KorruptionAbgesetzte EP-Vizepräsidentin Eva Kaili will zurück ins EU-Parlament

Korruption / Abgesetzte EP-Vizepräsidentin Eva Kaili will zurück ins EU-Parlament
Die abgesetzte EP-Vizepräsidentin Eva Kaili will im EU-Parlament ihre Arbeit als Abgeordnete wieder aufnehmen Foto: European Union 2022/EP/Philippe Buissin

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Im Dezember kam sie in Untersuchungshaft, Mitte April wieder raus, vor wenigen Tagen durfte sie auch die elektronische Fußfessel abstreifen. Nun will die tief in den Katar-Gate-Korruptionsskandal verstrickte ehemalige Vizepräsidentin des Europa-Parlamentes, Eva Kaili, ihr Comeback starten.

Wenn man Eva Kaili heißt, mit 44 bereits eine Bilderbuchkarriere als TV-Moderatorin, griechische Politikerin und Vizepräsidentin des EU-Parlamentes auf die Beine gestellt hat und dann mit Taschen voller Geld in ihrer Brüsseler Wohnung angetroffen und in Untersuchungshaft genommen wird, dann sieht das alles wie eine böse Verschwörung der Geheimdienste aus, dann hat man sich selbst nichts zuschulden kommen lassen und dann verlangt man nicht nur die Rehabilitierung, sondern gleich das Comeback in der Europa-Politik. Nächste Woche will sie ihre Arbeit als Abgeordnete in Straßburg wieder aufnehmen – wenn sie die Erlaubnis erhält, Belgien verlassen zu dürfen. Noch meinen die Behörden dazu, sie könne ihrer Tätigkeit auch von Brüssel aus nachgehen.

Ob die Beamten, die über ein weiteres Lockern der Auflagen für sie zu entscheiden haben, von ihren jüngsten Aktivitäten amüsiert sind, dürfte zu bezweifeln sein. So berichten mehrere Medien, dass es zu den Auflagen gehört haben soll, nicht mit der Presse über den Fall zu sprechen. Genau das tat Kaili jedoch umgehend, gab mehreren Zeitungen Interviews und inszenierte sich als Opfer von Intrigen. Warum sie ins Fadenkreuz der Ermittlungen geriet, erklärte sie nun damit, dass sie als Parlamentarierin wegen der Aufklärung der Spionagesoftware „Pegasus“ die Aufmerksamkeit gleich mehrerer Geheimdienste auf sich gezogen habe. Die Taschen voller Geld in ihrer Brüsseler Wohnung habe sie erst kurz vor ihrer Verhaftung im Dezember entdeckt. Da sei ihr und ihrem Freund, dem Vater ihrer Tochter, etwas unterstellt worden, was nicht den Tatsachen entsprochen habe.

Sie wird weitgehend wirkungslos sein und niemand wird mit ihr arbeiten

Jens Geier, S&D-Abgeordneter

Bei Kaili und mehreren anderen aktiven und ehemaligen sozialdemokratischen Abgeordneten waren insgesamt über 1,5 Millionen Euro Bargeld sichergestellt worden, 150.000 davon in ihrer Wohnung. Ihr eigener Vater war dabei erwischt worden, wie er Teile des Geldes wegbringen wollte. Die Staatsanwaltschaft warf ihr und den anderen Beschuldigten vor, Korruption und Geldwäsche in einer kriminellen Vereinigung betrieben zu haben. Es sei darum gegangen, im Sinne von Katar und Marokko Einfluss auf EU-Entscheidungen zu nehmen. Daraufhin tauchten Video-Aufnahmen auf, die zeigten, wie Kaili an einer Abstimmung des Innenausschusses zugunsten Katars teilnahm, obwohl sie dem Gremium gar nicht angehört.

Politisch und moralisch eine „Aussätzige“

Bereits während ihrer Haft hatten ihre Anwälte intensiv beklagt, dass sie ins Gefängnis müsse, obwohl sie Mutter einer kleinen Tochter sei. Das Wort „Folter“ war in diesem Zusammenhang gefallen. Nun erzählte Kaili, sie habe sich in der Haft mit Selbstmordgedanken getragen, sich letztlich aber wegen ihrer Tochter dagegen entschieden. Nun will sie, ebenfalls wegen ihrer Tochter, ihren Ruf reinwaschen und nachweisen, dass sie zu Unrecht beschuldigt worden sei. Sie könne mit der Scham nicht leben.

