40 Jahre Inter-Actions: Stets nahe an den Menschen

40 Jahre Inter-Actions: Stets nahe an den Menschen
Roger Faber: nach 40 Jahren noch immer ein motivierter Sozialarbeiter Foto: Editpress/Tania Feller

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Wirtschaftlich benachteiligt und mit vielen sozialen Problemen: Das Viertel Luxemburg-Grund der 1970er Jahre hatte wenig mit dem von heute gemeinsam. Drei junge luxemburgische Sozialarbeiter wählten genau diesen Stadtteil aus, um ihre im Studium erlernten Methoden des „travail communautaire“ umzusetzen. So entstand 1979 die Vereinigung „Inter-Actions“, die am vergangenen Freitag ihren 40. Geburtstag gefeiert hat und mittlerweile rund 300 Mitarbeiter zählt. Einer der drei Gründer ist der heutige Direktor Roger Faber.

Jean-Marie Barnich, Roger Faber und André Reuter studierten in Brüssel Sozialarbeit. Voller Motivation kamen sie Ende der 1970er Jahr nach Luxemburg zurück und wollten hier die Methoden des „travail communautaire“ anwenden. Anders als viele andere soziale Organisationen arbeitet Inter-Actions seit Beginn viertelbezogen, d.h. die Probleme der Menschen werden in den sozialen Kontext gesetzt. Die Bewohner eines Viertels werden dazu ermutigt, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.  Dieser Bereich der Sozialarbeit sei mittlerweile jedoch etwas unter die Räder gekommen, meint Faber. In der Ausbildung spiele das Thema „travail communautaire“ nur noch an wenigen Schulen eine Rolle.

Die drei nahmen sich damals den Vorschlag  von ASTI-Mitbegründer Serge Kollwelter zu Herzen und wählten das Viertel Luxemburg-Grund für ihre Arbeit aus. Und das Prinzip „um Terrain schaffen“ nahmen sie damals wortwörtlich: Sie wohnten an Ort und Stelle. „Vor 40 Jahren wurde der ‚travail communautaire‘ als Methode noch gar nicht angewandt. Für uns war damals klar: Die beste Art, so zu arbeiten, ist, wenn man so nahe wie möglich an den Menschen ist und unter ähnlichen Bedingungen lebt wie sie selbst. Dann begegnest du auf dem Weg zum Einkaufen den Menschen und ihren Problemen. Die Tatsache, dass man in ihrem Viertel wohnt, fördert einfach das Verstehen ihrer Probleme“, erklärt Roger Faber.

Mehr Menschen leben auf der Straße

Auf die Frage, was für Probleme das seien, antwortet Faber sofort: „Wohnungsprobleme.“ „Ich glaube, das wird noch schlimmer, außer es wird massiv in  den Mietwohnungsbau investiert und Wohnungen werden zu einem vernünftigen Preis angeboten. Daran führt kein Weg vorbei.“

Aus der kleinen Gruppe von engagierten Sozialarbeitern wurde eine Organisation, die heute elf „Maisons relais“ und acht Jugendhäuser betreibt und daneben noch eine ganze Reihe anderer sozialer Dienstleistungen anbietet. Nicht nur der Umfang der Arbeit hat sich verändert, auch die Probleme selbst, mit denen die Sozialarbeiter konfrontiert sind, haben sich gewandelt. „Heute gibt es zum Beispiel mehr Menschen, die auf der Straße leben. Damals war es eine Handvoll, die jeder kannte. Oder die Drogenproblematik: Das ist damals eine marginale Angelegenheit gewesen, auf wenige Leute beschränkt.“

Soziale Auswirkungen des Klimawandels

Die Art der Probleme habe sich zwar geändert, doch nach wie vor versuche jedes Einzelne der Häuser von Inter-Actions, sich bei allen Fragen, die das Leben im jeweiligen Viertel betreffen, mit einzubringen. Ein Sozialarbeiter von Inter-Actions soll niemand sein, der seine acht Stunden am Tag absitzt und glaubt, seine Arbeit sei damit erledigt, sagt Faber. Nach wie vor gilt das Leitmotiv, sich allen Problemen eines Viertels gemeinsam zu widmen.

Auch in Zukunft wird Handlungsbedarf für soziale Organisationen herrschen, ist der Direktor überzeugt. Einerseits nennt er die Wohnungsnot, doch andererseits auch die Klimakatastrophe. „Der Klimawandel wird dazu führen, dass Güter wie Wasser und elektrischer Strom  teurer werden – und dann werden wir eine ähnliche Situation wie derzeit im Wohnungsbereich haben. Einige  Menschen werden mit ihrem  Geld nicht mehr auskommen, da sie sich wegen der hohen Energiepreise sonst nicht mehr viel leisten können“.

Die Nase voll von seiner Arbeit hat er noch nie gehabt, sagt Faber. „Ich war in der glücklichen Situation, dass ich mit dem Verein gewachsen und in die Rolle des Leitenden hineingewachsen bin.“