Prozess: Insasse wollte Nachbar erwürgen

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Vor der Kriminalkammer in Diekirch musste sich am Montag der 41-jährige Jeannot F. wegen versuchten Mordes verantworten. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, einer schlafenden Person am 1. Dezember 2016 vorsätzlich ein Kopfkissen ins Gesicht gedrückt zu haben. Zum Tatzeitpunkt war er ein Patient des „Centre hospitalier neuro-psychiatrique“ in Ettelbrück.

Der Zimmernachbar sei dem Beschuldigten auf die Nerven gegangen, er habe seine Ruhe gewollt, erklärte der rechtsmedizinische Gutachter gestern vor Gericht. Er bestätigte auch, dass es lange Zeit benötigt, bis es jemand einen Erstickungstod erleidet, wenn man ihm ein Kissen ins Gesicht drückt. Doch eben dies sei die Prämisse einer solchen Tat. Das Opfer soll allerdings aufgewacht sein und sich gewehrt haben, worauf der Beschuldigte gleich von ihm abgelassen haben soll.

Wie lange dauert es, bis der Tod eintritt?

Die Verteidigerin wollte anschließend herausfinden, wie lange es genau dauern würde, bis das Opfer einen Erstickungstod erleiden würde – die Staatsanwaltschaft führte nämlich lediglich drei Minuten an, der Gutachter hingegen meinte, es bedürfe zehn Minuten. Dies konnte aber nicht genau definiert werden.

Der psychiatrische Experte sprach dann von einem gefassten Angeklagten, der einfach nur schlafen wollte und den keine Schuldgefühle quälten. Der Beschuldigte lebte wegen seines gewalttätigen Vaters bereits mit zwei Jahren in öffentlichen Institutionen und somit nie in geordneten Familienverhältnissen. Der straffähige Angeklagte leide unter einer dissozial-narzisstischen Impulsivität, meinte der Gutachter weiter, der sich in seiner Therapieprognose äußerst reserviert zeigte.

„Ich wollte ihn erwürgen!“

Anschließend trat der Angeklagte vor den Richter. Er sagte, dass sein Opfer eine Nervensäge gewesen sei. Er hätte lieber ein Einzelzimmer gehabt. Es sei eine spontane Idee gewesen, dem Zimmernachbarn das Kopfkissen aufs Gesicht zu drücken. Er habe eine Minute lang so fest zugedrückt, wie er konnte, und habe sich dabei keine Fragen gestellt. „Ich wollte ihn erwürgen!“, meinte Jeannot F.

Als der Mann aufwachte, habe er von ihm abgelassen. „Ich wollte ihn umbringen, dachte aber, es sei einfacher.“ Ob er dies noch einmal tun würde, wollte der Vorsitzende wissen. Nein, er habe jetzt verstanden, dass man das in unserer Gesellschaft nicht tun sollte. Nachdem das Opfer 50.000 Euro an Schadensersatz gefordert hatte, trat die Verteidigerin vor die Richter.

„Traurige Faktenlage“

Sie sprach von einer traurigen Faktenlage. Ihr Mandant sei ein typisches Heimkind, das nie die Wärme einer Familie genossen habe. Sicher hätte er etwas dagegen unternehmen können, doch dies sei mit einem Intelligenzquotienten an der Grenze zur Debilität schwer gewesen. Sie kenne den Angeklagten seit 20 Jahren als jemanden, der bei der geringsten Gegenwehr von seinem Opfer ablässt.

Sie sprach von einer „tentative impossible“ und bat um einen Freispruch sowie subsidiarisch um die Anwendung des Artikels 71.1 mit der Mindeststrafe von fünf Jahren. Durch die klinischen Umstände am Tatort und den seelischen Zustand ihres Mandanten könnte sie sich sogar das Einstellen des Verfahrens vorstellen.

Die öffentliche Anklägerin basierte sich auf das Geständnis des Beschuldigten. Sie wehrte sich gegen die „infraction impossible“, da die Tat ohne Gegenwehr des Opfers ausgeführt worden sei. Sie forderte aufgrund der Vorstrafen des Beschuldigten eine Haftstrafe von 15 Jahren. Das Urteil wird am 22. Februar gesprochen.

Von Carlo Kass