Sie war aus ihrer Partei in Griechenland, aus ihrer Fraktion in Brüssel und Straßburg und aus dem Präsidium des Parlamentes bereits kurz nach ihrer Inhaftierung ausgeschlossen worden. Ihre Kollegen reagierten empört über ihre Ankündigung, nun ihre Arbeit wieder aufnehmen zu wollen. Juristisch gelte zwar eine Unschuldsvermutung, politisch und moralisch sei Kaili jedoch eine „Aussätzige“, meinte etwa der liberale Europa-Abgeordneter Moritz Körner. Der S&D-Abgeordnete Jens Geier sagt gegenüber dem Tageblatt voraus: „Sie wird weitgehend wirkungslos sein und niemand wird mit ihr arbeiten.“ Daher könne sie ihr Mandat auch gleich niederlegen. „Ich würde das begrüßen“, betont Geier.

Aus dem Korruptionsskandal sollten anfänglich Dutzende von Folgerungen gezogen werden. Nach einem halben Jahr ist davon bislang nur ein erschwerter Zugang für ehemalige Abgeordnete umgesetzt. Als zentral wurde die Etablierung einer unabhängigen EU-Ethikbehörde angesehen. Vorschläge sollten bis April vorliegen. Sie werden nun für diesen Donnerstag erwartet. Was aus der EU-Kommission dazu im Vorfeld zu erfahren ist, hat jedoch wenig mit der erwarteten Konzeption zu tun.

EU-Ethikbehörde „mehr Kosmetik als Ethik“

„Das Ethikgremium gehörte zu den zentralen Transparenzversprechen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen“, erinnert der Grünen-Antikorruptionsexperte Daniel Freund. „Liefern wird sie es offensichtlich nicht“, fügt er hinzu. Es dürfte sich um nicht viel mehr als einen „Gesprächskreis“ handeln. „Einen solchen Etikettenschwindel brauchen wir nicht“, kritisiert der Europa-Abgeordnete. Notwendig sei, dass die Lobbyregeln endlich von einer unabhängigen Instanz kontrolliert und durchgesetzt würden, weil die gegenwärtige Selbstkontrolle in den EU-Institutionen nicht funktioniere. „Halten wir daran fest, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir den nächsten Korruptionsskandal in der EU haben“, sagt Freund voraus.

Und auch Körner ist enttäuscht. Was die Kommission da vorstellen werde, sei „mehr Kosmetik“ als „Ethik“, meint der FDP-Abgeordnete. Ohne Untersuchungs- und Sanktionierungsbefugnisse werde jede neue Ethikbehörde zum „zahnlosen Tiger“ und könne kaum mehr erreichen als die bereits bestehenden Gremien. Von der Leyen verhindere damit „bewusst, dass Regeln gegen Interessenkonflikte und Korruption effektiv durchgesetzt werden können“.

carlomathias.goebel
7. Juni 2023 - 10.48

Trotz Pfizer-Skandal und Ermittlungen gegen Frau Von der Leyen, sitzt diese immer fest im Amt. Auch sie müsste eigentlich in Untersuchungshaft.

JJ
6. Juni 2023 - 10.12

Waren alles Fake News,oder? Semedo sitzt ja auch noch da rum und viele andere. In Brüssel oder Straßburg geht immer was. Für viele "normale" Berufe muss man einen "Casier Vierge" vorweisen können.In der Politik scheint es anders rum.

Robert Hottua
6. Juni 2023 - 7.48

Mit dem Wissen, einer Verbrecher-Organisation anzugehören, kann man (gut?) leben, ob mit oder ohne Scham. Die Schuldfrage ist ausschlaggebend. Schuld kann man mit der unentrinnbaren, unvermeidlichen, pionierhaften Mitarbeit an einem übergeordneten, zivilisatorisch wertvollen, äonenhaften Menschheitsprojekt entsorgen. Man hat sich zum Wohle der Menschheit märtyrerhaft aufgeopfert. MfG Robert Hottua