BrexitAm Montag beginnen die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien

Brexit / Am Montag beginnen die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien
EU-Chefverhandler Michel Barnier erinnerte den britischen Premierminister Boris Johnson eindringlich daran, dass dieser sich an gemachte Vereinbarungen halten müsse Foto: AFP/Kenzo Tribouillard

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Die EU-Mitgliedstaaten haben gestern das Mandat für die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen  mit dem Vereinigten Königreich angenommen. Auch in Großbritannien sind entsprechende Schritte unternommen worden. 

Am kommenden Montag werden in Brüssel die Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien aufgenommen. Die erste Runde der Gespräche endet am Donnerstag. Später im März wird in London weiter verhandelt. Viel Zeit haben die beiden nicht, denn am Ende des Jahres muss alles abgeschlossen sein. Der britische Premierminister Boris Johnson wollte es so. Daran erinnerte der EU-Chefverhandler Michel Barnier gestern in Brüssel nach einer Sitzung der EU-Minister für europäische Angelegenheiten noch einmal eindringlich. So, als wollte er bereits jetzt klarstellen, an wem es liegen wird, wenn am Ende aus Zeitmangel keine Einigung zustande kommen kann.

Und der Franzose machte ebenfalls deutlich, dass während der kurzen Zeit nicht alle Aspekte der künftigen Beziehungen zwischen den beiden geklärt werden können. „Wir können in den nächsten zehn Monaten nur den Sockel bauen“, meinte er. Michel Barnier wies wiederholt auf die dem Brexit-Abkommen angehängte politische Erklärung hin, die im Oktober vergangenen Jahres noch gemeinsam mit dem britischen Premierminister abgeändert wurde. „Dieses Dokument bindet uns, auf beiden Seiten“, sagte er. In der politischen Erklärung sei festgehalten, dass sie eine „ehrgeizige und dauerhafte Partnerschaft“ in den Bereichen Wirtschaft und Handel, Fischerei und Verkehr, innere Sicherheit, Außenpolitik und Verteidigung aushandeln würden. „Selbstverständlich werden wir dieses Abkommen nicht um jeden Preis abschließen“, warnte der EU-Chefverhandler. Die Ziele und Prinzipien, wie sie in der politischen Erklärung enthalten seien, würden bestehen bleiben. Boris Johnson gab allerdings bereits zu verstehen, dass er gewillt sei, davon Abstand zu nehmen.

Dass es nicht nur „komplexe und anspruchsvolle“, sondern auch „sehr schwierige Verhandlungen“ werden, wird sich etwa bei der Frage der Fischerei zeigen. Die 27 wollen für die Fischer vom Kontinent weiter Zugang zu den britischen Seegebieten. Die Regierung in London lehnt dies jedoch ab. Michel Barnier maß einem neuen Fischereiabkommen gestern die gleiche Bedeutung zu wie dem Handelsabkommen sowie dem Prinzip des sogenannten Level playing field, mit dem umschrieben wird, dass britischen Unternehmen nur unter Einhaltung von EU-Standards Zugang zum Binnenmarkt gewährt werden kann. Im gestern verabschiedeten Mandat ist festgehalten, dass das neue Fischereiabkommen bis zum 1. Juli abgeschlossen sein soll. Bis dahin muss im Übrigen die britische Regierung ebenfalls endgültig entschieden haben, ob sie die bis Ende des Jahres geltende Übergangsphase um weitere ein bis zwei Jahre verlängern will oder nicht. Boris Johnson hat das bislang kategorisch ausgeschlossen.

„Erstaunliche Aussagen“

Michel Barnier wies gestern immer wieder darauf hin, dass nicht nur wegen der geografischen Nähe Großbritanniens zur EU ein besonderes Abkommen erforderlich sei. Immerhin werde das Vereinigte Königreich der drittgrößte Handelspartner der EU. Die Handelsbeziehungen zwischen den beiden sei damit zehn Mal größer als jene mit Kanada, erklärte der Franzose. Daher könnten die Regeln nicht die gleichen sein, wie sie im Freihandelsabkommen mit Kanada vereinbart wurden.

Der EU-Chefverhandler warb gestern vor allem auch um Vertrauen. Vertrauen in sein Verhandlungsteam sowie Vertrauen zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten. Aber auch Vertrauen zwischen den beiden Verhandlungspartnern. Das allerdings bereits gelitten hat. Denn der neue britische Staatssekretär für Nordirland, Brandon Lewis, hat bereits angekündigt, dass es zu keinen Grenzkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland kommen werde. Dies wurde aber explizit im Austrittsvertrag mit London vereinbart. Michel Barnier konnte denn auch gestern die „erstaunliche Aussage“ des neuen britischen Regierungsmitglieds nicht richtig nachvollziehen. Er empfahl Brandon Lewis daher, das Austrittsabkommen „sehr genau zu lesen“, bevor sich die beiden treffen sollten. Dort sei jene „Quadratur des Kreises“ festgehalten, mit der verhindert werden soll, dass es wieder zu inneririschen Grenzkontrollen kommt. Es wird befürchtet, dass eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland wieder zu Spannungen und Gewalt in der Region führen würde. Daher soll Nordirland so lange in einer Zollunion mit der EU verbleiben, bis eine endgültige Lösung für das Grenzproblem gefunden ist. Während dieser Zeit sollten Waren, die für den EU-Binnenmarkt bestimmt sind, an der irischen See kontrolliert werden.