World Overshoot DayErde lebt auf Pump: Weltweit verfügbare Ressourcen für dieses Jahr verbraucht

World Overshoot Day / Erde lebt auf Pump: Weltweit verfügbare Ressourcen für dieses Jahr verbraucht
Luxemburg hatte seinen „Overshoot Day“ schon an Valentinstag erreicht. Ab heute lebt die ganze Menschheit auf Pump. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ab heute hat die Menschheit alle verfügbaren Ressourcen der Erde für dieses Jahr verbraucht. Darunter leidet vor allem die Umwelt – aber auch kommende Generationen. Luxemburg kann sich in dieser Hinsicht nicht rühmen: Das Großherzogtum hatte den Überlastungstag bereits im Februar erreicht.

Wälder, Wasser, Ackerland: Die Menschheit verbraucht jedes Jahr mehr natürliche Ressourcen, als die Erde erneuern kann. Ab dem sogenannten „Earth Overshoot Day“ beanspruchen die Menschen mehr davon als ihnen für dieses Jahr eigentlich zur Verfügung stehen. Der Erdüberlastungstag liegt damit etwas früher als im Vorjahr, wie aus Berechnungen des „Global Footprint Networks“ mit Sitz in den USA und der Schweiz hervorgeht. Um die heute verbrauchten Ressourcen zu erneuern, bräuchten die Ökosysteme demnach etwa ein Jahr.

„Wir leben ab heute bei unserer Erde auf Pump“, sagte etwa Christoph Bals von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Momentan verbraucht die Menschheit rechnerisch 1,75 Erden, die Konsequenzen dieser Übernutzung bürden wir insbesondere den Armen heute und den nachfolgenden Generationen auf – und das mit wachsender Intensität.“ Das Klima sei aus den Fugen. Man müsse die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise und des weltweiten Artensterbens unverzüglich begrenzen.

Viele Organisationen sehen vor allem Unternehmen und Politik in der Verantwortung. Die Regierungen müssten klare gesetzliche Vorgaben in die Wege leiten, die den planetaren Grenzen Rechnung tragen: für den Ressourcenschutz, die Energieeffizienz und den Bodenschutz. Vor allem die Europäische Union sei in der „besonderen Verantwortung“, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Dafür sollten sich die nationalen Regierungen stärker in die Verhandlungen zum Klimapaket der EU einbringen. Das Paket sollte beispielsweise sicherstellen, dass der Luftverkehr endlich Zertifikate im Emissionshandel für seine volle Klimawirkung kaufen muss.

Der diesjährige Erdüberlastungstag liegt früher als noch im vergangenen Jahr. 1970 überstieg der Verbrauch zum ersten Mal die vorhandenen Ressourcen, bis 2000 wanderte der Erdüberlastungstag bereits vom Dezember in den September. Seit 2018 fällt der Erdüberlastungstag auf Ende Juli – mit Ausnahme von 2020, als die Corona-Pandemie kurzzeitig für weniger Ressourcenverbrauch sorgte.

Acht Erden trugen Mitglieder einer Aktionsgruppe des Méco am 14. Februar vor dem Parlament symbolisch zu Grabe
Acht Erden trugen Mitglieder einer Aktionsgruppe des Méco am 14. Februar vor dem Parlament symbolisch zu Grabe Foto: Editpress/Julien Garroy

„Die Pandemie hat es vorgemacht“

Der Luxemburger Nachhaltigkeitsrat hat sich am Mittwoch noch einmal für einen gewissenhafteren Umgang mit den natürlichen Ressourcen ausgesprochen. Bis zum Ende des Jahres müsse die Menschheit nun mit einem ökologischen Defizit zurechtkommen, der von Jahr zu Jahr zunimmt. Dabei sei es durchaus möglich, den Erdüberlastungstag wieder nach hinten zu verschieben. „Die Pandemie hat es vorgemacht: Vor zwei Jahren konnte das Stichdatum aufgrund bestimmter Maßnahmen tatsächlich um 24 Tage verzögert werden“, heißt es in einer Mitteilung des Nachhaltigkeitsrates. Die Ressourcen seien 2020 deshalb „erst“ am 22. August aufgebraucht gewesen. 

Das aktuelle Zusammenspiel mehrerer Krisen sei ein guter Beweis dafür, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit den natürlichen Ressourcen geworden sei. Andernfalls sei es kaum noch möglich, die Bevölkerung zu schützen und die Wirtschaft zu unterstützen, ohne gleichzeitig die Umwelt und die Biodiversität zu gefährden. In diesem Zusammenhang verweist der Nachhaltigkeitsrat auf zahlreiche Vorschläge zum Erhalt der Ressourcen und zur Reduzierung der Treibhausgase, die gleichauf wirksam und auch wirtschaftlich rentabel seien. Eine Sanierung und intelligentere Nutzung der öffentlichen Stromnetze könnten das Stichdatum etwa um 21 Tage verzögern. Würde es die Menschheit fertig bringen, die Lebensmittelverschwendung um 50 Prozent zu verringern, könnte man nochmals 13 Tage herausschlagen, so der Luxemburger Nachhaltigkeitsrat.  

