Israel und die Kennzeichnungspflicht

Israel und die Kennzeichnungspflicht
(AFP/Menahem Kahana)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ein Beitrag von Eric Bruch und Pol Bleser.

Auf dem Campus der US-amerikanischen „Eliteuniversität“ Berkeley führt der Filmemacher Ami Horowitz im November 2014 ein ebenso gewagtes wie erschreckendes Experiment durch: Abwechselnd schwingt er die Flagge des IS und diejenige des Staates Israel, eines der Hauptverbündeten der Vereinigten Staaten. Die Reaktionen fallen erschütternd deutlich und virulent aus.

Beim Anblick der IS-Flagge erntet Horowitz nahezu ausnahmslos Zustimmung und Beifall. Das Schwingen der Flagge des Staates Israel jedoch stößt bei der Mehrheit der Studenten auf latente bis offen bekundete Ablehnung und Aggressionen.
Vor dem Hintergrund solcher Fallbeispiele mag mancher die rezenten EU-Beschlüsse zur Kennzeichnung israelischer Produkte aus den sogenannten „besetzten Territorien“ als marginales Problem abtun.

Die vielfältigen Verbindungslinien zwischen den Reaktionen in Berkeley und der diskriminierenden Haltung der EU gegenüber Israel sind jedoch nicht zu leugnen. Benjamin Netanjahus Äußerung, diese Kennzeichnungspflicht („Labelling“) zeige Parallelen zum Verbot jüdischer Produkte während der Nazi-Diktatur auf, kann man als bewusste Übertreibung und rhetorischen Kunstgriff werten. Doch die evidente Schieflage und Diskriminierung, welche aufgrund dieser Entscheidung besteht, ergibt sich aus einer simplen Tatsache: Ein kohärentes Vorgehen dieser Art müsste ebenfalls Produkte aus rund 200 weiteren Konfliktregionen dieser Erde in gleichem Maße mit einer Kennzeichnungspflicht versehen. Produkte aus dem Kaschmir, aus Nordzypern und der Westsahara sind nicht von einer Labelling-Kampagne betroffen, glücklicherweise, denn diese Art von Soft Power kommt eher einem handelspolitischen gelben Judenstern gleich als einer konstruktiven Friedenspolitik.

Latente Hetze gegen Israel

Mit dieser von den EU-Beamten als „notice interprétative“ bezeichneten Vorgabe für alle 28 EU-Staaten übernimmt die Europäische Union den Diskurs und die Denkweise einer dezidiert antisemitischen Organisation, nämlich des „BDS“ (Kurzform für „Boycott, désinvestissement et sanctions“). BDS-Mitbegründer Omar Bargouti ist übrigens ein erklärter Gegner der Zwei-Staaten-Lösung; ferner hält er die Vernichtung des Staates Israel für eine Wohltat. Soweit zu den Ideengebern Frankreichs und anderer 15 EU-Staaten in diesem Dossier!

Vor allem unter dem Druck Frankreichs wurde in diesem heiklen politischen Entscheidungsfeld eine komfortable Mehrheit von 16 Staaten organisiert, welche diese feige Politik gegenüber der einzigen Demokratie des Nahen und Mittleren Ostens unterstützt. Man mag es kaum glauben, aber ausgerechnet in Frankreich hat ein Kassationsgericht am vergangenen 20. Oktober jede Art von Boykottaufrufen durch Vereinigungen ausdrücklich untersagt. Dennoch beteiligt sich Frankreich mit 15 weiteren EU-Staaten an dieser latenten Hetze gegenüber Israel und seinen Einwohnern. Dass diese Kampagne vornehmlich palästinensische Arbeiter in den betroffenen Territorien betrifft, scheinen auch dezidierte und teilweise hasserfüllte Mitglieder des „CPJPO“ (Comité pour une Paix juste au Proche-Orient) billigend in Kauf zu nehmen. Dabei sind es gerade diese palästinensischen Arbeiter, die immer wieder versuchen, jede Form von Boykott zu unterbinden. Das ist keine zynische Verdrehung der Tatsachen, sondern die reale Faktenlage.

