Mittwoch12. November 2025

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KlimawandelAls die Antarktis unter einer nie zuvor gesehenen Hitzewelle litt

Klimawandel / Als die Antarktis unter einer nie zuvor gesehenen Hitzewelle litt
Dana Bergstrom gehörte dem Forscherteam um Klimatologe Jonathan Wille an Foto: PVirture

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2023 war weltweit das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Doch bereits vor diesem Rekord hat einer der kältesten Orte der Welt „geschwitzt“: Die Antarktis erlebte im März 2022 eine außergewöhnliche Hitzewelle, die die Klimaforscher schockierte. Ein globales Forschungsprojekt, das ins Leben gerufen wurde, liefert Antworten.

Mit der Verschärfung des Klimawandels kommt es immer wieder zu Ereignissen, die selbst die Klimaforscherinnen und -forscher überraschen. Ein solches waren die Wetterverhältnisse in der Antarktis in den vergangenen Jahren.

So erlebte der Kontinent aus Eis im März 2022 eine geradezu außergewöhnliche Hitzewelle – in weiten Teilen der Ostantarktis herrschten Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius über dem Normalwert. „Das Ereignis war so schockierend und rar, dass es die antarktische Klimawissenschaftsgemeinschaft umgehauen hat“, berichtete Dana Bergstrom, eine Expertin für Angewandte Ökologie an der University of Wollongong in Australien.

Als Reaktion wurde ein globales Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das die Gründe dafür aufklären sowie den entstandenen Schaden dokumentieren sollte. Ein Team aus 54 Forschern aus 14 Nationen, darunter Bergstrom, trat unter der Leitung des Klimatologen Jonathan Wille von der ETH Zürich in Aktion.

Komplexe Geschichte

Die Ergebnisse, die das Team präsentierte, sind „alarmierend“, wie Bergstrom nun in einem begleitenden Artikel zur Studie schrieb. Sie würden der Wissenschaft ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Tropen und der Antarktis vermitteln – und der Weltgemeinschaft die Möglichkeit geben, sich auf das vorzubereiten, was eine wärmere Welt mit sich bringen könnte. Die Forschungsarbeiten würden „eine komplexe Geschichte“ erzählen, so Bergstrom. Diese nahm ihren Anfang in ganz anderen Teilen der Welt – weit entfernt von der Antarktis. Laut der Forschenden strömte dank des Klimaphänomens La Niña, das die vergangenen Jahre bestimmte, tropische Hitze in der Nähe von Indonesien in den Himmel über dem Indischen Ozean. Gleichzeitig bildeten sich vom südlichen Afrika aus wiederholt Tiefdruckgebiete, die in östliche Richtung drückten. Diese Faktoren führten zu einer späten tropischen Wirbelsturmsaison im Indischen Ozean.

„Zwischen Ende Februar und Ende März 2022 hatten sich zwölf tropische Stürme zusammengebraut“, erklärte die Forscherin. Fünf Stürme entwickelten sich demnach zu tropischen Wirbelstürmen, und die Hitze und Feuchtigkeit einiger dieser Wirbelstürme vermischten sich. „Ein mäandernder Jetstream nahm diese Luft auf und transportierte sie schnell über weite Strecken um den Planeten bis in die Antarktis“, erklärte die Australierin.

Letztendlich hatte die Antarktis aber Glück im Unglück, wie Bergstrom und ihre Kollegen schlussfolgerten. Zwar führten die Ereignisse dazu, dass das bereits gefährdete Conger-Schelfeis endgültig zusammenbrach, doch „ansonsten waren die Auswirkungen nicht so schlimm, wie sie hätten sein können“, so die Ökologin. Die Forschungsarbeiten des internationalen Teams ergaben, dass die Temperaturen im Landesinneren trotz der Hitzewelle größtenteils unter null blieben. Das liege daran, dass die Hitzewelle im März ausgebrochen sei, dem Monat, in dem die Antarktis in den dunklen, extrem kalten Winter übergehe.

Gebiet so groß wie Indien von Hitzewelle betroffen

Trotzdem waren die Temperaturschwankungen für sich genommen enorm: So wurde am 18. März ein neuer Allzeit-Temperaturhöchstwert von minus 9,4 Grad in der Nähe der Concordia-Forschungsstation in der Antarktis gemessen. Zuvor lag diese Höchsttemperatur im März bei minus 27,6 Grad. Auf dem Höhepunkt der Hitzewelle waren 3,3 Millionen Quadratkilometer in der Ostantarktis – ein Gebiet etwa so groß wie Indien – von der Hitzewelle betroffen.

Zu den Auswirkungen gehörten großflächiger Regen und Oberflächenschmelze entlang der Küstengebiete. In Richtung Inland fiel die tropische Feuchtigkeit als Schnee. „Interessanterweise glich das Gewicht des Schnees den Eisverlust in der Antarktis im Laufe des Jahres aus“, schrieb Bergstrom. Letzteres wirkte sich positiv aus und sorgte dafür, dass die Antarktis keinen wesentlichen Beitrag zum Meeresspiegelanstieg lieferte.

Gefahr von Kettenreaktionen

Damit scheint der Kontinent aus Eis dem Schlimmsten entkommen zu sein. Doch sollte es in Zukunft im Sommer zu einer vergleichbaren Hitzewelle kommen – was angesichts des Klimawandels laut den Forschenden immer wahrscheinlicher werde –, könnten die Folgen katastrophal sein.

Laut dem Klimatologen Wille sind die Folgen einer ähnlichen Hitzewelle im Sommer zwar „recht ungewiss“, sie „geben aber durchaus Anlass zur Sorge“. Zwar seien die Temperaturschwankungen im Sommer geringer, sodass keine Temperaturanomalien in der Nähe von 40 Grad Celsius erwartet würden, „aber die Gefahr einer ausgedehnten und intensiven Oberflächenschmelze über den empfindlichen Eisschelfs der Westantarktis erfordert weitere Untersuchungen“. Es müsse festgestellt werden, ob ein solches Ereignis diese Eisschelfs möglicherweise destabilisieren könnte.

carlocoin
23. Januar 2024 - 12.14

Wirklech Qualitätsjournalismus!