ReportageMit Espresso in die nigrische Wüste: Bettel und Fayot besuchen Kooperationsprojekte

Reportage / Mit Espresso in die nigrische Wüste: Bettel und Fayot besuchen Kooperationsprojekte
Kooperationsminister Franz Fayot und Premierminister Xavier Bettel begutachten Solarpanels in der nigrischen Wüste Foto: Jean-Christophe Verhaegen/SIP

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Premierminister Xavier Bettel und Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot sind am Sonntag für drei Tage nach Niger und Ruanda aufgebrochen. Das Tageblatt hat die Luxemburger Delegation auf ihrer Mission im Niger begleitet und ein genaues Auge auf Bettel und Fayot geworfen.

Ein grauer Militärflieger der italienischen Luftwaffe wartet am verregneten Sonntagmorgen auf die rund 40 Mann starke Luxemburger Delegation. In wenigen Augenblicken soll die Maschine, auf deren Seite groß in weißen Lettern „aeronautica militaria“ steht, in Richtung Niamey im Niger abheben. Dadurch, dass die Maschine lediglich zwei Fenster hat, nimmt man den Abflug nur anhand der dröhnenden Motoren und eines mulmigen Bauchgefühls wahr. Der übliche Komfort eines handelsüblichen Linienflugzeugs ist einer militärisch-pragmatischen Einrichtung gewichen, schnell geht im von der Außenwelt abgeschotteten Innenraum der Kabine jegliches Zeitgefühl verloren.

Der Innenraum des Militärfliegers wirkt fast hermetisch abgeriegelt
Der Innenraum des Militärfliegers wirkt fast hermetisch abgeriegelt Foto: Sidney Wiltgen

An Querstreben über den Köpfen der Passagiere sind Notausgangsschilder angebracht. Das in kommerziellen Fliegern übliche Multimediasystem im Vordersitz fehlt gänzlich – stattdessen lugt eine kleine Leselampe aus dem Sitz hervor. Stauraum für Handgepäck sucht man vergebens und das übliche Erfrischungsgetränk kann hinten im Bug der Flugkabine bei den mitfliegenden Soldaten abgeholt werden. Ein Umstand, der Premierminister Xavier Bettel nicht zuletzt dazu verleitete, kurz in die Rolle des Flugbegleiters zu schlüpfen und bei einem seiner Rundgänge durch den Innenraum die Passagiere auf die doch etwas ungewohnte Art und Weise der Getränkebeschaffung aufmerksam zu machen. Später verteilt der Premierminister dann auch freudig saure Gummibärchen – „die muss man essen, bis die Zunge brennt“ –, während Kooperationsminister Franz Fayot eher ruhig und zurückgezogen in seinem Sitz verweilt, versunken in die Lektüre vor ihm liegender Dokumente.

Espresso gegen Langeweile

Dass das Militärflugzeug von der italienischen Luftwaffe gestellt wird, lässt sich im Innenraum kaum erahnen. Lediglich die braunen Anzüge der Soldaten, auf denen gut sichtbar eine italienische Flagge gestickt ist, die italienischen Sicherheitsanweisungen wie auch der Umstand, dass neben „Caffè Americano“ auch Espresso angeboten wird, lassen darauf schließen, dass es sich um ein italienisches Flugzeug handelt. Auf dem tristen Grau der Innenwände oder den dunkelblauen Sitzen sucht man nämlich vergebens nach einer Markierung oder einem Markenaufdruck.

Niger und Ruanda heißen die Ziele der Luxemburger Delegation. Niger ist seit 1989 Kooperationspartner Luxemburgs, die Eröffnung der Luxemburger Botschaft im Niger unterstreicht den Stellenwert und die strategische Bedeutung, die Luxemburg dem afrikanischen Land in der Sahel-Zone zuweist. Im benachbarten Mali sind die Bemühungen der EU und somit auch die Luxemburger Kooperationspolitik nach dem Militärputsch zumindest in Frage gestellt, der steigende russische Einfluss in der Region destabilisiert die Region, die schon länger unter dem dschihadistischen Terror leidet, noch zusätzlich. Die Gefahr, dass die Unruhen auch nach Niger überschwappen? „Sehr groß“, meint Premierminister Xavier Bettel später während der Reise im Niger.

