Annullierte Flüge und festhängende UrlauberAn vielen Flughäfen in Europa herrschen teils chaotische Zustände

Annullierte Flüge und festhängende Urlauber / An vielen Flughäfen in Europa herrschen teils chaotische Zustände
Reisende am Pariser Flughafen Charles de Gaulle: Warnstreiks führten am Wochenende erneut zu Annullierungen Foto: dpa/Thomas Padilla

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Fehlende Mitarbeiter etwa bei der Gepäckabfertigung und Streiks für bessere Arbeitsbedingungen führen derzeit zu teils chaotischen Zuständen an vielen Flughäfen in Europa. 

Am größten Flughafen Deutschlands in Frankfurt haben die aktuellen Abfertigungsprobleme mittlerweile auch Folgen für den Luftfrachtverkehr. Eine Maßnahme, um das Gesamtsystem zu stabilisieren, sei, dass neben Passagier- auch einzelne Frachtairlines Flüge etwa aus Spitzenzeiten in verkehrsärmere Zeiten verlegen oder streichen, sagte eine Sprecherin des Flughafens der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Mit Blick auf den Personalmangel werde bei den Abfertigungen von Passagier- wie auch von Frachtmaschinen geschaut, wo der Bedarf am größten sei.

Kurzfristige Abhilfe für den Personalmangel an deutschen Flughäfen hatte die deutsche Bundesregierung vergangene Woche in Aussicht gestellt: Sie will für Tausende ausländische Aushilfskräfte die Einreise ermöglichen.

Streiks für bessere Arbeitsbedingungen

Im Ferientrubel nimmt auch die Streikwelle im Flugverkehr im beliebten Urlaubsland Spanien weiter zu. Das Kabinenpersonal der Billigairline Ryanair will im Juli an weiteren zwölf Tagen für bessere Arbeitsbedingungen streiken, wie die zuständigen spanischen Gewerkschaften USO und SITCPLA am Samstag mitteilten. Von den Ryanair-Streiks sind zahlreiche Flughäfen betroffen. Das Kabinenpersonal war in Spanien bereits Ende Juni sowie auch zwischen Donnerstag und Samstag in den Streik getreten. Die Fluggesellschaft „hält sich nicht an Gerichtsurteile und Gesetze“, hieß es von der USO. Arbeitsministerin Yolanda Díaz müsse eingreifen.

Auch das Kabinenpersonal von Konkurrent Easyjet legt in Spanien die Arbeit zwischen Ende Juni und Ende Juli an insgesamt neun Tagen nieder. Im Fall der britischen Airline fordert das Kabinenpersonal deutlich höhere Gehälter sowie auch eine Begrenzung der Flugzeiten, wie es sie in anderen Ländern gebe.

Die Komplikationen an den Flughäfen sorgen auch für Ärger und Empörung bei Tausenden von Reisenden, deren Spanien-Flüge abgesagt oder erheblich verzögert wurden. 

„So etwas habe ich noch nie erlebt“

Mit am schlimmsten erwischte es die Passagiere eines Ryanair-Fluges nach Mallorca, die auf dem Flughafen Köln/Bonn festhingen. Erst wurde die Einsteigezeit um drei Stunden verschoben. Dann konnten die Reisenden ins Flugzeug, mussten aber in der Maschine weiter auf dem Rollfeld warten. Schließlich wurde der Flug abgesagt, doch die Urlauber durften zunächst längere Zeit nicht aussteigen, weil angeblich keine Treppe verfügbar war.

Es sei zu chaotischen Szenen an Bord gekommen, berichtet eine deutsche Touristin in der Mallorca Zeitung. Einige Passagiere hätten geweint. Andere offenbar alkoholisierte Reisende, die als „typische Ballermann-Gruppe“ beschrieben wurden, hätten angefangen zu pöbeln. Auch eine Flugbegleiterin sei den Tränen nahe gewesen. Mehrere genervte Passagiere baten per Handy die Polizei um Hilfe. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt die Urlauberin.

Ryanair und Easyjet erklärten derweil, die Auswirkungen des Streiks seien gering. Spaniens Regierung hat für diesen Arbeitskampf eine Mindestflugversorgung von 50 bis 80 Prozent festgelegt. Beide Linien versuchen, teilweise auch mit Ersatzpersonal aus anderen Ländern, so viele Flüge wie möglich durchzuführen. Aber trotzdem mussten nach Gewerkschaftsangaben in den letzten Tagen weit mehr als 200 Spanien-Flüge gecancelt werden, mehr als 1.000 hatten Verspätungen.

Auch Paris ist betroffen

Am Pariser Flughafen Roissy-Charles-de-Gaulle führten Warnstreiks am Wochenende erneut zu Annullierungen. Am Samstag wurden zwischen 7 Uhr und 14 Uhr 20 Prozent der geplanten Starts und Landungen gestrichen, wie der Flughafen mitteilte. Schon am Freitag waren 17 Prozent der Starts und Landungen ausgefallen. Die Streikenden fordern wegen der zunehmenden Inflation mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen.

Bei der skandinavischen Fluggesellschaft SAS hingegen ist erneut ein geplanter Pilotenstreik aufgeschoben worden. Für die Schlichtungsversuche sei eine neue Frist bis Montag um 12 Uhr gesetzt worden, teilte die Airline mit. Es gehe vorwärts, aber man sei noch sehr weit auseinander, sagte SAS-Verhandlungsführerin Marianne Hernæs dem dänischen Sender DR zufolge. Der ursprünglich für Mittwoch angekündigte Streik von 900 Piloten war zunächst auf die Nacht zum Samstag verschoben worden. Die SAS-Führung und die schwedischen, norwegischen und dänischen Piloten verhandeln seit Wochen über einen Tarifvertrag.

Um das Chaos im britischen Luftverkehr zu bewältigen, lockert die britische Regierung die Vorschriften für die Start- und Landerechte an den Flughäfen. Die Airlines können nun Verbindungen streichen und auf die sogenannten Slots verzichten, ohne fürchten zu müssen, diese teuren Startrechte zu verlieren. Damit soll ein „realistischerer“ Flugplan ermöglicht werden. Die Airlines müssen ihre Streichungen bis zum kommenden Freitag mitteilen.

Ryanair-Chef macht Brexit verantwortlich

Für den Personalmangel an den britischen Flughäfen machte Ryanair-Chef Michael O’Leary „die Katastrophe“ des Brexits verantwortlich. Seit dem britischen EU-Austritt sei es für Fluglinien schwierig geworden, EU-Arbeitskräfte einzustellen, sagte O’Leary der Zeitung Financial Times.

Doch es gibt auch Chaos-Profiteure: Durch die Streichung innerdeutscher Flüge steigt das Fahrgastaufkommen bei der Deutschen Bahn. „Immer mehr Menschen nutzen in der aktuellen Lage innerdeutsch die Bahn statt des Fliegers“, sagte ein Sprecher dem Spiegel. Sprinter-Züge entlang der innerdeutschen Flugstrecken sind dem Bericht zufolge zu 40 Prozent stärker ausgebucht, viele Tickets kaufen die Airlines dabei als Ersatz für gestrichene Flüge.