Hauptsache jedoch, die Hetze gegen Israel wird zur europäischen Chefsache, wird der Tenor bei diesen Zeitgenossen wohl mitunter lauten, denn anders kann man ihre unilateralen Aussagen kaum deuten. Einer der Unterzeichner war selbst Zeuge eines solchen Boykottaufrufs anlässlich einer Veranstaltung des Luxemburger CPJPO. Der Israelhass und die Verblendung dieser selbsternannten Friedensstifter sind ein mahnendes Beispiel für die Notwendigkeit einer Luxemburger Außenpolitik, die nicht mehr ausschließlich liebgewonnene Klischees aus der linken und linksextremen Ideologieecke bedient. Realpolitik und eine differenzierende Beurteilung der Sachlage jedoch erfordern eine Distanzierung gegenüber dem Bild Israels als Hegemon, der es nur darauf anlegt, die gesamte Region dem Teufel des Kapitalismus und des Zionismus zu opfern.

Ein Außenminister, der verschweigt, dass die Hamas, eine mörderisch-terroristische Organisation und kein romantischer Debattierclub, an den Schalthebeln der palästinensischen Macht sitzt, belügt die eigene Bevölkerung und nimmt indirekt Teil an der politischen Brandstiftung gegenüber Israel. Die Hamas hat seit jeher die Vernichtung Israels als eines ihrer Hauptziele erklärt. Die Hamas-Charta ist eine genozidäre, sie verfolgt das Ziel eines Völkermordes und ist nicht integrativer Bestandteil der „weltweiten Linken“, wie das US-amerikanische Frontwesen der Gender-Studies, Judith Butler, in einem Anfall von Zynismus einst behauptete.

Kennzeichnung mehr als „mesure technique“

Wenn man also die Legitimation von „BDS“ klar infrage stellen sollte, dann müsste im selben Atemzug festgehalten werden, dass auch der Luxemburger Ableger des „CPJPO“ eben dieses „BDS“ offiziell als einen seiner Hauptinhalte deklariert. Die Mitglieder und Wortführer des CPJPO müssen sich mithin die Frage gefallen lassen, warum sie einen Konflikt des Nahen Ostens nach Luxemburg importieren. Cui bono? Wem nützt eine solche aggressive Polemik? Wohl kaum der Friedenspolitik.
Die Kennzeichnung von Produkten ist in diesem Fall weit mehr als eine „mesure technique“, wie es wiederum im sinnentleerten Phrasensumpf Brüsseler Technokraten lautet. Diese Kennzeichnung gerät vielmehr zu einer Brandmarkung jüdischer und israelischer Kultur und Politik insgesamt. Sie ist ein Symptom für eine schwelende Ausbreitung eines salonfähigen Antisemitismus innerhalb unserer westlichen Staatengemeinschaft.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die EU hiermit auf sehr dünnes juristisches Eis begibt. Die rezenten Beschlüsse fußen mitnichten auf einer soliden Gesetzeslage über den Umgang mit besetzten Gebieten. Die EU hat schlicht und ergreifend keine diesbezüglichen Gesetzestexte erstellt. Das bedeutet, dass solche Entscheidungen überhaupt keinen Bestand vor Handelsgerichten haben. Vor allem wäre die WHO (Welthandelsorganisation) für diese Art von Konflikten verantwortlich, doch die von Frankreich angeführte Anti-Israel-Politik hat der gesamten EU ihren tendenziösen Stempel aufgedrückt.
Entscheidungen dieser Art spielen vor allem den Extremisten an allen Rändern in die Karten. Für den Friedensprozess, den auch die schweigende Mehrheit der Luxemburger Bevölkerung in Form einer Zwei-Staaten-Lösung befürwortet, sind sie ein Sargnagel.