Dieser plädiere bereits seit Jahren für neue Indikatoren, die es den politischen und öffentlichen Instanzen ermöglichen könnten, die diesbezüglichen Entwicklungen besser einzuschätzen und zu messen. So müsste man beispielsweise dem ökologischen Fußabdruck mehr Bedeutung schenken – auch wenn dieser verschiedene Aspekte, wie den Verlust der Biodiversität und die Umweltverschmutzung, nicht berücksichtigt. „Allerdings würde es einen Vergleich zwischen den verschiedenen Ländern erleichtern“, so der Nachhaltigkeitsrat in der Mitteilung.

Auch wenn es jetzt allgemein heißt, dass die Menschheit aktuell rund 1,75 Erden verbraucht, sei der Unterschied zwischen den einzelnen Nationen enorm. Zum Vergleich: Luxemburg liegt mit einem Verbrauch von acht Erden aktuell auf Platz zwei. Damit hat das Großherzogtum einen ökologischen Fußabdruck, der 30-mal höher ist als der von Tansania. 

„Top-Platzierung“ für Luxemburg

Tatsächlich hatte Luxemburg den eigenen „Overshoot Day“ mit seinem Verbrauch von acht Erden bereits am 14. Februar erreicht. Zum Vergleich: Belgiens Stichdatum war am 26. März, Deutschland hatte alle Ressourcen Anfang Mai aufgebraucht und Frankreich sollte nur wenige Wochen später folgen. „Luxemburg ist beim diesjährigen Wettlaufen um den frühesten Erdüberlastungstag im Ländervergleich eine Top-Platzierung gelungen“, hieß es Mitte Februar in einer Mitteilung des „Mouvement écologique“ (Méco). „Eine Silbermedaille, kurz hinter Katar.“

2021 sei man noch einen Tag langsamer gewesen, so der Méco. „Würde die ganze Welt so viele Ressourcen verbrauchen und die Umwelt ebenso belasten wie Luxemburg, dann wäre am 14. Februar Feierabend. Uns würden keine Ressourcen mehr zur Verfügung stehen – Null-Emissionen wären vorgeschrieben! Wir müssen demnach dringend unser Verhalten ändern und von der Politik konsequentes Handeln einfordern“, fordert die Umweltorganisation. Andernfalls zerstören man die Zukunft derer, die noch etwas länger auf der Erde leben möchten. Es sei demnach unverständlich, wie trotz eindringlicher Appelle seitens der Wissenschaft Luxemburg es wieder nicht geschafft hat, die Weichen für eine nachhaltige Lebensweise zu legen.

„Wir sind noch immer auf der komplett falschen Schiene – trotz politischer Aussagen“, sagte Cédric Metz vom Méco zu diesem Anlass gegenüber dem Tageblatt. Sonntagsreden würden nicht mehr reichen. Es sei fast nicht zu glauben, dass Luxemburg es nicht schafft, den „Overshoot Day“ ein paar Tage nach hinten zu verschieben. Es sei wichtig, so schnell wie möglich die korrekten politischen Entscheidungen zu treffen. Die Verantwortung auf das Individuum zu schieben, sei nämlich keine Lösung. „Natürlich kann jeder etwas weniger Plastik verbrauchen und sich vegan ernähren – dann schrumpft der Fußabdruck etwas –, aber wir kommen so niemals dorthin, wo wir hin müssen“, so der Sprecher.

Luxemburg müsse seine Abhängigkeit vom immerwährenden Wirtschaftswachstum mit dem Bruttoinlandsprodukt als Wohlstandparameter komplett überdenken. „Darüber hinaus müssen politische Entscheidungen in den verschiedenen Bereichen getroffen werden, die dazu beitragen, dass wir weniger verbrauchen und weniger CO2 ausstoßen“, so Metz. Die bisherigen Schritte würden bei Weitem nicht ausreichen. (fey/ham/dpa)

Eine traurige Top-Platzierung: Luxemburg liegt nur wenige Tage hinter Katar auf Platz zwei
Eine traurige Top-Platzierung: Luxemburg liegt nur wenige Tage hinter Katar auf Platz zwei Illustration: Global Footprint Network
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28. Juli 2022 - 12.22

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