DeutschlandAmpel und Union verständigen sich beim Bürgergeld

Deutschland / Ampel und Union verständigen sich beim Bürgergeld
Empfänger des künftigen Bürgergeldes in Deutschland dürfen nicht mehr als 40.000 Euro Vermögen haben Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

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Die Verhandlungen fanden unter Hochdruck statt – doch quasi in letzter Minute wurden Kompromisse zur größten Sozialreform dieser Wahlperiode gefunden. Nun können sich Millionen Bezieher von Hartz-IV-Leistungen auf eine Erhöhung ihrer Bezüge freuen.

Nach tagelangem zähen Ringen haben die Ampelkoalition und die Union den Weg für das geplante Bürgergeld freigemacht. Beide Seiten erzielten in den Streitfragen zu der geplanten Sozialreform Kompromisse.

So soll es unter anderem künftig ab dem ersten Tag Sanktionen in Form von Leistungsentzug geben können – ohne Ausnahmen. Die von der Ampel vorgesehene Vertrauenszeit von sechs Monaten, in der es etwa bei Pflichtverletzungen keine Leistungsminderungen geben sollte, soll gänzlich entfallen. Die Karenzzeit mit milderen Regelungen, ursprünglich für 24 Monate angesetzt, soll nur noch zwölf Monate betragen. Beim damit zusammenhängenden Schonvermögen setzte die Unionsseite den Angaben zufolge eine Kürzung von 60.000 Euro auf 40.000 Euro durch. Die großzügigeren Zuverdienstgrenzen während des Bürgergeldbezugs – etwa für betroffene Jugendliche, die nebenbei jobben – sollen bestehen bleiben. Darauf hatte vor allem die FDP gepocht.

Den formalen Beschluss muss allerdings der Vermittlungsausschuss fällen, der am Mittwochabend tagt. Bis dahin ist die Einigung nur vorläufig. Zum 1. Januar sollen dann die Bezüge etwa von Alleinstehenden um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen. Betroffen sind mehr als 5,3 Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bekommen.

Für Kompromiss auf Vertrauenszeit verzichtet

„Wir haben auf die Vertrauenszeit verzichtet, um einen gemeinsamen Kompromiss und Mehrheiten im Vermittlungsausschuss zu finden“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. „Ich bedauere das sehr.“ SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sprach von einem „tragfähigen Kompromiss im Sinne der Sache“. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel sagte, es sei gelungen, „ein gutes Gesetz noch besser zu machen“. Es gebe nun einen Vorschlag für mehr Leistungsgerechtigkeit und Aufstiegschancen.

Die Union wiederum sieht den Kompromiss als Erfolg. Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte dem Tageblatt: „Wir haben als Union für Fairness gesorgt: Wer arbeiten kann, soll sich auch einbringen müssen.“ Spahn betonte weiter, wer sich dem verweigere, „muss mit finanziellen Kürzungen rechnen“. Die Idee von Hartz IV bleibe damit erhalten, „es bleibt beim Fördern und Fordern ab dem ersten Tag“. Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner (CDU), betonte: „Das Bürgergeld der Ampel wird dem Inhalt und dem Kern nach nicht mehr das angedachte Bürgergeld sein, das bedingungslos und ohne Sanktionen gezahlt wird.“ Es sei gut und richtig gewesen, „dass wir die Rückkehr zum Prinzip von Fördern und Fordern zur Bedingung unserer Zustimmung gemacht haben“, ergänzte die CDU-Politikerin. Das Bürgergeld sei eine steuerfinanzierte Sozialleistung, eine Solidarität derer, die Abgaben leisten würden. „Das ist richtig, aber umgekehrt muss auch klar sein, dass es im Gegenzug Mitwirkungspflichten geben muss, um wieder in Arbeit zu kommen. Sonst funktioniert unser Sozialstaat nicht mehr“, so Klöckner.

Viele gute Ansätze verwässert

Auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte, der Wegfall der sechsmonatigen Vertrauenszeit, in der keine Sanktionen verhängt werden sollen, sei richtig. „Nicht, weil es falsch wäre, Vertrauen in die Menschen zu haben. Aber es ist wichtig, vom ersten Tag an das Signal zu setzen, dass man erwartet, dass Grundsicherungsempfänger alles in ihrer Macht Stehende tun und die angebotenen Hilfen annehmen, um sich aus ihrer Situation zu befreien.“ Die Arbeitgeber begrüßten den Kompromiss ebenfalls.

Der Sozialverband VdK kritisierte hingegen die härteren Maßnahmen. „Zum neuen Eingliederungsprozess sollte nach der ursprünglichen Planung auch gehören, dass Sanktionen nicht gleich von Anfang an in voller Wucht auf die Antragsteller treffen, sondern es hier ein gestuftes Verfahren geben sollte. Das hätte nach Meinung des VdK zu einer besseren Zusammenarbeit, zu mehr Vertrauen und damit schlussendlich zu einer nachhaltigen Integration in Arbeit führen können“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele dem Tageblatt. Hier sei aus politischem Kalkül ein wichtiger Reformschritt blockiert worden. „Die Gefahr einer Kompromisslösung ist eben, dass viele gute Ansätze verwässert werden.“