Formel EDoppelweltmeister Jean-Eric Vergne im Interview: „Der Teamgeist ist sehr wichtig“

Formel E / Doppelweltmeister Jean-Eric Vergne im Interview: „Der Teamgeist ist sehr wichtig“
„JEV“ war beim diesjährigen London-E-Prix vom Pech verfolgt Fotos: Norbert und Fernande Nickels

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Am Samstag und Sonntag findet das Finale der Formel-E-Weltmeisterschaft mit einem Doppelevent in Seoul statt. Bis vor dem London-E-Prix Ende Juli kamen noch vier Kandidaten für den diesjährigen Titel in Frage, einer davon unser Interviewpartner: Jean-Eric Vergne.

Mit seinem DS-Techeetah hatte der 32-jährige Franzose eigentlich eine sehr regelmäßige Saison. Bei den zehn ersten Rennen landete er jeweils in den Punkten, dabei stand er fünfmal auf dem Podium, lediglich zu einem Sieg kam es dieses Jahr noch nicht. In den vier Läufen der letzten Doppelevents in New York und London war „JEV“, wie er allgemein im Formel-E-Fahrerlager genannt wird, jedoch vom Pech verfolgt und konnte völlig unverschuldet keines der Rennen in den Punkterängen beenden. Zum Zeitpunkt des Interviews, vor den Rennen in London, waren seine Titelchancen noch intakt und JEV zeigte sich ganz optimistisch. Nach dem Event in der englischen Hauptstadt ist der Rückstand auf den führenden Mercedes-Piloten Stoffel Vandoorne allerdings auf 57 Punkte angewachsen – und Vergne musste alle Titelhoffnungen begraben.

Tageblatt: Wir nähern uns dem Ende der Saison, wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Verlauf?

Jean-Eric Vergne: Eigentlich bin ich ganz zufrieden. Auf einer Skala würde ich mir 80 von 100 Punkten geben.

Sie waren über das ganze Jahr ein beständiger Punktesammler …

Das stimmt, außer bei den letzten beiden Rennen in New York, aber lassen wir uns nicht darüber reden (grinst). In der Formel E kann sich das Blatt aber sehr schnell wenden; es bleiben noch viele Punkte zu vergeben. Ich habe dieses Jahr zwar noch kein einziges Rennen gewonnen und nachdem ich in den USA das schrecklichste Wochenende erlebt habe, werde ich hier in London alles nachholen. (Es lief nicht wie geplant. Am Ende standen Platz 14 im ersten Rennen und ein DNF im zweiten. Die Hoffnungen auf den WM-Titel mussten begraben werden; Anm. d. Red.)

Steckbrief

– Geboren am 25. April 1990 in Pontoise (F)
– 2010 Sieger der englischen Formel-3-Meisterschaft
– 2011 hinter Robert Wickens 2. in der Formel-Renault-3,5-l-Serie
– 2012-2014 Fahrer für Toro Rosso in der Formel 1, 2015-2016 bei Ferrari Formel-1-Testfahrer
– Seit 2016 in der Formel E (Andretti Autosport, DS-Virgin Racing, DS-Techeetah) – Weltmeister 2017/18 und 2018/19
– Ebenfalls seit 2017 bestreitet er die FIA-WEC in der LMP2-Kategorie und seit Monza 2022 ist er einer der Piloten im Peugeot-LM-Hypercar-Team.

Wie werden Sie die letzten Rennen angehen?

Da gibt es nicht viele Möglichkeiten – ich werde ganz einfach voll attackieren. 

Die Strecke in London ist nicht mit anderen zu vergleichen, da sie sich zu 25 Prozent im Innern der Excel-Ausstellungshalle erstreckt. Das muss doch sehr speziell sein, insbesondere, wenn es draußen regnet?

Es ist in der Tat anders als auf allen anderen Strecken, aber genau das macht Spaß. Was das Wetter betrifft, letztes Jahr hatten wir Regen. Somit war es draußen nass und am Anfang drinnen trocken. Allmählich bringen die Autos jedoch das Wasser auch mit ins Innere. Die Grip-Verhältnisse draußen und drinnen sind natürlich verschieden, das macht aber keine Probleme (die Formel-E-Autos fahren bei allen Wetterbedingungen mit ein und denselben Profilreifen; Anm. d. Red.).

