ÖsterreichAdeliger Kanzler von Kurz’ Gnaden – der neue Kanzler Alexander Schallenberg im Porträt

Österreich / Adeliger Kanzler von Kurz’ Gnaden – der neue Kanzler Alexander Schallenberg im Porträt
Seit Montagmorgen ist Alexander Schallenberg Österreichs neuer Bundeskanzler Foto: dpa/Lisa Leutner

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Zum ersten Mal seit dem Zerfall der Habsburger-Monarchie wird Österreich wieder von einem Adeligen geführt. Ob der neue Bundeskanzler Alexander Schallenberg nach den türkis-grünen Chaostagen in ruhigeres Fahrwasser steuern kann, hängt nicht zuletzt von seinem Vorgänger Sebastian Kurz ab.

Alles wieder gut in Wien? Grünen-Bundessprecher Werner Kogler redet jedenfalls optimistisch vom „neuen Kapitel“, das man mit Schallenberg aufgeschlagen habe. Auch die Kür des ÖVP-nahen Spitzendiplomaten Michael Linhart, bisher Botschafter in Paris, zum neuen Außenminister, gefällt dem Vizekanzler. Die Chancen für eine Fortsetzung der türkis-grünen Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 stünden nun wieder „sehr, sehr gut“, so Kogler. Seine Zufriedenheit ist auch der Erleichterung geschuldet: Kogler hatte vorigen Freitag verdammt hoch gepokert, als er von der ÖVP nicht weniger als den Kopf des wegen mutmaßlicher Falschaussage, Bestechlichkeit und Untreue von der Korruptionsstaatsanwaltschaft verfolgten Kanzlers forderte.

Tatsächlich brachten um ihre Macht fürchtende ÖVP-Granden Kurz zwar nicht zur Einsicht, dass die von der Staatsanwaltschaft protokollierten Chats mit seinen türkisen Jung-Prätorianern eventuell strafrechtlich, ethisch-moralisch ganz sicher untragbar waren. Aber ehe der Hahn zweimal krähte, war der angeschlagene Messias am Samstag geopfert – freilich mit Wiederauferstehungsoption. Denn als türkiser Partei- und Fraktionschef zieht Kurz weiter die Fäden der Macht, auch wenn er gestern beteuerte: „Ich bin kein Schattenkanzler.“

„Schalli“ und die Gene

Da Kurz in seiner neuen Funktion weiter mit am Ministerratstisch sitzt und – durch die Parteibrille betrachtet – Schallenbergs Chef ist, muss sich der Nachfolger auf neue koalitionäre Turbulenzen gefasst machen, zumal sein Vorgänger den grünen Dolchstoß nicht vergessen wird. Vielleicht ist „Schalli“, wie ihn Freunde nennen, für solche Herausforderungen ja epigenetisch begünstigt. Der 1969 als Sohn eines Diplomaten in Bern geborene, in Indien, Spanien und Frankreich aufgewachsene Neo-Kanzler entstammt einem alten Adelsgeschlecht, für das widrige Umstände zum Tagesgeschäft gehörten. Einer seiner Vorfahren ist Christoph von Schallenberg, der während der Türkenkriege als Kommandant der Donauflotte den Nachschub an die Front in Ungarn verantwortete. Zwei seiner Brüder fielen im Kampf gegen die Türken, Christoph selbst kehrte unverletzt aus der verlorenen Schlacht von Erlau zurück. Die Niederlage jährt sich morgen zum 425. Mal.

Wenn es um die Türkei geht, dann kennt auch Christophs durch die Habsburgergesetze ums „von“ im Namen gebrachte Nachfahre kein Pardon. Seit Alexander Schallenberg nach dem Sturz der ÖVP-FPÖ-Regierung infolge des Ibiza-Skandals 2019 zum Außenminister aufgestiegen war, äußerte sich der geschiedene Vater von vier Kindern vielfach sehr kritisch über die Türkei, die er auch in 30 Jahren noch nicht in der EU sieht.

Asselborn und Populismus

Dass der in Wien, Paris und im belgischen Brügge zum Juristen mit Schwerpunkt Europarecht ausgebildete Top-Diplomat nicht nur diplomatische Feinsinnigkeit versprüht, bekam in diesem Sommer auch sein nunmehriger Ex-Amtskollege Jean Asselborn zu hören. Die Kritik des Luxemburgers an Österreichs Weigerung, aus Kabul ausgeflogene Afghanen aufzunehmen, konterte Schallenberg mit dem Vorwurf des „billigen Populismus“. Schon nach dem Brand im griechischen Lager Moria hatte er sich auch nicht ganz diplomatisch über das „Geschrei“ nach der Verteilung von Flüchtlingen mokiert.

Obwohl durch Herkunft und Bildung auf Sir getrimmt, kann Schallenberg sehr deutlich werden, wenn es gilt, seinen einstigen Außenpolitik-Lehrling Kurz zu verteidigen. So enthielt auch sein erstes Statement als Bundeskanzler am Montag eine Passage, die manchen Beobachtern zu weit ging: Schallenberg kündigt nicht nur eine enge Zusammenarbeit mit seinem Vorgänger an, sondern erklärte auch, dass er die gegen Kurz erhobenen Vorwürfe der Justiz für falsch hält.

Zugleich setzte Schallenberg aber auch ein Zeichen der Emanzipation: Der Medienbeauftragte des Kanzleramtes Gerald Fleischmann und Pressesprecher Johannes Frischmann, beide wie Kurz im Visier der Staatsanwaltschaft, sind seit gestern ihre Jobs los. Um nicht länger als Marionette des Altkanzlers zu gelten, wird der Neuling auf dem innenpolitischen Parkett allerdings noch so manchen Faden durchschneiden müssen.

de Prolet
12. Oktober 2021 - 10.43

Und Kurz bleibt über kurz oder lang der Strippenzieher. Schallenberg der neue Kanzler unter Kurz! Für wie lange?