AustralienDiplomatische Charmeoffensive: Neue Regierung räumt Scherben der Vorgänger weg

Australien / Diplomatische Charmeoffensive: Neue Regierung räumt Scherben der Vorgänger weg
Gute Nachbarschaften pflegen: Australiens neuer Regierungschef Anthony Albanese (l.) und seine Amtskollegin aus Neuseeland, Jacinda Ardern, bei ihrem Treffen in Sydney Foto: Mark Baker/Pool/AFP

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Seit gerade mal drei Wochen hat Australien eine neue Regierung. Letztere versucht in einer Art außenpolitischem Marathon die internationalen Beziehungen zu kitten, die die Vorgängerregierung teils schwer beschädigt hat. Im Falle von Frankreich und China gab es nun Fortschritte.

China und Australien waren über Jahre enge Handelspartner. Auch die Franzosen und die Australier verband eine enge Freundschaft, schließlich hatte man einst in zwei Weltkriegen Seite an Seite gekämpft. Doch die Beziehung zu beiden Ländern lag nach der dreijährigen Amtszeit des ehemaligen liberalkonservativen Premiers Scott Morrison in Scherben. Ein deutlicher „Reset“ der Außenpolitik war überfällig und Australiens Regierungswechsel vor drei Wochen lieferte die Chance.

Bei Frankreich war der Stein des Anstoßes ein abgesagter U-Boot-Deal gewesen. Nachdem die Australier sich im vergangenen Jahr für das sogenannte Sicherheitsabkommen „Aukus“ mit den USA und Großbritannien entschlossen haben, hatte die Regierung Morrison eine U-Boot-Bestellung in Frankreich spontan abgesagt. Stattdessen entschied man sich für britisch-amerikanische Atom-U-Boote. Zum diplomatischen Affront wurde die Affäre auch deswegen, da Morrison den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bewusst belogen haben soll.

Um die Gemüter wieder zu besänftigen, entschädigt der neue australische Regierungschef Anthony Albanese die Franzosen nun großzügig. So soll der französische U-Boot-Hersteller rund 555 Millionen Euro für den geplatzten Deal erhalten, wie Albanese am Samstag verkündete. Die „vergoldete Entschuldigung“ funktionierte: Macron reagierte mit Wohlwollen, Albanese soll bald im Élysée-Palast begrüßt werden.

Diplomatische Eiszeit

Nur einen Tag später gelang die Annäherung an China: Zwei Jahre hatte die Volksrepublik Australien diplomatisch die kalte Schulter gezeigt – Telefonanrufe abgeblockt, Briefe nicht beantwortet. Hauptauslöser für den Zusammenbruch der Beziehungen war die Forderung Morrisons nach einer internationalen Untersuchung gewesen, um die Ursprünge von Covid-19 herauszufinden. Dazu kamen die Ablehnung chinesischer Investitionsprojekte in Australien und öffentliche Kritik an der Kommunistischen Partei und deren Menschenrechtsverletzungen. Auch chinesischen Firmen in Australien machte es die frühere Regierung alles andere als leicht. So wurde die Telekommunikationsfirma Huawei beim Ausbau des 5G-Netzes ausgeschlossen und Australien verabschiedete sich aus der sogenannten „Belt and Road“-Initiative. Über das Projekt, das auch gerne als neue „Seidenstraße“ bezeichnet wird, investiert China weltweit in milliardenschwere Infrastruktur-Projekte. China reagierte mit massiven Strafzöllen auf australische Weine und hohen Tarifen für Gerste. Kohleimporte wurden blockiert und Handelsbarrieren machten das Leben der Baumwolle-, Rindfleisch- und Hummer-Produzenten schwer.

Die Beziehung war also ramponiert. Um sie wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern, wird es deutlich mehr bedürfen als beim französisch-australischen Verhältnis. Ein erstes positives Zeichen gab es jedoch bereits direkt nach dem Wahlsieg Albaneses, als der chinesische Premier Li Keqiang ihm schriftlich zum Wahlsieg gratulierte. Ein weiterer Lichtblick folgte am Sonntag: Am Rande des sogenannten Shangri-La-Dialogs, einem jährlichen Sicherheitsgipfel in Singapur, trafen Australiens neuer Verteidigungsminister Richard Marles und sein chinesischer Kollege Wei Fenghe zusammen.

Komplexe Beziehung

Marles bezeichnete das Treffen als „einen entscheidenden ersten Schritt“ und beschrieb es als einen „offenen und umfassenden Austausch“, bei dem eine Reihe von besorgniserregenden Themen für Australien zur Sprache gekommen seien, darunter Chinas jüngstes Abfangen eines Flugzeugs der australischen Luftwaffe über dem Südchinesischen Meer. Gleichzeitig wies er aber auch darauf hin, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern „komplex“ seien. Doch gerade wegen dieser Komplexität sei es so wichtig, „jetzt in den Dialog zu treten“.

Experten setzen beim „richtigen“ Umgang mit China ebenfalls auf Dialog. Hugh White, ein Strategieexperte der australischen Nationaluniversität, sagte vor Kurzem in einem Videotelefonat von Canberra aus, es sei wichtig für westliche Länder, die Beziehung zu autoritären Staaten nicht „als Gut gegen Böse“ abzustempeln. Die Erkenntnis der Realität, dass China ein mächtiges Land ist, sei „schmerzhaft“ und „kompliziert“, „aber wir machen es nicht einfacher, indem wir immer wieder sagen, wie schlimm das ist“. Vielmehr müsse der Westen einen Modus vivendi im Umgang mit dem Land finden.

Gute Diplomatie: Demut und Respekt

Dass die neue australische Regierung eine Chance hat, einen solchen Modus vivendi zu finden, zeigt das bisherige Auftreten von Albanese und seiner neuen Außenministerin Penny Wong, die erste asiatisch-stämmige Frau in der Position. So stattete der frischgebackene Regierungschef bereits dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo einen Besuch ab und empfing seine neuseeländische Kollegin Jacinda Ardern. Bei beiden Treffen ging es deutlich herzlicher zu als noch zu Zeiten der Vorgängerregierung. Auch der tadellose Ton von Wong, die ihre Botschaften an Indonesien in der lokalen Sprache Bahasa übermittelte und ihre Bereitschaft, zuzuhören, wurden laut Philipp Ivanov, dem Geschäftsführer der Asia Society Australia in Asien, gut aufgenommen. In einem Meinungsstück für das politische Magazin The Diplomat lobte der Experte zudem Wongs Reise in die Pazifikregion, die mit der Tour des chinesischen Außenministers durch die Region zusammenfiel. Ihr dortiger Einsatz habe gezeigt, was gute Diplomatie, die Demut und Respekt zeige, bewirken könne. So lehnten die pazifischen Regierungschefs Chinas Vorschlag für einen regionalen Sicherheits- und Wirtschaftspakt nach Wongs Besuch ab.

Wenn sich Australien als „ein aktives Mitglied und ein verantwortungsbewusster Partner“ für Sicherheit und Wohlstand in Asien zeige, dann werde sich das auch positiv auf das chinesisch-australische Verhältnis auswirken, so Ivanov. Letzteres bedeute anzuerkennen, „dass viele unserer wichtigsten Partner in Asien nicht zwischen den Vereinigten Staaten und China wählen wollen“.