Ukraine-BesuchBettel und Selenskyj treffen sich in Kiew: „Den Wiederaufbau gehen wir gemeinsam an“

Ukraine-Besuch / Bettel und Selenskyj treffen sich in Kiew: „Den Wiederaufbau gehen wir gemeinsam an“
Xavier Bettel und Wolodymyr Selenskyj haben sich in Kiew getroffen Foto: Staatsministerium

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel ist am Dienstag überraschend in die Ukraine gereist. Dort besuchte er Kriegsstätten wie Butscha und Irpin. Am Nachmittag sprach er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. 

Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel ist am Dienstag in die Ukraine gereist. Dort hat er sich am Nachmittag auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Bettel reiste – wie schon andere Regierungschefs vor ihm – mit dem Zug nach Kiew. Um 10 Uhr ukrainischer Zeit – 9 Uhr Luxemburger Zeit – kam er am Bahnhof in der ukrainischen Hauptstadt an. Dort wurde er von Vize-Außenministerin Emine Dzhaparova empfangen, die Luxemburg Anfang Juni besucht hatte. Gemeinsam mit Dzhaparova besuchte Bettel die Kriegsstätten Borodjanka, Butscha und Irpin.

Borodjanka, eine wenige Kilometer nordwestlich von Kiew gelegene Kleinstadt, zählte vor dem Krieg 13.000 Einwohner. Die russischen Streitkräfte ließen sie nach ihrem Abzug größtenteils zerstört zurück. Der litauische Staatspräsident Gitanas Nauseda hatte bei seinem Besuch am 13. April von „apokalyptischen Bildern“ gesprochen. Wie in Butscha waren auch in Borodjanka Hunderte Leichen von Zivilisten entdeckt worden. Einige von ihnen wiesen Folterspuren auf. „Borodjanka hat durch die russische Zerstörung bis zum Punkt der totalen Zerstörung gelitten und ist ein Symbol sinnloser Grausamkeit und Gewalt“, schrieb Premierminister Bettel zu seinem Besuch auf Twitter. „Nichts kann den Schrecken dessen vermitteln, was hier geschehen ist.“

Nach Borodjanka reiste Bettel an einen weiteren Kriegsschauplatz: Butscha. Dort besuchte er die Stätten der Massengräber. „Es gibt keine Worte, um die unvorstellbare menschliche Tragödie zu beschreiben“, so der Premier auf Twitter. In Irpin besuchte Bettel auch die Ausstellung „Ukraine-Crucifixion“ und nahm an einer Zeremonie zum Gedenken an die ukrainischen Kinder teil, die bei der Invasion starben. Der Premierminister legte als Geste des Gedenkens ein Spielzeug nieder. 

Am Nachmittag trat der Luxemburger Premier dann gemeinsam mit Präsident Selenskyj im Präsidialamt in Kiew vor die Presse. „Ich bin zutiefst beeindruckt von Ihnen“, sagte der Luxemburger Premier zu seinem Gegenpart. In zwei Tagen werde in Luxemburg der Nationalfeiertag begangen. „Das bedeutet, den Frieden und die Werte zu feiern, für die ihr kämpft.“ Bettel sei nach Kiew gekommen, um den Ukrainern seine Solidarität auszudrücken. Luxemburg mache alles, was man könne, um die Ukraine zu unterstützen. „Meine Botschaft an den Präsidenten und an das ukrainische Volk, hier in der Ukraine und an all jene, die anderswo Zuflucht suchen – ist klar: Wir – Luxemburg und die Luxemburger – stehen an Ihrer Seite.“

Diskussionen über weitere Hilfen

Luxemburg wisse, was es bedeute, wenn ein großer Nachbar meine, über einen entscheiden zu können. „Es ist dank der Hilfe und Solidarität anderer, dass ich heute in einer Demokratie lebe“, sagt Bettel. Die militärische Unterstützung Luxemburgs sei historisch, erstmals habe Luxemburg auch letale Waffen geliefert. „Luxemburg hat 100 Prozent der versprochenen Hilfen geliefert.“ Derzeit würden noch Diskussionen über weitere Hilfen geführt werden.

Luxemburg respektiere das Gutachten der Europäischen Kommission, die sich für den Kandidatenstatus für die Ukraine ausgesprochen habe. Bettel erklärte, dass Luxemburg die „unverzügliche Gewährung des Kandidatenstatus“ unterstützen werde. „Dies ist ein wichtiges Signal der Hoffnung, das Sie, die Ukraine und das ukrainische Volk verdienen.“ Der Premierminister fügte jedoch hinzu: „In dieser Debatte ist es wichtig, dass die Erwartungen aller Parteien erfüllt werden.“ Es gebe kein „beschleunigtes Verfahren“, um Mitglied der EU zu werden. „Mit dem Kandidatenstatus beginnt ein langer Prozess“, sagte Bettel. Man könne den gemeinschaftlichen Besitzstand und die Kopenhagener Kriterien – Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Grundrechte und eine funktionierende Marktwirtschaft – nicht ignorieren.

Luxemburgs Premier sagte, dass er angesichts der Bilder in Butscha tief bewegt sei. „Ich kenne die Fernsehbilder – es ist etwas anderes, wenn man es erlebt“, sagte Bettel auf der Pressekonferenz. Er sei Teil einer Generation, die keinen Krieg gekannt habe. „Ich hoffe sehr, dass die zukünftigen Generationen der Ukraine ebenfalls keinen Krieg mehr erleben müssen.“ Traumata würden jedoch bleiben – und es sei wichtig, dass jede Art von Verbrechen aufgeklärt werde. Den Wiederaufbau des Landes müsse die Ukraine aber nicht alleine bewerkstelligen: „Den Wiederaufbau gehen wir gemeinsam an“, sagte Bettel.

