Am Rande des Besuchs von Dmitri Medwedew: Eine skurrile Anzeige, ein Streit um 100 Millionen Dollar und eine Klage wegen Verleumdung

Am Rande des Besuchs von Dmitri Medwedew: Eine skurrile Anzeige, ein Streit um 100 Millionen Dollar und eine Klage wegen Verleumdung

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Am Rande des Besuchs von Russlands Premierminister Dmitri Medwedew letzte Woche in Luxemburg sorgte eine skurrile Anzeige im Luxemburger Wort für Verstimmung. Eine Klage wegen Verleumdung ist nun in Vorbereitung. Was war passiert?

Kaum hatte der russische Premierminister am vergangenen Mittwoch seine Rückreise angetreten, da verschickte die Luxemburger East West United Bank (EWUB) eine eher ungewöhnliche Pressemitteilung.

„Mit Erstaunen las die EWUB (…) eine von der Loyal Capital Group bezahlte Anzeige, in der von einer angeblichen strafrechtlichen Untersuchung gegen die Bank und einige ihrer Manager die Rede ist“, so EWUB. Die Bank zählt zum russischen Mischkonzern Sistema.
„Dies war nichts anderes als bezahlte Werbung, die von der Loyal Capital Group eingefügt und bezahlt wurde, und nicht als ein echter Zeitungsartikel zu verstehen, der von einem Journalisten geschrieben und durch Faktenrecherchen unterstützt wurde“, ist in der Pressemeldung weiter zu lesen.

Und tatsächlich: Am Montag, dem Tag vor der Ankunft von Medwedew in Luxemburg, war eine Anzeige im Luxemburger Wort veröffentlicht worden. Unter dem Titel „avis de sociétés“ verkündete die Loyal Capital Group, dass ihres Wissens zufolge eine strafrechtliche Anzeige gegen die EWUB und mehrere Vertreter des Konzerns Sistema eingereicht worden sei.

„Nichts anderes als bezahlte Werbung“

Es gehe um Betrug, Nichteinhaltung des Bankgeheimnisses, Vertrauensbruch und eine kriminelle Vereinigung, war dort zu lesen. Der letzte Satz des „avis de sociétés“ besagt: „Laut den Informationen der Loyal Capital Gruppe geht diese strafrechtliche Ermittlung nun ihren Weg und die Luxemburger Polizei tätigt ihre Nachforschungen.“

Persönlich mit aufgezählt in dem „avis de sociétés“ im Luxemburger Wort waren der russische Hauptaktionär des Sistema Konzerns, Wladimir Jewtuschenkow, sowie der ehemalige Luxemburger Wirtschaftsminister Jeannot Krecké. Er ist seit einigen Jahren Präsident des Verwaltungsrates der EWUB.

In der Pressemitteilung von Mittwochabend versucht EWUB, aufzuklären: Sie gibt an, dass beide Unternehmen sich bereits seit Jahren einen Rechtsstreit liefern. Laut einem Gerichtsurteil aus Luxemburg (Jahr 2017) soll die Loyal Capital Group insgesamt 93,5 Millionen Dollar an EWUB zahlen. Loyal Capital Group ging in Berufung – die Entscheidung steht noch aus.

„Seitdem versucht die Loyal Capital Group, der Vollstreckung des Gerichtsurteils zu entgehen“, schreibt die EWUB weiter. Sie gibt sich zudem sehr zuversichtlich, auch in Berufung gewinnen zu werden.

Aus dem Gerichtspapieren von 2017, die dem Tageblatt vorliegen, geht hervor, dass die EWUB der Loyal Capital Group 2014 einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Dollar gewährt hatte. Um diesen Kredit dreht sich der Streit.

Die Loyal Capital Group ist eine Soparfi (Finanzbeteiligungsgesellschaft) mit Sitz in Luxemburg. Loyal Capital Group hält Anteile an mehreren Unternehmen. Dazu zählt die Düngemittel-Firma Agrochim/Rustavi aus der ehemaligen kaukasischen Sowjetrepublik Georgien. Hinter der Gesellschaft steht der georgische Geschäftsmann Roman Pipia. Die EWUB wurde 1974 in Luxemburg gegründet. Sie hatte zum Ziel, die Import- und Exportaktivitäten von sowjetischen Staatsbetrieben zu finanzieren. In den Jahren 1992 bis 1994 wurde die kleine Bank privatisiert. Zwischen 2002 und 2007 übernahm Sistema die Finanzinstitution.

Zurück zum aktuellen Fall: EWUB hatte der Loyal Capital Group 100 Millionen Dollar geliehen. Mit dem Geld sollten weitere Unternehmensanteile gekauft werden.
Später haben sich die Marktbedingungen gegen Loyal Capital Group gedreht. Die Preise für Ammoniumnitrat rutschten in den Keller. Das Unternehmen geriet finanziell unter Druck, wie aus den Papieren hervorgeht.

Berufung gegen Urteil eingelegt

Ein Versuch wurde gestartet, um die finanzielle Lage des Unternehmens mit Hilfe der staatlichen Entwicklungsbank EBRD zu entschärfen. Das hat jedoch nicht geklappt.
Laut Loyal Capital Group sei der Grund das Benehmen von EWUB und Sistema. Diese hätten die Kontrolle über die Firmen in Georgien übernehmen wollen. Die Unternehmensanteile waren Garantie für die Rückzahlung des Kredits. Die Gruppe fordert eine Entschädigung in Höhe von mehr als 350 Millionen Dollar, um den entstandenen Schaden zu kompensieren.

EWUB gibt an, man habe das Darlehen an Loyal Capital Group mehrmals verlängert – immer in der Hoffnung, dass das Geld doch noch zurückgezahlt würde. Dass Loyal schlussendlich von der EBRD kein Geld erhalten habe, liege daran, dass sie gestellte Bedingungen nicht habe erfüllen können.

Um zu zeigen, wie „unverantwortlich“ sich Loyal Capital Group benehme, hat EWUB zudem unterstrichen, dass diese 2016, mitten in finanziell schwierigen Zeiten, eine Dividende von über 24 Millionen Euro ausbezahlt habe. Nach Verlängerungen wurde der Kredit im August dann doch zurückgefordert.

Letztlich urteilte das Luxemburger Gericht 2017 gegen die von Loyal Capital Group angesprochenen Punkte. Es sei rechtens gewesen, den Kredit zurückzufordern, so das Urteil. Was die EBRD angeht, so blieben die Vorwürfe eine Unterstellung. Und auch sei das Bankgeheimnis nicht gebrochen worden – bei Verhandlungen über die Finanzsituation eines Unternehmens müsse über bestehende Kredite geredet werden, so das Urteil.

Das Gericht forderte Loyal Capital Group dann auf, die von EWUB geforderten 93,5 Millionen Dollar zu zahlen. Erstere legte Berufung ein. Und wir wären wieder beim Anfang der Geschichte angekommen.