DamenWie Jill de Bruyn das letzte Fußballspiel ihrer Karriere erlebt hat

Damen / Wie Jill de Bruyn das letzte Fußballspiel ihrer Karriere erlebt hat
Von der FLF gab es nicht nur das signierte Trikot Foto: privat

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Für Stürmerin Jill de Bruyn begann am Mittwoch ein neues Leben – ohne Trainingsstress, ohne Meisterschaftsplanungen und ohne Fußball. Am Dienstagabend wurde die 28-jährige Nationalspielerin beim Testspiel in Belgien verabschiedet. Ein Rückblick auf schwere Zeiten und die schönsten Momente einer der erfahrensten Spielerinnen der FLF-Auswahl.

Tageblatt: Einige Niederlagen steckt man besser weg als andere. Wie haben Sie das 1:6 am Dienstag in Lier zum Abschluss Ihrer Länderspielkarriere erlebt?

Jill de Bruyn: Das Ergebnis ist, wie es ist. Die Mädchen waren müde, niemand war an den intensiven Rhythmus inklusive der WM-Qualifikation in dieser Saison gewöhnt. Die Belgierinnen fahren nächste Woche zur Europameisterschaft und wollten vor ihrem eigenen Publikum noch einmal alles geben. Das Resultat war logisch. Enttäuschung würde ich es nicht nennen, eher nervt es, dass wir wieder ein paar vermeidbare Fehler begangen haben, die uns zwei, drei Gegentreffer gekostet haben. Aber wenn man realistisch ist, muss man zugeben, dass Belgien auf einem anderen Niveau spielt. 

Wie empfanden Sie Ihren Abschied gegen das Heimatland Ihrer Eltern?

Es war unheimlich schön, die Stimmung war top. Es wurde gesungen und getrommelt. Meine belgischen Familienangehörigen waren vor Ort und ich habe von beiden Verbänden Geschenke bekommen. Der belgische Nationaltrainer ist ein Familienangehöriger meiner Patentante. Einen schöneren Abschied hätte ich mir nicht vorstellen können. Nach Spielende kamen die belgischen Nationalspielerinnen und haben sich noch mit mir unterhalten. Von meinen Mitspielerinnen bekam ich, genau wie von den Belgierinnen, ein signiertes Trikot. Von der FLF gab es eine gläserne Skulptur. 

Werden die Geschenke einen Ehrenplatz erhalten?

Ja, ich denke, die Skulptur passt gut ins Wohnzimmer. Ich habe auch den Ball des Abends mit nach Hause bekommen. Das sind alles sehr schöne Erinnerungen.

Wann kam der Punkt, an dem Sie sich gesagt haben, dass Sie einen Schlussstrich ziehen möchten – und warum?

In der vergangenen Saison hatte ich bereits mit dem Gedanken gespielt. Als sich dann aber die Aussichten auf eine WM-Qualifikationsteilnahme ergaben, hat das mir die nötige Motivation für eine zusätzliche Saison gegeben. Ich bin deshalb auch von Ell zur Entente Wormeldingen gewechselt, da ich das Gefühl hatte, meine Komfortzone dafür verlassen zu müssen. Es war natürlich Pech, dass ich dann wegen einer Verletzung vier Monate der Hinrunde verpasst habe. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. 

Sie mussten im Laufe Ihrer Karriere mehrere schwere Zeiten überstehen. Hätten Sie vor ein paar Jahren überhaupt daran gedacht, an einer WM-Qualifikation teilnehmen zu dürfen?

Nein. Nach meiner langen Krankheit (eine schwere Neuro-Borreliose) hätte ich mir nie erwartet, wieder auf diesem Niveau spielen zu können. Der belgische Nationaltrainer war übrigens früher Coach in Lierse. Ich hätte mit 15 dorthin gehen können, doch meine Eltern wollten nicht, dass ich in das flämische Schulsystem wechseln würde. Bevor ich mein Studium begonnen habe, hätte ich nach Anderlecht gehen können. Dann wurde ich krank. Später gab es die Möglichkeit, zum Standard zu gehen. Die Probetrainings verliefen gut und sie wollten mich verpflichten. Allerdings hätte ich dafür meine Arbeit kündigen müssen. Das kam für mich allerdings nicht in Frage. Dafür war ich in meinem Leben schon zu weit. Man weiß im Nachhinein nicht, wie meine Karriere verlaufen wäre, wenn ich nach Anderlecht gegangen wäre. Aber ich kann mich heute damit trösten, dass ich mit meinen Freundinnen in Ell Titel gewonnen habe, die uns niemand zugetraut hatte. 