Bettel ist mit seiner Reise in die Ukraine einer Einladung Wolodymyr Selenskyjs gefolgt. „Auf der Tagesordnung standen Besuche von Städten, die von der russischen Aggression betroffen sind, sowie eine Reihe von bilateralen politischen Gesprächen“, heißt es in einer Mitteilung des Luxemburger Staatsministeriums im Vorfeld. 

Xavier Bettel in Butscha
Xavier Bettel in Butscha Foto: Staatsministerium

Seit Kriegsbeginn sind bereits mehrere europäische Staats- und Regierungschefs nach Kiew gereist. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte so ihre Solidarität mit der Ukraine. Mitte März waren die Premiers Polens, Tschechiens und Sloweniens – Mateusz Morawiecky, Petr Fiala und der inzwischen abgewählte Janez Jansa – als erste Regierungschefs der EU in einer geheim vorbereiteten Mission zum ukrainischen Präsidenten Selenskyj gereist. Später folgten der britische Premier Boris Johnson und der österreichische Kanzler Karl Nehammer sowie die Regierungschefs von Spanien und Dänemark, Pedro Sánchez und Mette Frederiksen.

In der vergangenen Woche waren die Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Italiens nach Kiew gereist. Es ist der erste Besuch Bettels in der Ukraine seit dem Ausbruch des Krieges. Die EU-Kommission hatte am Freitag empfohlen, die Ukraine und Moldau zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. Die Entscheidung darüber müssen nun die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder bei ihrem Gipfel ab Donnerstag treffen. 

Kurz nach Kriegsbeginn hatte Bettel für viele Beobachter überraschend auch zweimal mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Bettel sagte damals, dies sei auf Wunsch Selenskyjs hin geschehen. Seine Kiew-Reise hatte Bettel nach der Video-Ansprache von Selenskyj vor dem luxemburgischen Parlament am 2. Juni angekündigt, ohne allerdings ein Datum zu nennen. Damals hatte Bettel gegenüber L’essentiel erklärt, dass er plane, bald in die Ukraine zu reisen. „Jetzt habe ich eine Einladung, ich werde kommen“, sagte Bettel nach der Video-Ansprache Selenskyjs in der Chamber.

Der ukrainische Präsident hatte seine Rede im Parlament mit einem Verweis auf Luxemburgs Leitspruch „Mir wëlle bleiwen, wat mir sinn“ begonnen. Diese Devise zähle nun auch für die Ukrainer mehr denn je. Selenskyj bedankte sich zudem für Luxemburgs Unterstützung im Kampf gegen Russland. „Dieser Krieg ist ausschlaggebend für Europa“, sagte er vor dem Luxemburger Parlament. Es gehe darum, die gemeinsamen Werte der Europäer zu verteidigen. Premier Bettel sprach danach vor dem Plenum seine Bewunderung für das ukrainische Volk aus und wie es sich erbittert gegen eine von Russland auferlegte Zukunft wehre. „Ihr könnt auf unsere Entschlossenheit zählen, euch zu unterstützen“, sagte Bettel.

d.w.
22. Juni 2022 - 6.28

Dieses Anbiederung ist irgendwie so...so abstoßende!

Filet de Boeuf
21. Juni 2022 - 21.18

Ich bin aber froh dass die Ukraine die Oppositionspartei verboten hat. Das ist der richtige Weg in Richtung Demokratie. Und die Medien sind uns bei so interessanten Themen immer noch eine Erklärung übrig, warum die Ukraine die Oppositionspartei verboten hat. Muss man dafür ein Abo bezahlen?

Dat kann dach net sënn
21. Juni 2022 - 16.55

Bling, bling, bling ... ei wat Fotoapparate klicken a blëtzen. Jo, ech sin et de lëtzebuerger Premier. Just aus Afrika erëm a scho sin ech an der Ukraine. Nee doheem ass néischt ze din alles am Botter....

Robert Hottua
21. Juni 2022 - 13.21

Guten Tag Herr Bettel, kennt Herr SELENSKYJ die luxemburgische Geschichte. Haben Sie sie ihm wahrheitsgemäß erzählt? "Mir wëlle bleiwen, wat mir sinn" kriegt doch dann eine völlig andere Bedeutung! Die zu Waffen gewordenen Worte aus dem päpstlichen "Luxemburger Wort" hatten Konsequenzen, die auch heute, und gerade heute, wegen ihrer nachhaltigen destruktiven Gewalt von einer internationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission aufgeklärt werden müssen. MfG Robert Hottua

w.d.
21. Juni 2022 - 11.10

Nun sind wir dran mit den den Fototerminen, die anderen Nationen haben das Sicherheitskonzept inklusive Bewirtung der Ukraine für Staatsgäste schon genießen dürfen. Na ja, an Geld dafür wird es ja wohl nicht fehlen. Meiner Meinung wäre es aber sinnvoller nach Moskau zu reisen und sich mit einer diplomatische Lösung einen Namen zu machen als mit Freundschaftsbekundungen und "wir haben uns alle lieb" Symboliken Europa weiter in ein wirtschaftliches Desaster zu schieben!

Putinpatriot
21. Juni 2022 - 9.31

Das erinnert mich an eine kuriose Geschichte in Südostasien, in welcher aufgrund äußerlicher Einflüsse ein mit der Getreideart Oryza Sativer gefülltes, aus netzartigem Gewebe bestehendes Behältnis seinen Schwerpunkt so verschob, dass dieses seine Lage von einer vertikalen in eine horizontale wechselte. Was für eine Farce.