Tour de FranceAndy Schleck über die Tour, den Radsport in Luxemburg und seine Überraschung

Tour de France / Andy Schleck über die Tour, den Radsport in Luxemburg und seine Überraschung
Andy Schleck hatte am Mittwoch das richtige Gefühl, als er voraussagte, dass Jonas Vingegaard den Slowenen Pogacar gefährden könnte Foto: Anouk Flesch/Tageblatt

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Seit 2018 ist Andy Schleck Markenbotschafter von Skoda bei der Tour de France. Der Tour-de-France-Sieger von 2010 ist also weiterhin voll im Geschehen verankert. Im Gespräch mit dem Tageblatt zeigt er, warum er sich Experte nennen darf. Außerdem spricht der 37-Jährige über die Entwicklung des Radsports in Luxemburg und über seine persönliche Überraschung.  

Die perfekte Prognose: 
Als am Mittwochmorgen der Start in Albertville näherrückte, hatte Andy Schleck bereits eine Vorahnung über den Ausgang der Etappe: „Ich glaube, dass Jonas (Vingegaard) der Fahrer ist, der heute den Unterschied machen kann“, sagte der Tour-Sieger von 2010. „Man muss einfach mal rechnen – die Watt pro Kilo – auf über 2.000 Metern. Da ist Jonas überlegen, er ist leichter.“ Schleck hatte zuvor schon gefordert, dass die Mannschaften Tadej Pogacar attackieren sollten. „Man muss Eier haben, um die Tour de France zu gewinnen. Außerdem musst du bereit sein, die Tour de France zu verlieren, um sie zu gewinnen. Du musst also riskieren. Die Fahrer dürfen nicht bis zum letzten Berg warten. Pogacar kann zwei, drei Attacken nachgehen, aber nicht jeder. Seine Schwäche ist das Team“, prognostizierte Schleck. Dem Luxemburger geht es dabei vor allem um ein offenes Rennen. „Ich bin großer Fan von Pogacar, er ist der beste Radfahrer, den ich je gesehen habe. Ich halte aber immer zum Zweiten. Beim Fußball bin ich meistens für den, der am Verlieren ist. Ich sehe gerne außergewöhnliche Dinge.“ 

Über die Entwicklung des luxemburgischen Radsports:
Niels Michotte gewann das Junioren-Rennen von Paris-Roubaix, Mathieu Kockelmann gewann das Europameisterschafts-Zeitfahren der Junioren und bei der Tour feierte Bob Jungels kürzlich einen Etappensieg. „Es geht zu hundert Prozent in die richtige Richtung“, erklärt Schleck. „Wir haben auch viel dafür in den letzten Jahren gemacht. Ich bin froh, dass die Zeiten von mir, meinem Bruder und Kim Kirchen nicht spurlos vorbeigegangen sind. Es war eine Reklame für den Radsport. Die Ernte davon folgt nun. Bob war einer der Ersten, die dabei rauskamen.“ Schleck weiß jedoch auch, dass Luxemburg in den letzten Jahren im Radsport im Vergleich erfolgsverwöhnt war. „Wir müssen realistisch bleiben: Wir haben nicht zu viele Sportler in Luxemburg. Man muss eben mit den Mädchen tanzen, die da sind. Wir dürfen nicht jedes Jahr erwarten, dass ein Radsportler an den Start der Tour geht. Man darf den Mut aber nicht verlieren. Letztes Jahr hatten wir keinen Fahrer am Start, dieses Jahr drei. Leider wurde Alex (Kirsch) krank, Kevin (Geniets) macht ein super Rennen und Bob (Jungels) gewinnt eine Etappe – viel besser kann es doch kaum laufen.“ 

Dass junge Nachwuchskärfte wie Kockelmann (Auto Eder/D) oder Michotte (Ag2r-Citroën/U19) aber für ausländische Teams fahren, sieht Schleck zwiegespalten. „Das sind starke Teams und ist gut für die Jungs, definitiv. Aber dass es die Luxemburger ins Ausland zieht, zeigt, dass unsere Strukturen hier nicht gut genug sind. Sie sind gut, aber ausbaufähig.“ Fehlend in Luxemburg seien laut dem 37-Jährigen vor allem lokale Rennen.  „Es muss viel mehr gemacht werden. Die Rennen leben von Freiwilligen-Arbeit, das ist ein Problem. Wir haben kaum noch Rennen in Luxemburg, das war zu meiner Zeit ganz anders. Zusammengefasst muss ich aber sagen, dass ich keine Angst um den Luxemburger Radsport habe.“

Geniets, die positive Überraschung:
Kevin Geneits fährt aktuell seine erste Tour de France – mit Bravour. „Kevin überrascht mich jedes Jahr aufs Neue positiv“, sagt Schleck. „Er hat vielleicht nicht das gleiche Talent wie Bob, aber er ist sehr weit gekommen. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Kevin noch jung ist.“ 25 Jahre ist der Groupama-FDJ-Profi alt und nimmt damit bei der diesjährigen Tour zum letzten Mal an der Nachwuchsfahrerwertung teil. Dort belegt er aktuell den sechsten Platz bei insgesamt 26 Fahrern, die in dieser Wertung gelistet werden. „Er hat die Aufgabe, Gaudu zu helfen“, weiß Schleck. „Doch wenn er mal einen Freifahrtschein bekommen sollte und in eine Gruppe geht, kann er hier durchaus eine Etappe gewinnen. Das Niveau hat er. Er ist zwar hier nur als Helfer eingestuft, aber er ist mehr als das.“