Das Empfangskomitee am Flughafen in Nigers Hauptstadt Niamey
Das Empfangskomitee am Flughafen in Nigers Hauptstadt Niamey Foto: Jean-Christophe Verhaegen/SIP

Gegen 16 Uhr Ortszeit landet das Flugzeug auf dem Flughafen in Niger. Bei Öffnung der Flugzeugtüren dringt gleißendes Sonnenlicht in die Kabine, begleitet von wohltuender Wärme, die den klimatisierten Innenraum sogleich leicht erhitzt. Diese Wärme verwandelt sich jedoch schnell in eine fast schon erdrückende Hitze, wenn man ins Freie tritt und die Sonne einem aufs Haupt scheint. Nicht zu beneiden sind das Empfangskomitee am roten Teppich und die Militärmusiker aus Niger, die den Temperaturen schon länger trotzen müssen. Xavier Bettel und Franz Fayort werden mit den Tönen der „Heemecht“, der nigrischen Nationalhymne und traditionellen Musik- und Tanzeinlagen am Flughafen begrüßt, ehe die Delegation sich auf mehrere Autos und einen etwas zerbeulten Minibus aufteilt.

Die Luxemburger Delegation wird nämlich direkt vom Flughafen in eins von 13 Kooperationsdörfern gefahren, die mit Luxemburger Mitteln errichtet wurden. Die Szenerie auf dem Weg dorthin lässt einen mit gemischten Gefühlen zurück: Im linken Fenster des in die Jahre gekommenen Minibusses streifen anfangs wunderschöne Landschaften und Hütten in rotbrauner Sandfarbe vorbei. Schnell jedoch weichen diese Eindrücke Bildern unfassbarer Armut. Ein verdreckter Kanal, in dem das Volumen an Abfall größer ist als das des wenigen Wassers, das in der Wüstenhitze noch nicht verdunstet ist und sich zwischen Plastiktüten hindurchschlängelt. Am Straßenrand bieten Händler ihre Ware feil, Menschen suchen unter am Straßenrand abgestellten Fahrzeugen Schutz vor der Sonne. Die Fahrzeugkolonne fährt an einem Schrottplatz vorbei, an dem sich Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Autos aneinanderreihen. Gebannt starren die Händler, Eltern und Kinder auf den mit Blaulicht und Sirenen durch Niamey gelotsten Konvoi.

Natürliches Habitat

Das Dorf besteht aus mehreren Handwerksbetrieben. Aufgeregt, ja schon fast wie ein kleines Kind im Urlaub, läuft Premierminister Xavier Bettel von Betrieb zu Betrieb, redet mit den Menschen und scheint den Trubel zu genießen. Franz Fayot hingegen lässt sich etwas zurückfallen, steht nicht in erster Linie mit Fotografen und Kameraleuten wie auch Bettels Bodyguards, sondern spricht mit Mitgliedern der Delegation und Fotografen. Während Bettel von einem Handwerker einen Stuhl geschenkt bekommt, spricht Fayot von „Hausaufgaben“, wie weitere ökonomische Anreize zum Vertrieb der Ware geschaffen werden können. Zwei Welten, vereint auf wenigen Quadratmetern. Ein Premierminister, der in der Menschenfülle aufzublühen scheint, und ein Wirtschaftsminister, der sich lieber von vorderster Front fernhält. Ein ähnliches Bild auch beim abendlichen Galadinner: Während Bettel gen Ende des Abends zwischen den Tischen umhergeht, über die für Tischgespräche zu laute Musik witzelt, bleibt Fayot am Tisch mit den Ehrengästen sitzen.

Premierminister Xavier Bettel im Kooperationsdorf in Niamey
Premierminister Xavier Bettel im Kooperationsdorf in Niamey

Wer gehofft hatte, dass die Temperaturen am nächsten Morgen etwas abgekühlt wären, sieht sich beim Austritt aus der Hotellobby getäuscht. Gegen sechs Uhr in der Früh sollte die Fahrt zum Flüchtlingslager in Ouallam losgehen. Trotz der frühen Tageszeit sind es bereits über 30 Grad, die Luft zwischen den wartenden Autos, bei denen bei einigen der Motor bereits läuft, stickig. Lediglich ein laues Lüftchen lockert die Atmosphäre etwas auf, doch es herrscht bereits Gewissheit: 40 Grad im Schatten dürften auch am Montag erreicht werden – Schatten, der in der Wüste Nigers kaum aufzufinden ist.

