Der Rat der WeisenSo werden die Luxemburger Weine für den „Guide Hachette“ ausgewählt

Der Rat der Weisen / So werden die Luxemburger Weine für den „Guide Hachette“ ausgewählt
Verkostung in Remich: Konzentration und Expertise im Weinbereich sind gefordert, wenn es darum geht, die passenden Tropfen für den „Guide Hachette“ auszuwählen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Seit 37 Jahren ist der französische „Guide Hachette des Vins“ in Sachen Wein die Referenz schlechthin. Seit 22 Jahren sind die Luxemburger Weine dabei. Jetzt die Jahrgänge 2020 und 2021. Claude Wolf hat der Jury bei der Beurteilung über die Schulter geschaut.

Pünktlich sitzen die 45 Jurymitglieder an den sieben Tischen in der Eingangshalle des Weinbauinstitutes (IVV). Obwohl die offizielle Auswertung noch nicht angefangen hat, wirken alle hoch konzentriert. Es wird wenig gesprochen, so als ob sich alle mental auf die nächsten zwei Stunden vorbereiten würden.

Es ist tatsächlich eine Herausforderung, die Auswahl für den prestigereichen „Guide Hachette des Vins“ zu treffen, ist doch der 1985 in Frankreich geschaffene Weinführer auf seinem Fachgebiet eine Referenz.

Luxemburg ist seit dem Jahr 2000 mit dabei; dieses Jahr allerdings erstmals nicht mehr in der gedruckten Version, sondern nur mehr online. „… was heute ohnehin die meisten von uns auf ihrem Handy haben …“, so André Mehlen, beim IVV für die Bereiche Önologie und Weinüberprüfung zuständig und Zeremonienmeister bei der diesjährigen Verkostung. Er ist gewissermaßen Herr über 90 Weine, darunter 30 Crémants.

Die eingereichten Proben der Winzer von der Luxemburger Mosel sind unkenntlich gemacht, damit die Tester sich nicht durch äußere Faktoren beeinflussen lassen
Die eingereichten Proben der Winzer von der Luxemburger Mosel sind unkenntlich gemacht, damit die Tester sich nicht durch äußere Faktoren beeinflussen lassen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Von Meisterhand

In einem Rundschreiben wurden die Winzer aufgefordert, ihre besten Weine zur Prüfung zu schicken, sie durften dabei jeweils drei Weine und einen Crémant präsentieren.

Die eingegangenen Proben wurden von den Fachleuten des IVV geprüft und anhand der bereits existierenden Verkostungsergebnisse klassiert.

Das IVV richtete auch die praktische Beurteilung aus: Jede Flasche steckt blickdicht in einer schwarzen Plastikfolie und ist nummeriert.

Die Juroren wissen nicht, wessen Weine sie beurteilen, sie wissen lediglich, welche Rebsorte ihnen vorliegt. Jeder Wein wird auf einem extra vom Weinführer zur Verfügung gestellten Zettel kommentiert. Es geht dabei um Farbe, Geruch und Geschmack, die Weine werden auf ihre für den Jahrgang und die Rebsorte typischen Eigenschaften geprüft.

Die Juroren wissen nicht, wessen Weine sie beurteilen, sie wissen lediglich, welche Rebsorte ihnen vorliegt
Die Juroren wissen nicht, wessen Weine sie beurteilen, sie wissen lediglich, welche Rebsorte ihnen vorliegt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Inzwischen sind leise Stimmen zu hören. Bevor es losgeht, wird ein Testwein serviert. Er wird nicht beurteilt, er hilft lediglich, sich abzustimmen, damit alle nach den gleichen Kriterien urteilen und die Ergebnisse nicht allzu weit auseinanderklaffen.

An den sieben Tischen sitzen Fachleute. Sie sind Restaurantbesitzer, Weinkellner, Winzer, Händler, Fachleute aus dem Weinbau sowie einige spezialisierte Journalisten. Das Weinbauinstitut hat sie aus einer Liste von Interessenten ausgewählt.

Eine Jury besteht aus sechs bis sieben Verkostern. Sie bestimmen unter sich einen Präsidenten. 13 unterschiedliche Weine müssen sie in knapp zwei Stunden verkosten und dabei null bis fünf Punkte vergeben. Jede Jury kann zwei „coups de coeur“ bestimmen. Bedächtig wird der Wein im Glas gedreht, beschnuppert, mehrmals im Mund gekaut und in der Regel danach wieder ausgespuckt. Dann werden die Punkte vergeben.

 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Das letzte Wort

Die Verkostung ergibt sich aus der Natur der Einsendungen und dem hierzulande allgemein üblichen Konsum. Von den sieben Tischen urteilen jeweils zwei über Pinot gris, Riesling und Crémant, ein letzter Tisch bewertet die kleineren Sorten, wie Auxerrois, Spätlese, Chardonnay und Rotwein. Diese „Einzelgänger“ werden später zwar im Weinführer genannt, sie bekommen jedoch keine Spezialauszeichnung, wenn nicht genügend Vergleichsmöglichkeiten bestehen.

Das Stimmengewirr ist mittlerweile etwas lauter geworden, die Bewertungen nehmen allmählich Form an. Damit ist aber noch nicht alles gesagt. Die Ergebnisse der Verkostung kommen in eine zweite Ausscheidungsrunde. Aus ihr suchen die Jurypräsidenten die Weine aus, die dem „Guide Hachette“ vorgelegt werden. Luxemburg darf drei Weinen den begehrten „coup de coeur“ geben sowie einem Crémant.

Resultate lagen nach der Verkostung nicht vor: Zwei Tage nach dem hiesigen Treffen ist die Auswahl nach Paris gegangen, wo die endgültige „Sélection“ voraussichtlich im Herbst publik gemacht wird. Dabei werden die Weine bewertet und in einem kurzen Text kommentiert. Und werden somit zur Referenz: 52 Prozent der in Frankreich verkauften Weinführer tragen das Label der „Guide Hachette“.

Die Verkoster sind Restaurantbesitzer, Weinkellner, Winzer, Händler, Fachleute aus dem Weinbau sowie einige spezialisierte Journalisten
Die Verkoster sind Restaurantbesitzer, Weinkellner, Winzer, Händler, Fachleute aus dem Weinbau sowie einige spezialisierte Journalisten Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Der Meistgehörte

Unabhängigkeit und Objektivität hat sich der „Guide Hachette des Vins“ 1985 bei seiner Gründung auf die Fahne geschrieben. Um dies zu verwirklichen, hat er beträchtliche Geldmittel in die Hand genommen und auf eine regionale Zusammenarbeit sowie die Mitarbeiter anerkannter und unabhängiger Spezialisten gesetzt.

Für die 2021er-Ausgabe wurden 35.000 Weine gekostet, etwa 8.000 schafften es in den Weinführer, wo sie einen bis drei Sterne bekamen. 500 davon bekamen einen „coup de coeur“.

Der Weinführer betont, dass einzelne Weine verkostet werden, ohne Rücksicht auf das Anwesen, wo sie herkommen. Der „Guide Hachette“ versteht sich auch nicht als Werk eines Autors, sondern als Gemeinschaftswerk mit Zusammenspiel vieler Fachkräfte. Weil er sich an eine französischsprachige Kundschaft richtet, wurden 1998 die Schweizer und 2000 die Luxemburger Weine ebenfalls bewertet. Die helvetische Ausgabe ist inzwischen wieder verschwunden, die luxemburgische als einziges nicht-französisches Anbaugebiet ist nur mehr online einzusehen.