Angst vor Isegrim: Der Werwolf vom „Roudenhaff“ und andere böse Wölfe in Luxemburg

Angst vor Isegrim: Der Werwolf vom „Roudenhaff“ und andere böse Wölfe in Luxemburg

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Der Wolf und insbesondere der Werwolf beschäftigen die Menschen bereits seit Jahrhunderten – auch in Luxemburg. 

Von Roby Fleischhauer

Wir hatten in einem vergangenen Beitrag über die abgeschossenen Wölfe in Lasauvage und Niederkorn berichtet und dabei festgestellt, dass die Angst vor dem bösen Wolf schon immer groß war, obschon wir inzwischen wissen, dass der Wolf, wenn er nicht angegriffen wird, dem Menschen eher aus dem Wege geht.

Im Zusammenhang mit dem „bösen Wolf“ erfanden die Leute im Laufe der Jahrhunderte ein noch schrecklicheres Wesen, nämlich den Werwolf, eine Mischung aus Tier und Mensch. Der Werwolf oder „loup-garou“ ist ein Fabelwesen, das während Jahrhunderten durch Erzählungen und Märchen geisterte. Zumeist sollte es sich bei den Werwölfen um Menschen handeln, die einen Pakt mit dem Teufel eingingen, um von demselben in einen menschlichen Wolf verwandelt zu werden. Zur Zeit der Hexenprozesse wurden etliche Männer hingerichtet, weil sie im Verdacht standen, Werwölfe zu sein, das heißt mit dem Teufel im Bunde zu stehen.

Werwölfe „made in Germany“

Richtige Werwölfe gibt es keine. Der Begriff wurde aber manchmal benutzt, um Ängste zu schüren. Im Herbst 1944 zum Beispiel, als sich das „tausendjährige deutsche Reich“ seinem Ende entgegenneigte und von den Russen und den Alliierten eingenommen wurde, stellte der SS-Reichsführer Heinrich Himmler eine Truppe auf, die er „Werwölfe“ nannte. Sie wurden darauf trainiert, aus dem Hinterhalt heraus Sabotage-Aktionen in den von den Alliierten besetzten Gebieten durchzuführen und dabei so viele Besatzer wie möglich zu ermorden. Den „Jagdgruppen“ und „Rudel“ der „Werwölfe“ blieben allerdings nur wenige Gelegenheiten, Schaden anzurichten. Angst erzeugte lediglich die diesbezügliche Nazipropaganda, welche den Alliierten vorgaukelte, hinter jeder Ecke lauere ein „Werwolf“. Mit Erfolg. Den US-amerikanischen GIs, die als Vorhut die deutschen Gebiete betraten, stand häufig auch die Angst vor einem Hinterhalt der „Werwölfe“ ins Gesicht geschrieben. Diese Angst äußerte sich leider mehr als einmal in übertriebener Aggressivität und Misstrauen gegenüber der Zivilbevölkerung.

Es gab viele Sagen, die den Werwolf als Hauptfigur hatten. So zum Beispiel die Sage des Werwolfs vom „Roudenhaff“. Wir finden sie im „Sagenschatz des Luxemburger Landes“ von Nicolas Gredt.

Bund mit den Teufel in Differdingen

Beim Bau des Rotenhofs in der Gemeinde Differdingen ging der Bauunternehmer einen Bund mit dem Teufel ein, infolge dessen er sich in einen Werwolf verwandeln konnte. Er tat dies, um seine Arbeiter genau zu beobachten. Das Tier legte sich am Saum des Waldes nieder, der den Hof umgrenzte. Entdeckte es einen Arbeiter, der seine Aufgaben schlecht erledigte oder ein Nickerchen machte, dann gab es Lohnabzüge vom Chef.

Vergebens versuchten die Arbeiter zu ermitteln, woher der Bauunternehmer die Informationen über alle ihre Verfehlungen bekam. Eines Tages bemerkte jemand aber den Wolf. Es fiel ihm auf, dass das Tier sie ständig beobachtete. Er machte seine Kameraden darauf aufmerksam. Tags darauf brachte jemand ein Gewehr mit: Man schoss auf den Wolf, aber niemand traf ihn. Da ließ man die Kugel segnen, lud sie ins Gewehr und schoss erneut auf den Wolf, worauf dieser unter entsetzlichem Geheule zu Boden sank. Man lief zu dem Tier, fand jedoch den Bauunternehmer, der in seinem Blut schwamm.

Weitere Werwölfe in Luxemburg

Dann gab es noch den Werwolf von Hoffelt, der dem Knecht das Brot stahl. Dieser schoss ebenfalls mit einer gesegneten Kugel auf ihn. Er erlegte den Werwolf, der aber auch hier als Mensch niedersank.

In Gonderingen erlegte ein Knabe angeblich ebenfalls einen Werwolf mit einer gesegneten Kugel. In Lintgen verwandelte sich ein Großvater in einen Werwolf. Auch hier bedurfte es einer gesegneten Kugel, um ihn zu töten.

In Dalheim erschoss der Hirte den Werwolf mit einem silbernen 50-Centimes-Stück, denn nur mit Silber konnte man ihn erledigen.

In Mamer fand ein Tagelöhner einen Gürtel, legte ihn um und verwandelte sich in einen Werwolf. Er wurde getötet und verwandelte sich zurück in seine menschliche Gestalt.
In Hosingen indes schlug ein Schäfer mit einem Stock so lange auf einen Wolf ein, bis er sich zurückverwandelte in ein hinkendes Weib. Die Frau hatte laut Erzählung ebenfalls vorher einen verwunschenen Gürtel gefunden.

In Rollingen schließlich ging der Werwolf neben dem pflügenden Bauern her. Hätte dieser ihn angesprochen, hätte das Tier ihn gefressen. Ähnlich sollen Begegnungen mit Werwölfen im Schweichertal, in Rodange und in Vianden verlaufen sein.

 

Ein Gedicht

Der deutsche Dichter Christian Morgenstern, der vor 104 Jahren starb, sah den schrecklichen „Werwolf“ mit dem ihm eigenen Humor:

Ein Werwolf eines Nachts entwich
Von Weib und Kind, und sich begab
An eines Dorfschullehrers Grab
Und bat ihn: Bitte beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf auf seines
Blechschilds Messingknauf
Und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
Geduldig kreuzte vor dem Toten:
„Der Werwolf“, – sprach der gute Mann,
„des Weswolfs“ – Genitiv sodann,
dem „Wemwolf“ – Dativ wie man’s nennt,
„den Wenwolf“ – damit hat’s ein End.
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
Er rollte seine Augenbälle,
Indessen, bat er, füge doch
Zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
Gestehen, dass er von ihr nichts wusste.
Zwar Wölfe gäb’s in großer Schar,
Doch „wer“ gab’s nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind –
Er hatte ja doch Weib und Kind!
Doch da er kein Gelehrter eben,
So schied er dankend und ergeben.