Gesichert von mehreren Polizeifahrzeugen – Pickup-Trucks mit vier bis sechs mit Maschinengewehren bewaffneten Polizisten – fährt die Autokolonne von Niamey nach Ouallam. „Abends ist es weißen Ausländern verboten, Niamey zu verlassen“, sagt Camille Roman, Sicherheitsbeauftragte im Niger. Zu hoch sei das Risiko einer Entführung. „Wenn die Herkunftsländer der Entführten denn zu Verhandlungen bereit sind, beläuft sich die Summe pro Kopf auf bis zu acht Millionen Euro.“ Bis zu 150 Mann sollen in Niamey und entlang der kritischen Route sowie im Flüchtlingslager für die Sicherheit der Luxemburger Delegation sorgen, schätzt Roman. Premierminister Xavier Bettel wird mitsamt den Luxemburger Diplomaten und dem nigrischen Premierminister per Hubschrauber eingeflogen – aus Sicherheitsgründen.

Ein Leibwächter auf dem Weg zum Landeplatz
Ein Leibwächter auf dem Weg zum Landeplatz Foto: Jean-Christophe Verheagen/SIP

Der Weg zum Flüchtlingslager in Ouallam nimmt etwa anderthalb Stunden Autofahrt in Anspruch. Nur vereinzelt wird die Autokolonne verlangsamt oder komplett gestoppt – etwa wenn wilde Tiere die staub- und sandbedeckte Fahrbahn überqueren. Vorbei an Straßencheckpoints, erkennbar an am Fahrbahn aufgestapelten Autoreifen, bewacht von auf Plastikstühlen herumsitzenden Männern, die der Sonne nur unter einem notdürftig errichteten Sonnendach entkommen können. Immer weiter führt der Weg in die Ödnis hinein, immer weiter weg vom letzten zivilisatorischen Anhaltspunkt, den Niamey in dieser Gegend darzustellen scheint. Immer wieder wird der feine Schleier aus Wüstensand, der sich auf der Fahrbahn befindet, von den heranbrausenden Fahrzeugen aufgewirbelt. Nur wenige Dörfer am Straßenrand vermögen mit der Wüstenmonotonie zu brechen, die sich den Insassen beim Blick aus dem Fenster bietet. Ab und an erblickt man noch ein paar Ziegen oder Kühe, wenn sie am Straßenrand nach spärlich vorhandenen essbaren Gräsern suchen.

Flucht in die Wüste hinein

Inmitten der Ödnis, die einen im klimatisierten Fahrzeug fast in den Schlaf wiegt, taucht plötzlich eine Siedlung auf. Die Delegation hat Ouallam erreicht. Die Ruhe der Wüste weicht der Hektik von zahlreichen Menschen, die sich am Straßenrand dicht an dicht drängen und gebannt auf die Fahrzeugkolonne schauen, während sich diese ihren Weg durch die Straßen zum Flüchtlingslager bahnt. Ungefähr 6.000 Menschen wohnen hier in vom Luxemburger Roten Kreuz bereitgestellten Behausungen zusammen. Diese sind wenige Quadratmeter groß, Komfort bieten lediglich im Innern ausgerollte Teppiche. Fließendes Wasser Fehlanzeige, Toiletten und Duschen müssen sich die hier untergebrachten Flüchtlinge teilen. Sie sind vor Krieg und Terrorismus geflohen.

Die Zeremonie im Lager dauert nur wenige Minuten, wie auch der kurze Rundgang, der von aus umliegenden Hütten ertönendem Kindergeschrei begleitet wird. Luxemburger und nigrische Delegation, bewacht von Militärs und Bodyguards, bahnen sich ihren Weg zwischen Dreck, Sand und Strohhütten hindurch. „Ich habe eine Frau kennengelernt, die 40 Stunden mit ihrem Kind durch die Wüste geflohen ist“, schildert Xavier Bettel später eine seiner Begegnungen im Flüchtlingslager. Ihr Mann und weitere Kinder hätten es nicht geschafft, dem Angriff auf ihr Heimatdorf zu entfliehen. Keine dreißig Kilometer vom Lager entfernt sind dschihadistische Angriffe an der Tagesordnung – auch deswegen wird das Lager vom Militär bewacht.

