschaftliches Plädoyer hält, und dem Anwalt, der in Geschäftsangelegenheiten eher im Hintergrund agiert. Beide Sparten verlangen unterschiedliche Persönlichkeiten und Herangehensweisen. Kontaktfreudigkeit, eine soziale Ader und einen klaren Kopf behalten seien einige der Voraussetzungen, die man als Anwalt für Strafsachen mitbringen sollte, sagt der heutige Strafverteidiger.

Seine Arbeit sei mehr als vielseitig, nicht einfach, aber dankbar. Nicht einfach, weil man zumal als junger Anwalt oft seine Arbeitsstunden nicht zählen dürfe, dankbar allerdings, wenn man einem Mandanten zu seinem Recht verhelfen konnte, wenn er froh darüber ist, dass man etwas für ihn erreichen konnte. Das sei dann schon ein gutes Gefühl, findet Gilles Boileau.

Abstand nehmen und objektiv sein

Wie sieht er seine Rolle als Anwalt im Strafverfahren? „Nicht zu viel Identifikation mit meinem Mandanten. Verstehen ja, nachvollziehen vielleicht. Aber als Anwalt muss man Abstand nehmen und wahren können, Abstand zu den Gefühlen, um die Fakten objektiv betrachten zu können. Einem Beschuldigten gelingt das kaum. Er steckt persönlich zu sehr drin, um objektiv zu sein. Deshalb muss der Anwalt die nötige Objektivität wahren, um agieren zu können, wenn es nötig ist.“

Was die Sprachanforderungen anbelangt, sind Französisch und Luxemburgisch, neben Deutsch, immer noch die Hauptsprachen vor Gericht. In den Gesetzestexten sei es Französisch. Deshalb ist ein Studium in Frankreich oder Belgien immer noch anzuraten, auch weil deren Rechtsprechung unserer sehr ähnelt.

Ein Prinzip hierzulande ist, dass ein Anwalt in Luxemburg alle drei Verwaltungssprachen des Landes versteht. Um seine Zulassung zu erhalten, muss er auch einen Sprachnachweis erbringen. Englisch spiele auch eine wichtige Rolle, sagt Gilles, vor allem im „Droit des affaires“, als Strafverteidiger weniger. 

Beruf im Wandel

Wie viele andere Berufe ist auch der des Anwalts im steten Wandel. Die Zahl der Anwälte ist in den letzten 50 Jahren enorm gestiegen. Die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen auch. Die Welt wird komplexer und so muss der Beruf des Anwalts sich anpassen.

So gesehen ist die Anzahl und die Spezialisation der Anwälte in Luxemburg eigentlich ein Spiegelbild der Gesellschaft. Der Finanzplatz spielt dabei sicherlich eine große Rolle. Die Komplexität der Fälle ist auch dafür verantwortlich, dass Anwälte sich heute, anders als früher, quasi in größeren und breit aufgestellten Kanzleien zusammenschließen müssen. Morgen, und auch das ist in anderen Berufen nicht anders, wird die Technik, die künstliche Intelligenz stärker Einzug halten und Teile des Berufs automatisieren. Auch da muss man sich anpassen, sagt Gilles Boileau. Weiterbildung, wie die vom Anwaltsverband angebotenen Fachtagungen, sei da eine große Hilfe.

Die Freude an seinem Beruf scheint ihm bis heute nicht abhandengekommen zu sein. Im Gegenteil. Und wenn er mal richtig abschalten möchte, dann tauscht er Bürodress oder schwarze Anwaltsrobe gegen lässige Skaterkleidung. An freien Tagen oder nach Feierabend kann man ihn dann öfters im Skatepark unten bei der Petruss antreffen.