Mit 103 Jahren täglich zur Arbeit

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Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen, Sydney

Der Botaniker David Goodall ist Australiens ältester Wissenschaftler. Er arbeitet nach wie vor an einer australischen Universität, obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr bezahlt wird. Als die Universität ihn in den Ruhestand zwingen wollte, kämpfte er um seine Stelle – und gewann.

David Goodall ist wahrscheinlich Australiens bekanntester Botaniker. Nicht weil sich in Australien so viele für Pflanzenkunde interessieren, sondern weil der 103-Jährige Kampfgeist hat. Goodall ist Australiens ältester Wissenschaftler, ja wahrscheinlich der älteste noch tätige Forscher der Welt. Der Botaniker und Ökologe arbeitet an der Edith-Cowan-Universität in Westaustralien. Seit er mit 65 Jahren offiziell in Pension ging, bekommt er kein Geld mehr und arbeitet ehrenamtlich. „Er hat einfach immer angenommen, dass er weiter arbeiten würde“, sagte seine Tochter Karen Goodall-Smith in einer Sendung des australischen Senders SBS. Deswegen habe er dasselbe einfach immer weitergemacht, nur eben umsonst.

Doch auch das wollte die Universität im vergangenen Jahr unterbinden. Der „Sicherheit“ wegen hätte er sein Büro abgeben sollen. Die 90-Minuten-Fahrt von seinem Haus und das mehrmalige Umsteigen zwischen einem Zug und zwei Bussen wollte die Universität verhindern.

Die Ausdauer

Doch die Verantwortlichen hatten nicht mit der Ausdauer ihres damals 102-jährigen Mitarbeiters gerechnet, der sich an die Presse wandte und plötzlich Unterstützung aus der ganzen Welt bekam. „Ich glaube, die Leute fühlten mit mir als Hundertjährigem, der sein Leben in der Gesellschaft fortsetzen möchte, mit“, sagte Goodall damals dem australischen Sender ABC.

Sein Kampfgeist und die internationale Medienberichterstattung brachten die Universität unter Druck, die ihm schließlich ein Büro auf einem Campus anbot, der näher an seinem Zuhause ist. Seine Forschung halte Goodall am Leben, sagte seine Tochter. „Ich glaube nicht, dass er ohne sehr lange überleben würde“, meinte Karen Goodall-Smith. „Seine Arbeit ist sein Hobby, seine Leidenschaft und sein Interesse und ohne seine Arbeit glaube ich nicht, dass er noch einen Grund hätte, zu leben.“

David Goodall selbst hat eine einfache Erklärung für seinen Arbeitsdrang: „Ich habe nicht viel anderes zu tun“, sagte der Australier, der privat Shakespeare-Fan ist und gerne Gedichte liest. Seine Arbeit mache ihm einfach Spaß. Immerhin gönnt sich der 103-Jährige inzwischen ein Drei-Tage-Wochenende und arbeitet damit nur noch an vier Tagen in der Woche. Erst im Mai 2016 hat der Botaniker noch an einer Expedition zu den Abrolhos-Inseln vor der Küste Westaustraliens teilgenommen, doch hauptsächlich editiert er heute Magazine und prüft Forschungsarbeiten. Aufhören will er damit auf keinen Fall. „Ich will das machen, bis ich sterbe, was vermutlich ziemlich bald ist“, so der Wissenschaftler.

Man ist eben „seit langem auf der Erde“

Goodall ist nicht der Einzige im Alter von über 100 Jahren, der in Australien noch arbeitet. Auch die Tänzerin und Choreografin Eileen Kramer ist nach wie vor aktiv. Sie arbeitet im Augenblick an einem neuen Ballettstück, das im November anlässlich ihres 103. Geburtstages uraufgeführt werden soll, jedoch aufgrund mangelnder Finanzen derzeit gefährdet ist. Doch ähnlich wie Goodall lässt sich auch Kramer zu keinem Zeitpunkt entmutigen oder stoppen. So hat sie eine Schwarmfinanzierungsaktion für ihr Projekt gestartet, um für ihren Traum zu kämpfen.

Denn ähnlich wie für Goodall ist auch für Kramer die Arbeit der Lebensbringer. Das Wort „alt“ nehme sie nie in den Mund, sagte die Tänzerin einmal in einem Interview. Stattdessen sage sie, sie sei eben schon seit langem auf der Erde. „Wenn man kreative Arbeit macht, ist man absolut zeitlos. In der Kreativität gibt es kein Alter.“

Zur Autorin

Barbara Barkhausen, „Asia-Pacific“-Korrespondentin, lebt seit 2002 in Sydney, Australien. Sie deckt für Café Europe neben ihrem neuen Heimatland Australien auch Neuseeland, Indonesien, Papua-Neuguinea und die Pazifikinseln ab. Barbara hat Kommunikationswissenschaften, Englische Literatur und Kunstgeschichte in München und Los Angeles studiert und für das ZDF, Pro7 und die Bavaria Film GmbH in München gearbeitet, bevor es sie ans andere Ende der Welt zog. Sie ist Print-, TV- und Radiojournalistin und Autorin mehrerer Kinder- und Sachbücher.