Im Flüchtlingslager von Ouallam, im Hintergrund die vom Luxemburger Roten Kreuz bereitgestellten Hütten
Im Flüchtlingslager von Ouallam, im Hintergrund die vom Luxemburger Roten Kreuz bereitgestellten Hütten Foto: Sidney Wiltgen

Kurz danach steigt die Delegation wieder ins Auto und macht sich auf den Weg ins 30 Kilometer entfernte Dorf Simiri, ganz so, als wolle sie dem Elend und der Armut entfliehen. In Simiri bietet sich dem Fahrzeugkonvoi dann auch ein ganz anderes Bild. Nur wenige Meter von der befestigten Fahrbahn entfernt halten die schwarzen und grauen Geländewagen der Delegation mitten im Dorf, das von zwei Wassertanks überragt wird. Einer dieser Wassertanks ist der eigentliche Grund für den Besuch: Eine neue Wasserpumpe, finanziert mit Luxemburger Mitteln, wurde an Solarpanels angeschlossen, mit dem Wassertank zudem zusätzliche Speicherkapazitäten geschaffen, die Versorgung von bis zu 4.000 Einwohnern garantiert. Bei Ankunft im Dorf warten die Bewohner bereits auf den Konvoi. Dieser hält am, wie es scheint, zentralen Dorfplatz, wo wie schon im Flüchtlingslager behelfsmäßig Zelte aufgerichtet wurden, die die Gäste vor der Sonne schützen sollen. Diese ist am Montagmorgen allerdings gnädig und versteckt sich hinter einer Wolkendecke – der Hitze tut dies jedoch keinen Abbruch.

Für die Ehrengäste wurden alte Sofas und Sessel aufgerichtet, dahinter stehen mit Stoff überzogene Stühle für die restlichen Delegationsmitglieder. Kurz vor der Ankunft der Ehrengäste treffen die Sicherheitsbeamten des Premierministers ein, Sofas und Sessel werden umgedreht, ein Beamter in Camouflage-Ausrüstung fährt mit der Hand durch alle Sofaritzen, als wäre er auf der Suche nach Kleingeld. Tatsächlich aber halten die Beamten nach Waffen, versteckten Bomben oder sonstigen Bedrohungen Ausschau, die den Ehrengästen schaden könnten. Währenddessen dröhnt laute Musik aus am Dorfplatz aufgestellten Boxen, während die Bewohner des Dorfes und des Landes gespannt auf die Ankunft der Helikopter warten. Ein Dröhnen am Himmel, dann rennen plötzlich alle Kinder des Dorfes laut schreiend in eine Richtung. Sie haben die Helikopter erblickt und laufen aufgeregt auf einen kleinen Hügel, von wo aus sie den Landeplatz überblicken.

Der Dorfplatz von Simiri. Links der neu errichtete Wasserturm, rechts das aufgebaute Zelt für die Ehrengäste.
Der Dorfplatz von Simiri. Links der neu errichtete Wasserturm, rechts das aufgebaute Zelt für die Ehrengäste. Foto: Jean-Christophe Verhaegen/SIP

Wie schon zuvor im Flüchtlingslager werden zuerst Reden gehalten – „l’eau, c’est la vie“ und „l’eau est plus précieuse que l’or ou les diamants“, dixit Bettel –, bevor die neue Infrastruktur mit einem Kostenpunkt von 130.000 Euro besichtigt wird. „Merci Monsieur Fayot, pour les investissements“, sagt Bettel noch in Richtung des zum Zuschauen verdammten Kooperationsministers, der später im Tageblatt-Interview von einem reinen Höflichkeitsbesuch im Niger spricht – die eigentliche Arbeit sei ja bereits bei vorherigen Besuchen und in den Monaten und Jahren zuvor geleistet worden.

Jules
13. Juni 2022 - 11.37

Bleiw doheem an eerem Disney- Land,do sinn genug Problemer ze leisen, a plaatz dobaussen deck Baacke maachen an Steiergelder ze verjubelen.

Grober J-P.
13. Juni 2022 - 9.54

„l’eau est plus précieuse que l’or ou les diamants“, Und hinter den Hütten warten bereits die Wünschelrutengänger von Nestlé!