Die Familie De Bruyn hatte sich den Abschied nicht entgehen lassen
Die Familie De Bruyn hatte sich den Abschied nicht entgehen lassen Foto: privat

Die jungen Spielerinnen haben demnach auch andere Optionen in ihrer sportlichen Ausbildung. Wo sehen Sie die FLF-Auswahl auf mittel- und langfristiger Ebene?

Vor 15 Jahren hatten wir nicht die gleichen Optionen. Es gab weder das Sportlycée oder anderswo „sports-études“, noch große Möglichkeiten, ins Ausland zu wechseln. Jetzt trainieren die Mädchen in entsprechenden Alterskategorien, es stehen Physiotherapeuten und Fitnesstrainer zur Verfügung. Wenn die Mädchen gemeinsam weiter trainieren, kann das etwas Großes werden. Sie haben jetzt regelmäßige Trainingseinheiten. Durch die WM-Qualifikation ist ein Hype um die Mannschaft entstanden und erste Spielerinnen konnten ins Ausland wechseln. Das ist gut für die Entwicklung des Luxemburger Fußballs. Ich denke, dass wir in puncto Nachwuchs für die Zukunft gut aufgestellt sind.

Haben Sie sich in Ihrer Jugend als Fußballspielerin gleichberechtigt gefühlt?

Ich habe damals bis zu meinem 15. Lebensjahr mit den Jungs gespielt. Es gab keine „Cadettes“ oder „Jeunes filles“, nur die Seniorinnen. Für alle Mädchen, die etwa im gleichen Alter sind, wie Marisa (Soares) oder Amy (Thompson), gab es keine Möglichkeiten, Spiele zu bestreiten. Das kam dann erst nach und nach. 

Sie haben 2018 Ihr erstes Länderspiel bestritten. Was hat sich in diesen vier Jahren bereits positiv entwickelt?

Einerseits die Jugendkategorien, aber auch die Werbung für den Frauenfußball hat sich verbessert. Die Vereine entschädigen jetzt für Trainingspräsenz oder gewonnene Spiele. Andere haben sogar Verträge. Es bleibt trotzdem noch viel zu tun. 

In welchen Hinsichten könnten Verband oder Vereine noch mehr investieren?

Das Wichtigste ist die Reform der Meisterschaft, an der gerade gearbeitet wird. Es gibt einfach zu große Niveau-Unterschiede. Diese Reform ist dringend notwendig. In anderen Ländern gibt es so deutliche Ergebnisse nicht. Wir brauchen jedes Wochenende intensive Begegnungen. Die Mädchen müssen noch weiter ins Ausland gebracht werden. Seit der Teilnahme an der WM-Qualifikation wurde bereits mehr über die Nationalelf geredet. Die steigende Entwicklungstendenz ist sichtbar. 

Werden Sie dem Verein oder der Nationalmannschaft in einer anderen Rolle erhalten bleiben?

Darauf wurde ich schon von mehreren Leuten angesprochen – beispielsweise, ob ich mir vorstellen könnte, Co-Trainerin oder Fitnesstrainerin in einem Verein zu werden. Das will ich momentan aber nicht. Ich will mich nicht binden. Man soll ja nie nie sagen, aber spielen werde ich nicht mehr. 

Was planen Sie, um nicht in das bekannte „Loch“ zu fallen?

Selbst der belgische Verband hatte an ein Geschenk gedacht
Selbst der belgische Verband hatte an ein Geschenk gedacht Foto: privat

Auch darüber wurde ich ausgefragt. Ich bin ehrlich gesagt glücklich darüber, entspannen zu können. Die letzten Jahre waren heftig. Morgens ging es gleich zur Arbeit, montags begann die Woche auch immer mit einer Frühschicht. Wenn die Zeit reichte, konnte ich vor dem Training nochmal nach Hause – und danach schon wieder ins Bett. Allerdings ist man dann immer noch aufgeregt vom Sport und kann nicht gleich schlafen. Das ist ein Teufelskreis. Zudem ist meine Arbeit mit Patienten teils körperlich anstrengend, da musste ich mich manchmal wirklich überwinden, um noch die Motivation für das Training zu finden.

Letzte Frage: An welchen Tag denken Sie, wenn man Sie nach der schönsten Erinnerung an Ihre Fußballkarriere anspricht?

Ich würde sagen, dass es der Pokalsieg mit Ell gegen Niederkorn war. Uns hatte niemand auf der Rechnung. Die Entscheidung fiel im Elfmeterschießen. Beim Meistertitel hatten wir das entscheidende Spiel schon in der Hinrunde gegen Junglinster gewonnen. Aber gestern (am Dienstag) war auch sehr speziell und einzigartig. Tore gab es viele, an die ich mich gerne erinnere – aber besonders das Pokalhalbfinale 2018.