Vor dem EU-GipfelJa zur Ukraine, Jein zum Westbalkan

Vor dem EU-Gipfel / Ja zur Ukraine, Jein zum Westbalkan
In der Ex-Sowjetrepublik Georgien im Südkaukasus haben am Sonntag Tausende Menschen für eine Annäherung an Europa demonstriert – doch die Hoffnungen für Georgien sind gering Denis Kaminev/AP/dpa

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Beim EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel geht es um Geopolitik. Doch eine klare Strategie lassen die Europäer vermissen, drei Länder könnten sogar verprellt werden

Die Ukraine darf sich auf ein herzliches Willkommen freuen, der Westbalkan muss sich auf eine kalte Dusche einstellen: Der zweitägige EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, wird zum Wechselbad der Gefühle.

Während sich zum Kandidatenstatus der Ukraine und Moldaus – der ersten, symbolischen Stufe des EU-Beitritts – ein einstimmiges „Ja“ abzeichnet, dürfen Albanien und Nordmazedonien nicht mit großen Fortschritten rechnen.

Dies sagten EU-Diplomaten am Mittwoch in Brüssel. „Dies wird ein geopolitischer Gipfel“, erklärte ein Insider. Nach einem informellen, also nicht beschlussfähigen Westbalkan-Gipfel am Vormittag soll es am Nachmittag um die geplante Osterweiterung der EU gehen.

Luxemburg unterstützt Kandidatenstatus

Vor einer Woche hatte die EU-Kommission empfohlen, der Ukraine und Moldau den begehrten Kandidatenstatus zu verleihen. Dazu zeichne sich „absolute Zustimmung“ ab, hieß es in Brüssel. Zuletzt hatten skeptische Staaten wie die Niederlande und Dänemark ihre Bedenken fallen lassen.

Sie vertrauen auf Reformen, die die Kommission den beiden EU-Anwärtern ins Stammbuch geschrieben hat. So soll die Ukraine den Kampf gegen die grassierende Korruption verstärken und die Unabhängigkeit der Gerichte absichern.

Die Brüsseler Behörde will die Umsetzung dieser Reformen allerdings erst im kommenden Jahr prüfen. Eine Bedingung für den Kandidatenstatus, der zunächst keine greifbaren Vorteile bringt, soll das aber nicht sein. Der Status müsse „sofort“ erteilt werden, forderten Deutschland, Frankreich und Italien in der vergangenen Woche.

Kurz vor dem EU-Gipfel bekräftigte der deutsche Kanzler Olaf Scholz seine Unterstützung für die Ukraine. Er sagte am Mittwoch in seiner Regierungserklärung im Bundestag, er werde sich „mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass die gesamte EU geschlossen ‚Ja‘ sagt“. Das sei „eine Antwort Europas auf die Zeitenwende“. Auch der luxemburgische Premier Xavier Bettel (DP) hatte bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew am Dienstag zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesagt, Luxemburg werde sich beim Gipfel für die Ukraine einsetzen.

Weniger zupackend zeigen sich die Europäer auf dem Westbalkan. Zwanzig Jahre nach den Balkankriegen wollen sie ihre zögerliche, an zahllose Konditionen geknüpfte Erweiterungspolitik nicht ändern. Österreich, Luxemburg und einige andere Länder haben zwar davor gewarnt, die Ukraine auf die Überholspur zu setzen und den Balkan hängen zu lassen. Praktische Konsequenzen dürfte dies aber nicht haben.

Ein Junktim zwischen dem Westbalkan und der Ukraine gebe es nicht, sagte ein Diplomat. Die 27 Staats- und Regierungschefs hoffen zwar noch auf einen Durchbruch in letzter Minute: Bulgarien könnte sein Veto gegen den Start von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien aufheben und damit auch den Weg für Albanien frei machen, heißt es beim französische EU-Vorsitz. Sicher sei dies jedoch nicht.

Es droht ein Flop

Wegen der Blockade hatten die Führer der drei Westbalkan-Staaten Serbien, Albanien und Nordmazedonien zunächst sogar erwogen, den EU-Gipfel zu schwänzen. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama warnte auf Twitter: „Die ganze Union gekidnappt von Bulgarien ist kein Schauspiel, das man sich gerne ansehen würde!“

Am Ende entschloß er sich aber doch, nach Brüssel zu reisen. Die Erwartungen sind jedoch gering. Die EU werde sich vermutlich nicht einmal auf eine neue „europäische politische Gemeinschaft“ einigen, wie sie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vorgeschlagen hatte, sagte ein Diplomat. Man plane bloß eine unverbindliche Aussprache über den Plan, der EU-Nachbarn enger anbinden soll.

Wenn er recht behält, wird der „geopolitische Gipfel“ zum Flop. Nur die Ukraine und Moldau werden dann näher an die EU rücken, der Westbalkan und andere Anrainer wie Georgien hingegen dürften sich verprellt fühlen.