Sie fahren seit 2016 für das chinesisch-französische DS-Techeetah-Team und sind mit dieser Mannschaft zweimal hintereinander Formel-E-Weltmeister geworden. Was zeichnet den Erfolg dieses Gespanns aus?

Das Auto selbst ist sehr gut und dann herrscht im Team eine sehr gute Stimmung. Jeder Einzelne in der Mannschaft gibt sein Allermöglichstes und alle arbeiten sehr eng zusammen. Das Ganze bringt dann den bekannten Erfolg.

Sie hatten in den letzten Jahren mit André Lotterer, Antonio Felix da Costa … immer verschiedene Teamkollegen und es schien immer so, als hätten Sie alle ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt?

Ja, das stimmt. Eine gute Zusammenarbeit der beiden Teamkollegen ist sehr wichtig. Man verbringt schließlich viel Zeit zusammen und arbeitet sehr viel gemeinsam im Simulator. Wie bereits gesagt, der Teamgeist ist sehr wichtig und dies gilt natürlich auch für die zwei Fahrer.

Jean-Eric Vergne holte 2017/18 und 2018/19 den Weltmeistertitel in der Formel E
Jean-Eric Vergne holte 2017/18 und 2018/19 den Weltmeistertitel in der Formel E

Sie haben soeben den Simulator erwähnt. Welche Rolle spielt die Simulatorarbeit heutzutage im Motorsport?

Ganz besonders in der Formel E ist die Simulatorarbeit von großer Wichtigkeit, da man dort die Rennen simuliert. In der Formel E gilt es, in den Rennen Energie zu regenerieren. Der Simulator erlaubt uns, vor den Rennen herauszufinden, in welchen Kurven wir am besten und am meisten Energie zurückgewinnen können. Es ist natürlich auch ideal für uns Piloten, die neuen Strecken kennenzulernen. Schlussendlich muss man auch bedenken, dass wir in der Formel E nur sehr wenig „Tracktime“ haben, da die Trainingstage in einem Jahr stark begrenzt sind und unsere Events ja nur an einem einzigen Tag stattfinden.

Schauen wir kurz auf die kommende Saison. Ein sehr stressiges Jahr kommt auf Sie zu, da Sie ja nicht nur die Formel E bestreiten werden, sondern auch Teil der neuen Peugeot-Hypercar-Mannschaft in der WEC sind, richtig?

Ganz genau. Das wird aber kein Problem darstellen, da ich ja bereits in meinen zwei Champions-Jahren neben der Formel E auch die WEC bestritten habe, nur dass es damals in einem LMP2-Fahrzeug war. Ich finde es einfach aufregend, jedes Wochenende Rennen zu bestreiten.

Sie sind von Anfang an in der Formel E dabei, was können Sie uns zu den drei Generationen der Formel-E-Autos sagen?

Die Entwicklung vom ersten Formel-E-Auto, das von 2014 bis 2018 eingesetzt wurde, zur zweiten Generation war genial. Was das neue „Generation-3-Auto“ betrifft, das ab der nächsten Saison eingesetzt werden wird, so kann ich dazu eigentlich nicht sehr viel sagen, da ich das Auto noch nicht gefahren bin.

Im Überblick

Vor den letzten beiden Rennen an diesem Wochenende in Seoul, bei denen noch maximal 56 Punkte zu vergeben sind, sieht es wie folgt in der Formel-E-Weltmeisterschaft aus:
1. Stoffel Vandoorne (Mercedes EQ) 185 Punkte
2. Mitch Evans (Jaguar TCS 149)
3. Edo Mortara (Venturi-Mercedes) 144
4. Jean-Eric Vergne (DS-Techeetah) 128
5. Antonio Felix da Costa (DS-Techeetah) 116
6. Lucas di Grassi (Venturi-Mercedes) 111
Für den Weltmeistertitel kommen also nur noch der Belgier Stoffel Vandoorne, der Neuseeländer Mitch Evans und der Monegasse Edoardo Mortara in Frage. Die beiden Rennen kann man wie gewohnt am Samstag und Sonntag live bei Pro7 verfolgen.

Der Formel-E-Doppelweltmeister war beim Interview mit Tageblatt-Korrespondent Norbert Nickels bestens gelaunt
Der Formel-E-Doppelweltmeister war beim Interview mit Tageblatt-Korrespondent Norbert Nickels bestens gelaunt