BulgarienRestregierung vor dem Fall: Opposition will weitere Neuwahlen erzwingen

Bulgarien / Restregierung vor dem Fall: Opposition will weitere Neuwahlen erzwingen
Bulgariens Premierminister Kiril Petkow (l.) und sein Stellvertreter Asen Vasilev in Sofia  Foto: AFP/Nikolay Doychinov

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Die Amtstage von Bulgariens Neu-Premier Kiril Petkow scheinen gezählt. Mit der Abwahl des Parlamentsvorsitzenden ist der Opposition die Generalprobe für das Misstrauensvotum gegen seine Minderheitsregierung in der nächsten Woche geglückt. Erneute Neuwahlen im Herbst zeichnen sich ab.

Bulgariens Noch-Premier Kiril Petkow übt sich bereits wieder in der Rolle des außerparlamentarischen Volkstribuns. „Wir werden den Staat zurückgewinnen und nicht diesen Gangstern überlassen“, versicherte der Chef der Antikorruptionspartei PP per Megafon und mit der Landesflagge in der Hand seinen rund 1.000 aufgebrachten Anhängern vor dem Parlament.

„Mafia raus!“, skandierten vor der Volksvertretung die Demonstranten: Proteste vor und Handgemenge im Parlament überschatteten in dieser Woche die Abwahl des Parlamentsvorsitzenden Nikola Mintschew (PP). Mit seinem mit 125:113 Stimmen erzwungenen Abtritt ist der Opposition zumindest die Generalprobe für das in der nächsten Woche geplante Misstrauensvotum gegen Petkows Minderheitsregierung geglückt.

Die Amtstage des prowestlichen Harvard-Absolventen Petkow scheinen hingegen nach nur einem halben Jahr auf der Regierungsbank bereits wieder gezählt. Erneute Neuwahlen im Herbst zeichnen sich ab – es wären die vierten in eineinhalb Jahren.

Der Rückzug der populistischen Protestpartei ITN von TV-Entertainer Slawi Trifonow aus der wenig homogenen Regierungskoalition mit der PP, dem liberalen DB und der sozialistischen BSP hatte vor Wochenfrist die Turbulenzen ausgelöst. Offiziell begründet die ITN den Koalitionsbruch mit der „Hinterzimmerpolitik“ von Petkow, der im Alleingang und ohne Absprache mit den Koalitionspartnern die von der ITN, aber auch der BSP abgelehnte Aufhebung von Sofias Veto gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien durchzusetzen trachte.

„Die Mafia will ihren Staat zurück“

Die PP sieht hingegen Geschäftsinteressen der ITN und deren Unmut über von der Regierung verhinderte, korruptionsträchtige Bauvorhaben am Werk. Die Nordmazedonien-Frage sei „vorgeschoben“, es gehe der ITN „nur ums Geld“, sagt der PP-Abgeordnete Andrej Gjurow: „Die Mafia will ihren Staat zurück.“ Tatsächlich wittert die rechte, im letzten Jahr in die Opposition verbannte Gerb-Partei von Ex-Premier Bojko Borissow wieder Morgenluft: Laut Prognosen könnte die Gerb bei einer Neuwahl genauso wie die prorussische „Wiederbelebung“ mit Zugewinnen rechnen.

Die PP setzt ihre schwindenden Hoffnungen auf den Verbleib auf der Regierungsbank hingegen auf weitere Umfaller in den sich lichtenden Reihen von Ex-Partner ITN: Aus Protest gegen den Koalitionsbruch haben bisher 5 von 25 ITN-Abgeordneten ihre Partei verlassen. Er habe „keine Angst“ vor Neuwahlen, versichert Noch-Premier Petkow. Doch „für Bulgarien wäre es besser, keine Wahlen zu haben“.

Aber egal, ob Petkow vorzeitig aus dem Regierungssattel purzelt oder sich doch noch einige Monate länger darin halten kann: Die Hoffnung der EU-Partner, Sofia beim EU-Gipfel nächste Woche zum Rückzug des Vetos gegen Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien zu bewegen, scheint vergeblich. Um die Spekulationen um seine angeblichen Geheimdeals mit Skopje zu beenden, hat der Premier angekündigt, dass das Parlament und nicht seine Minderheitsregierung über die Veto-Frage entscheiden werde: Dort haben die Veto-Befürworter klar die Oberhand.