Ukraine-KriegUkrainische Truppen geraten im Osten des Landes immer stärker unter Druck

Ukraine-Krieg / Ukrainische Truppen geraten im Osten des Landes immer stärker unter Druck
In der Stadt Bachmut löschen Feuerwehrleute einen Brand nach einem Raketeneinschlag in einem Gipswerk Foto: AFP/Aris Messinis

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Im Donbass fällt offenbar ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt an die Russen. Eine weitere Industriestadt ist fast völlig zerstört. Die USA erwägen jetzt die Lieferung von Raketenwerfern, die Hunderte Kilometer weit schießen können. Selenskyj kritisiert derweil die EU.

Ukrainische Truppen geraten im Osten des Landes immer stärker unter Druck. Prorussische Separatisten erklärten am Freitag, die strategisch wichtige Stadt Lyman erobert zu haben. Der Eisenbahnknotenpunkt sei in ihrer Hand, teilten Vertreter der sogenannten Volksrepublik Donezk mit. Nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk, Serhij Gaidai, ist zudem die Stadt Sewerodonezk zu zwei Dritteln von russischen Streitkräften eingekreist. Der sehr starke russische Beschuss habe 90 Prozent der Wohnungen in der Stadt beschädigt.

Westliche Militärexperten sehen vor allem in der möglichen Eroberung von Lyman eine Vorentscheidung darüber, ob Russland seine Offensive fortsetzen kann oder nicht. Ein Sprecher des Kiewer Verteidigungsministeriums sagte, ukrainische Truppen hätten einen Gegenangriff gestartet.

Der Druck auf Russland ist buchstäblich eine Frage der Rettung von Leben

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj

Nach einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin teilte Österreichs Kanzler Karl Nehammer mit, dass dieser zu Gesprächen über einen Gefangenenaustausch bereit sei. Zudem wolle Russland seine Gaslieferungen fortsetzen. Der russische Finanzminister Anton Siluanow sagte, dass Russland Haushaltsanreize für die Wirtschaft in Höhe von acht Billionen Rubel (rund 111 Milliarden Euro) setzen wolle. Putin ordnete diese Woche eine zehnprozentige Erhöhung der Renten und des Mindestlohns an, um die Inflation abzufedern. Er bestritt, dass die wirtschaftlichen Probleme vor allem mit der von Russland so bezeichneten militärischen Sonderoperation in der Ukraine zusammenhängen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der EU vor, immer noch nicht russische Energieimporte verboten zu haben. Jeden Tag zahlten die EU-Staaten eine Milliarde Euro für Gas und Öl, mit denen die russischen Kriegsanstrengungen finanziert würden. „Der Druck auf Russland ist buchstäblich eine Frage der Rettung von Leben. Jeder Tag des Zögerns, der Schwäche, der verschiedenen Streitigkeiten oder der Vorschläge zur ,Befriedung‘ des Aggressors auf Kosten des Opfers bedeutet lediglich, dass noch mehr Ukrainer getötet werden“, sagte er.

Kommen US-Raketenwerfer?

Unterdessen ging die Debatte um westliche Waffenlieferungen an die Ukraine weiter. Die Regierung in Kiew forderte Bodenwaffen mit größerer Reichweite, insbesondere Raketenwerfer, die ihr helfen könnten, eine Artillerieschlacht gegen Russland im Osten zu gewinnen. Nach US-Angaben erwägt die Regierung von Präsident Joe Biden sogar, Kiew mit dem Artillerie-System M142 HIMARS zu beliefern, das eine Reichweite von Hunderten Kilometern haben kann. Bisher hatte auch Washington davor gewarnt, dass Waffen mit größerer Reichweite eine Eskalation bedeuten könnten, wenn die Ukraine damit Ziele tief in Russland angreifen würde. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte, jegliche Waffenlieferungen, die russisches Territorium erreichen könnten, wären „ein ernsthafter Schritt in Richtung einer inakzeptablen Eskalation“.

Russische Truppen waren am 24. Februar in das Nachbarland einmarschiert. In dem Konflikt sollen bislang Zehntausende Soldaten und Zivilisten getötet worden sein. Die UN sprach von 4.000 getöteten Zivilisten. Selenskyj sagte, durch den Krieg seien rund zwölf Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden. Rund 5,5 Millionen Menschen hätten das Land verlassen.

Er habe bereits mehrfach versucht, ein direktes Gespräch mit dem russischen Präsidenten zu organisieren, um den Krieg zu beenden, sagte Selenskyj. Russland sei anscheinend noch nicht bereit für ernsthafte Friedensgespräche, sondern stelle nur Ultimaten. Russland wiederum wirft der Ukraine eine Blockade der Gespräche vor. (Reuters, AFP, dpa)

Iran vs. Griechenland

Der Iran hat zwei griechische Öltanker im Persischen Golf festgesetzt. Die beiden Schiffe seien „aufgrund von Verstößen beschlagnahmt worden“, erklärten die Revolutionsgarden am Freitag. In der Mitteilung der Eliteeinheit wurde nicht näher erläutert, um welche „Verstöße“ es sich gehandelt haben soll. Griechenland warf dem Iran „Piraterie“ vor.  Nach Angaben Griechenlands hatten iranische Hubschrauber bewaffnete Einsatzkräfte auf den beiden Tankern abgesetzt. Eines der Schiffe habe sich zu diesem Zeitpunkt in internationalen Gewässern befunden. Der zweite Tanker sei nahe der iranischen Küste festgesetzt worden. Unter den Besatzungsmitgliedern beider Schiffe waren demnach neun Griechen. Athen informierte die EU und die Internationale Seeschifffahrts-Organisation über den Vorfall. Griechenland hatte im April einen unter russischer Flagge fahrenden Tanker mit 115.000 Tonnen Öl beschlagnahmt. Am Mittwoch kündigten die griechischen Behörden an, dass das Öl auf Ersuchen Washingtons in die Vereinigten Staaten gebracht werden soll. Teheran verurteilte das Vorgehen Griechenlands als „internationalen Raub“. 

USA vs. China

In einer Reaktion auf die Grundsatzrede von US-Außenminister Antony Blinken zu China warf Außenamtssprecher Wang Wenbin den USA am Freitag vor, die Bedrohung durch China zu übertreiben, sich in innere Angelegenheiten Chinas einzumischen und dessen Innen- und Außenpolitik zu diskreditieren. „Der Zweck ist, Chinas Entwicklung einzudämmen und zu unterdrücken und die Vorherrschaft und Macht der USA zu wahren“, sagte Wang Wenbin. Die „regelbasierte internationale Ordnung“ sei nichts anderes als ein Regelwerk, das die USA und eine Handvoll Länder formuliert hätten. In seiner Rede hatte Blinken China trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf lange Sicht als größte Herausforderung für die internationale Ordnung dargestellt. Unter Präsident Xi Jinping sei China „zu Hause repressiver und im Ausland aggressiver“ geworden und das einzige Land, „das sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, und zunehmend auch die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, um dies zu tun“. Er versicherte aber, dass die USA einen neuen Kalten Krieg vermeiden wollten.